Mit Hilfe eines Zuckermolekül kann man demnächst den RNA-Wirkstoff treffsicher ans Ziel bringen und so schwere Lungenentzündungen verhindern. So lautet die Meldung der TU München, die uns natürlich aufhorchen lässt. Vor allem, da bereits erste klinische Tests für Frühjahr 2024 angepeilt sind.
Ein Team um Stefan Engelhardt, Professor für Pharmakologie und Toxikologie, hat einen zuckerbasierten Transportmechanismus entdeckt, welcher entzündungsverursachende Fresszellen zielgerichtet anspricht. Denn vor allem hinter Lungenschäden bei Erkrankungen wie Covid-19 stecken oft übermäßig aktive Immunzellen der Betroffenen. Der entwickelte RNA-Wirkstoff kann mit Hilfe eines Lungen-Sprays verabreicht und mit Hilfe eines neuen, zuckerbasierten Transportmechanismus an sein Ziel gebracht werden.
Am Zielort, der Zelle eingetroffen, stoppt RCS-21 dann die Aktivität des Moleküls microRNA 21. Diese Nukleinsäure, die Engelhardt und sein Team seit langem erforschen, ist einer der Auslöser für die übermäßige Aktivität der Makrophagen bei schweren Lungenentzündungen.
Die im Fachmagazin „Nature Communications“ geschilderte Forschungsarbeit zeigt, wie es dem TUM-Team gelungen ist, den Wirkstoff RCS-21 über einen Inhalator besonders effektiv an sein Ziel zu befördern. Zu Hilfe genommen wurde dafür ein spezielles Merkmal der Makrophagen. Diese Fresszellen sind auch in einer gesunden Lunge zahlreich vorhanden und haben die wichtige Aufgabe, Bakterien und Pilzsporen möglichst schnell zu zerstören. Diese erkennen die Makrophagen unter anderem anhand komplexer Zuckermoleküle auf der Oberfläche der Eindringlinge. „Wir haben in Einzelzellanalysen festgestellt, dass die entsprechenden Zucker-Rezeptoren zum einen zu den häufigsten Rezeptoren auf den Makrophagen gehören“, sagt Stefan Engelhardt. „Zum anderen sind die Rezeptoren gewissermaßen ein Alleinstellungsmerkmal von Makrophagen – woanders treten sie kaum auf.“
Daher koppelte das Team seinen Wirkstoff ein Zuckermolekül namens Trimannose. Dieser Ansatz wurde bislang nur mit chemisch weniger komplexen Wirkstoffen verfolgt. Studien mit Mäusen zeigen, dass das Medikament als Spray verabreicht, von den Makrophagen deutlich besser auf als ohne Zuckermoleküle aufgenommen wurde…
In Versuchen mit Mäusen sorgte RCS-21 dafür, dass microRNA 21 im Vergleich zu Kontrolltieren um mehr als die Hälfte reduziert war. Fibrosen und Entzündungen waren nach einer Behandlung ebenfalls deutlich herabgesetzt. Auch in Proben von menschlichem Lungengewebe, das im Labor mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert wurde, konnte eine gesteigerte Aktivität von microRNA-21 durch eine Behandlung mit RCS-21 gestoppt werden.
Die Studien zum Nachweis der Sicherheit des Medikaments laufen bereits, erste klinische Studien im Menschen sind für 2024 angestrebt.
Erforscht wurde es beim Start-up RNATICS, eine Ausgründung der TUM. Dort konnte man bereits 2021 das Bundesforschungsministerium überzeugen, die Entwicklung des Medikaments mit rund 7 Millionen Euro zu fördern.
Professor Stefan Engelhardt sieht großes Potenzial in der Mannose-Technologie: „Wir konnten zeigen, dass auf diese Weise nukleinsäurebasierte Wirkstoffe zumindest in der Lunge sehr gezielt eingesetzt werden können. Diese Technologie eröffnet ein weites Feld zur Entwicklung neuartiger RNA-basierter Medikamente. Ich erwarte, dass sich in den nächsten Jahren viel auf diesem Gebiet tun wird.“
Quelle: PM TUM 8.23, Original-Publikation Science (2023). (DOI: 10.1126/science.abn6366)