Zusätzliche Herzschläge aus den Hauptkammern des Herzens, so genannte ventrikuläre Extrasystolen, können mit schweren Erkrankungen einhergehen. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nutzen maschinelles Lernen, um den Entstehungsort der Extrasystolen nicht-invasiv zu bestimmen. Dies könnte in Zukunft Diagnose und Therapie erleichtern und verbessern. Dazu verwenden sie künstliche neuronale Netze, die mit synthetischen Daten aus einem realistischen Simulationsmodell trainiert werden.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit für mehr als 17 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Rund 25 Prozent von ihnen sind auf den plötzlichen Herztod zurückzuführen. Dieser kann mit ventrikulären Tachykardien in Zusammenhang stehen, d.h. schnellen Herzrhythmusstörungen aus den Herzkammern, die häufig durch ventrikuläre Extrasystolen ausgelöst werden. Diese zusätzlichen Herzschläge aus den Ventrikeln fühlen sich wie Aussetzer oder Stolpern an. Der normale Herzschlag wird vom Sinusknoten im linken Vorhof gesteuert, während die Extrasystolen durch elektrische Signalquellen an anderen Stellen ausgelöst werden. Ventrikuläre Extraschläge (Systolen) sind bis zu einer bestimmten Anzahl normal. Ventrikuläre Tachykardien können jedoch die Herztätigkeit beeinträchtigen und vor allem bei vorbestehender Herzinsuffizienz lebensbedrohlich sein.
Ventrikuläre Tachykardien lassen sich mit einer Katheterablation behandeln: Über einen Spezialkatheter wird der Entstehungsort der Extrasystolen mit Hochfrequenzstrom verödet. Dazu ist es notwendig, den Ursprungsort vorher genau zu lokalisieren. Verfahren, bei denen zur Lokalisation ein Katheter in die Herzkammer eingeführt wird, sind minimalinvasiv, aber mit einem hohen Zeitaufwand und gewissen Risiken verbunden. Die Lokalisierung über das Elektrokardiogramm (EKG) erfordert die vorherige Erhebung der patientenspezifischen Geometrie mittels Computertomographie. „Mit Methoden des maschinellen Lernens lässt sich der Ursprungsort von Extrasystolen dagegen nicht-invasiv und ohne tomographische Bildgebung bestimmen“, sagt Dr. Axel Loewe, Leiter der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Computermodelle des Herzens“ am Institut für Biomedizinische Technik (IBT) des KIT.
In der Fachzeitschrift Artificial Intelligence in Medicine berichten Forscherinnen und Forscher des IBT des KIT und des Karlsruher Unternehmens EPIQure, wie sie mit Hilfe von Deep Learning ventrikuläre Extrasystolen aus EKG-Signalen ohne patientenspezifische Geometrie lokalisieren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwenden dazu Convolutional Neural Networks (CNNs), eine spezielle Form künstlicher neuronaler Netze. CNNs bestehen aus verschiedenen Schichten, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen… Die Karlsruher Forscherinnen und Forscher trainierten die CNNs ausschließlich mit synthetischen Daten, die sie aus einem realistischen Simulationsmodell gewonnen hatten. Nur so war es möglich, einen Datensatz von 1,8 Millionen Extrasystolen-EKGs zu generieren… In 82 Prozent aller klinischen Fälle wurde der Ursprung der Extrasystolen korrekt bestimmt. „Nach weiterer Optimierung anhand klinischer Daten hat unsere Methode das Potenzial, medizinische Eingriffe zu beschleunigen, Risiken zu verringern und die Ergebnisse zu verbessern“, sagt Loewe.
Quellen: PM 7, 23 KIT, Artificial Intelligence in Medicine
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