Autor: Sibylle Lewitscharoff, Heiko Michael Hartmann
Verlag: Herder
Seiten: 208
ISBN-10: 3451392127
ISBN-13: 9783451392122
Preis: EUR 20.00
Die Hölle, das seien die anderen, meinte bereits Sartre. In Warten auf: Gericht und Erlösung befinden sich zwei frisch Verstorbene in einem Schwebezustand und diskutieren über die letzten existenziellen Fragen. Können sie Aufklärung oder gar Erlösung finden? Die liebenswürdige, gesellige Gertrud Severin (alias Sibylle Lewitscharoff) erwacht mutterseelenallein in einem körperlosen Warteraum. Da begegnet ihr eine zweite Stimme. Diese männliche Stimme (alias Heiko Michael Hartmann) kontert zunächst ihr „treuherziges Geplapper“ mit harschen, kargen Worten. Ihre in jeder Hinsicht gegensätzlichen Ansichten und Werte regen das Duo jedoch bald zu einem erst vorsichtigen, dann furiosen Schlagabtausch an: über Gott, Leib und Seele, über Gericht und Erlösung, über Glauben und Nicht-Glauben. Eine stilistisch wie inhaltlich beeindruckende Lektüre – zwischen religiöser Belletristik und philosophischem Sachbuch.
Das Buch lebt vom Schlagabtausch der beiden Seelen bzw. Autoren. Teilweise erbittert, oft aber mit einem wunderbar leicht-spöttischen Unterton geht es um die zentralen menschlichen Themen. Anders als bei Lewitscharoffs Roman Von oben, dessen Handlung nur auf den ersten Blick ähnelt und dennoch inhaltlich-dramaturgisch nicht unterschiedlicher sein könnte, stellen beide Protagonisten verschiedene Pole und Positionen dar. Die beiden streiten sich durch die europäische Geistesgeschichte, durch Religion, Philosophie und Literatur, und brennen dabei ein Feuerwerk der Argumente ab. Die besondere Dynamik entsteht durch die beiden Stile der Autoren, die diesen Unterschied lustvoll ausleben und wunderbar inszenieren. Auf diese Weise erhält der Leser nicht nur einen tiefen Einblick in existenzielle Themen und Fragen, sondern wird mitgerissen vom Lesevergnügen. Eine Disputatio der ganz anderen Art mit einer ungewöhnlichen und spannenden Rahmenhandlung – und einem überraschenden Schluss.
Sibylle Lewitscharoff, geb. 1954 in Stuttgart, ist eine der bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen. Sie studierte Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin und lebte längere Zeit in Buenos Aires und Paris. 1994 erschien ihr erster Roman. Seitdem erhielt sie für ihre Werke viele Auszeichnungen, darunter den Ingeborg-Bachmann-, den Marie-Luise-Kaschnitz- und den Georg-Büchner-Preis.
Heiko Michael Hartmann, Jahrgang 1957, studierte Rechtswissenschaften und Philosophie in Würzburg und Genf und arbeitete als Jurist. Heute lebt er in Berlin. 1996 wurde er beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und 1999 mit dem Kurd-Laßwitz-Preis für das beste fantastische Hörspiel ausgezeichnet.