Was tatsächlich in puncto Salz, Salzverzehr und den Konsequenzen bekannt ist und was diskutiert wird, wurde jüngst in einem Übersichtsartikel in Times Online aufgearbeitet und zur Diskussion gestellt. In großen Lettern wird in den Medien oft beschworen, dass Salz den Blutdruck in die Höhe treibt und damit Herz-Kreislauferkrankungen - nach wie vor die Todesursache Nummer 1 in den Industrienationen - den Weg bahnt. Wie beim „Teufels-Zwilling”, den ungesättigten Fettsäuren - wird als „logische” Konsequenz aus dieser Hypothese abgeleitet, man müsse nur den Verzehr entsprechend drosseln, um dieser „Gefahr” zu entkommen. Inzwischen aber mehren sich die Stimmen von Experten, die nachdrücklich betonen, dass Salz keineswegs „Teufelszeug” ist, wie wir das inzwischen schon zu glauben gelernt haben, so heißt es in Times Online.
Zum Beispiel haben jüngst Wissenschaftler des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität von Kalifornien nachweisen können, dass es für den Menschen praktisch unmöglich ist, zuviel Salz zu sich zu nehmen. Die Arbeitsgruppe um Professor David McCarron hat bei nahezu 20.000 Menschen aus 33 Ländern weltweit den Salzverlust über den Urin gemessen. Die Wissenschaftler haben dabei festgestellt, dass es ein komplexes Zusammenspiel zwischen Gehirn und Niere gibt, das den Salzhaushalt reguliert und die Salzausscheidung, aber auch die Salzaufnahme, bestimmt.
„Es ist unrealistisch, den Salzverzehr über gesetzliche Regelungen steuern zu wollen, wenn der Körper selbst über seine physiologischen Mechanismen vorgibt, wie viel Salz er braucht und verzehrt, um seinen Stoffwechsel im Gleichgewicht zu halten”, schreibt der Wissenschaftler im Fachblatt „Clinical Journal of the American Society of Nephrology”.
Auch der Zusammenhang zwischen Salz und Blutdruck ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Allenthalben wird beschworen, dass eine Salzrestriktion mit der Nahrung den Blutdruck und damit zugleich das kardiovaskuläre Risiko senkt. Dies mag für Menschen mit hohem Blutdruck zutreffen, bei Menschen mit normalen Blutdruckwerten ist ein solches Phänomen jedoch irrelevant und rechtfertigt nach Expertenangaben keine allgemeine Empfehlung zur diätetischen Restriktion.Doch auch bei Hochdruckpatienten ist die Situation nicht so einfach, wie es die pauschalen Empfehlungen glauben lassen könnten. So gibt es einerseits durchaus Menschen, bei denen der Blutdruck sinkt, wenn sie ihren Salzverzehr um ein bis zwei Gramm täglich drosseln. Bei anderen aber hat eine solche Maßnahme keinerlei Auswirkung auf den Blutdruck und es gibt, so heißt es in dem Artikel weiter, auch Menschen, die auf die eingeschränkte Salzzufuhr mit einem Blutdruckanstieg reagieren.
Solche Beobachtungen lassen mehr und mehr Stimmen wie beispielsweise die von Catherine Collins vom St. George´s Hospital in London laut werden, die den derzeitigen Druck in puncto Salzrestriktion als unnötig und sogar potenziell riskant anprangern. Dem schließt sich Professor Dr. Michael Alderman vom Albert Einstein College für Medizin in New York an, ein renommierter Hochdruckforscher, der lange Zeit Präsident der Internationalen Hypertonie-Gesellschaft war.
Es gibt nach seinen Worten nur eine nach strengen wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte, also randomisierte kontrollierte Studie zu den Auswirkungen des Salzkonsums. „Sie hat gezeigt, dass es in der Personengruppe, die den Salzverzehr einschränkte, häufiger zu Klinikeinweisungen und zu Todesfällen durch Herz-Kreislauferkrankungen kam als bei der Personengruppe mit dem höchsten Salzkonsum”, so Alderman.
Die Gründe für solche Beobachtungen liegen auf der Hand: „Salz, also Natriumchlorid, ist ein lebenswichtiges Mineralstoff. Jede Zelle des Körpers benötigt Salz, um überhaupt funktionieren zu können”, so Alderman. Salz reguliert den Mineral- und Flüssigkeitshaushalt und ist damit die Grundlage dafür, dass sich Stoffwechsel überhaupt vollziehen kann. Es steuert die Funktion der Nerven und der Muskeln und das selbstverständlich hin bis zur Herzmuskulatur. Ist zu wenig Salz im Körper vorhanden, so drohen Mangelsituationen mit zum Teil gravierenden Folgen bis hin zu geistiger Verwirrung und Herz-Kreislaufproblemen wie etwa einem Kreislaufkollaps.
Solche Reaktionen sind bei normaler Ernährung nicht zu erwarten, wobei der moderne Mensch den vorliegenden Erhebungen zufolge im Durchschnitt täglich 8,6 Gramm Salz zu sich nimmt. Das ist den Salzkritikern zuviel, sie wollen, so heißt es in der Arbeit weiter, den Salzkonsum auf durchschnittlich 6 Gramm täglich begrenzen und führen als Argument dafür an, dass sich so allgemein das Blutdruckniveau senken lasse. Das aber soll angeblich - so die Theorie - Schlaganfälle und Herzinfarkte verhindern.
Nach wissenschaftlichen Kriterien belegt ist ein solcher Zusammenhang laut Alderman aber nicht. Es gibt lediglich Beobachtungsstudien, deren Aussagekraft begrenzt ist. Werden jedoch die Zusammenhänge systematisch untersucht, so fällt die Theorie wie in ein Kartenhaus in sich zusammen. Ein Beispiel: Dr. Paul Whelton, Präsident der medizinischen Fakultät der Universität in Chicago untersuchte bei 3.000 Patienten über 10 bis 15 Jahre das Blutdruckverhalten in Abhängigkeit vom Salzverzehr. Eine klare Assoziation zwischen der Salzaufnahme und dem Risiko für kardiovaskuläre
Ereignisse war dabei statistisch aber nicht zu sichern. Das deckt sich mit Analysen der renommierten Cochrane Collaboration, die bereits 2003 feststellte, dass es „nur wenig Evidenz für einen langfristigen Nutzen einer Reduktion der Salzaufnahme” gibt.
Das bestätigt Michael Alderman, der die vorhandenen Studien genauer unter die Lupe nahm. Von neun Beobachtungsstudien bei zusammen mehr als 100.000 Menschen fanden nach seinen Aussagen vier keinen Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Herz-Kreislaufrisiko. Eine Studie, die allerdings vor allem adipöse Menschen einschloss, zeigte ein erhöhtes Herz-Kreislaufrisiko bei hohem Salzkonsum an, die vier übrigen konstatierten erstaunlicherweise ein erhöhtes Risiko bei einer Beschränkung der Salzaufnahme mit der Nahrung.
Erklärte Salzgegner wie Professor Graham MacGregor - übrigens Buchautor, zum Thema „Salzfreie Diät - Schmackhafte Kochrezepte zur Senkung des Blutdrucks” werden dennoch nicht müde, das Salz anzuprangern: „Von dem Tag an, an dem Sie geboren werden, steigt der Blutdruck stetig an”, so schreibt er laut Times Online. Salz ist nach Ansicht MacGregors der Hauptgrund hierfür und damit auch Ursache der durch einen Bluthochdruck bedingten gesundheitlichen Komplikationen. Der Salzkritiker behauptet sogar, dass eine Beschränkung der Salzzufuhr auf 6 Gramm täglich zu einer Senkung der Schlaganfall-Todesfälle um 16 Prozent und der Infarkt-Todesfälle um 12 Prozent führen würde. Die Evidenz soll, so die Behauptung MacGregors, so eindeutig sein wie bei der Assoziation zwischen Rauchen und Lungenkrebs.
Im Jahre 2008 publizierte MacGregor dann sogar eine eigene Studie mit 1.658 Personen zwischen 7 und 18 Jahren und stellte darin fest, dass Salz für Blutdruckanstiege bei Kindern verantwortlich sei. Dem hielt Prof. Alderman jedoch entgegen, dass Menschen, die viel essen, zwangsläufig mehr Salz zu sich nehmen. Bereinigte man die Daten der Studie um die Kalorienaufnahme, so war statistisch kein klarer Zusammenhang mehr festzustellen. Die Diskussion geht laut Catherine Collins an der Realität vorbei. Denn sie lässt die gesundheitlichen Risiken eines Salzmangels völlig außer Acht ganz besonders für all jene, die infolge einer extremen Diät oder weil sie sich vegetarisch ernähren, oft sowieso schon viel zu wenig Salz mit der täglichen Nahrung zu sich nehmen.
Quelle: Times ONLINE 26.10.2009 Is salt really the Devil‘s ingredient?