Das „Low-Carb“ ist nicht nur in Amerika fast schon zu einem Bibelwort geworden, zu einem diätischen Gebot, mit dem Versprechen: nur ganz wenige Kohlehydrate, und die Pfunde schwinden im Nu. Millionen und Abermillionen sind in die entsprechende Werbung geflossen, doch jetzt kommt urplötzlich, aus heiterem Himmel, das Aus für die Low-Carb-Bewegung. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Hunderttausende, die auf diese Masche des Abnehmens geradezu geflogen waren, wenden sich abrupt ab, weil sie enttäuscht sind, desillusioniert – entweder schwanden die Bäuche und Hüften nicht im erwarteten oder versprochenen Ausmaß oder die Pfunde kehrten sehr schnell zurück. Auch hörten wohl Hunderttausende auf die Warnung so zahlreicher Ärzte, wonach eine Wenig-Kohlehydrate-Diät im Grunde genommen dazu verführt, sich auf andere Weise vermehrt Kalorien zuzuführen, so dass Abnehmen ein Wunsch blieb.
Der amerikanische Vorweihnachtsmarkt spricht Bände – Low-Carb-Produkte bleiben massenweise in den Regalen der Supermärkte liegen, und die Hersteller bekommen das schmerzhaft zu spüren. Zu den Spitzenproduzenten gehört Atkins Nutritionals, gegründet 1989 im Bestreben, die Diätphilosophie des schon immer umstrittenen Arztes Dr. Robert Atkins lebensmitteltechnisch zu Gold zu machen. Hunderte von Produkten, auch lizenzierte, tragen den Namen „Atkins“. Die Verkäufe dieser Artikel gingen in den letzten sechs Monaten um 32 Prozent zurück, nach einigen Jahren unaufhaltsamen Wachstums. In einem Monat allein mussten Atkins-Produkte im Werte von 53 Millionen Dollar abgeschrieben werden, weil sie sich nicht verkaufen ließen oder ihr Verfalldatum überschritten war – Ladenhüter en masse also im Supermarktregal. Die Verluste des Unternehmens sind so krass, dass es von Standard & Poor als „gefährdet“ eingestuft wurde.
Das Atkins-Management hat deshalb 40 Prozent der Belegschaft entlassen, das Marketingbudget für 2005 wurde um rund 50 Prozent verringert. Atkins heuerte zudem die Firma AlixPartners an, die dafür bekannt ist, in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu konsolidieren. „Unsere Probleme sind so groß“, räumte Atkins-Vorstand Matt Wiant ein, „dass wir allein sie nicht lösen können“.
Andere Firmen, die sich auf Low-Carb-Produkte spezialisiert hatten, spüren das Ende der diätischen Modeerscheinung ebenfalls. Die entsprechende Lebensmittelserie TotalProtein etwa, auf den Markt gebracht von General Mills, musste einen Umsatzverlust in Höhe von 13 Millionen Dollar hinnehmen. Es half auch nichts, dass die Preise für TotalProtein-Produkte drastisch reduziert wurden – Low-Carb lässt sich einfach nicht mehr verkaufen.
Das bestätigt auch Paul Gannon, der Chefeinkäufer der US-Supermarktkette Albertsons: „In sechs Monaten werden wir noch viel weniger Low-Carb-Ware im Angebot haben als heute schon – ein paar Produkte können überleben, die anderen verschwinden einfach“. Fast jedes Lebensmittelunternehmen hatte auf Low-Carb gesetzt – vor einem halben Jahr gab es in den US-Supermärkten fast 4 000 entsprechende Artikel.
Fein raus sind die Weight Watchers, die nur fünf Prozent ihrer Umsätze aus Lebensmitteln ihres Namens beziehen – bei Atkins Nutritionals waren das 95 Prozent. Das Weight-Watcher-Unternehmen verdient vorwiegend durch seine Gruppentherapien, in deren Sitzungen quasi Diätvorlesungen gehalten werden.