Prävention ist als Thema derzeit en vogue. Doch allzu oft wird es nur einseitig betrachtet und auf einen potenziellen oder vermeintlichen Risikofaktor reduziert. „Tatsächlich muss fast immer an vielen Stellschrauben gedreht werden, wenn eine aktive Prävention betrieben werden soll”, betonte Professor Dr. Karl-Ludwig Resch , Bad Elster, bei der 16. Aachener Diätetik Fortbildung.
Ganz besonders gilt dies im Hinblick auf die Herz- und Gefäßgesundheit. Es ist nach Resch keinesfalls gerechtfertigt, nur einen einzigen potenziellen Risikofaktor zu betrachten. Häufig geschieht dies in Bezug auf den Salzverzehr der Bevölkerung. Dieser Parameter wird zum Sündenbock für die Entwicklung einer Hypertonie hochgespielt. Es gibt gute, wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, die eindeutig zeigen, dass ein hoher Blutdruck mit einer erhöhten Gefährdung für Herz-Kreislaufkomplikationen verbunden ist. Jedoch wurde ein solcher Zusammenhang für den in der Bevölkerung üblichen Salzverzehr nie dokumentiert.
„Es fehlen bis zum heutigen Tag Studiendaten, die nachweisen, dass der durchschnittliche Salzverzehr in der gesunden Bevölkerung der Entwicklung eines Bluthochdrucks Vorschub leistet oder gar mit einem erhöhten Herz-Kreislaufrisiko verbunden ist”, monierte Resch in Aachen. „Erst recht fehlen Belege dafür, dass durch eine Einschränkung des Salzverzehrs die Rate an Herz-Kreislaufkomplikationen oder gar an Todesfällen gesenkt werden könnte, wie immer wieder zu lesen ist”.
Wie abstrus die gebetsmühlenhaft wiederholte Behauptung ist, durch eine Restriktion der Salzaufnahme ließen sich zehn Prozent der kardiovaskulären Todesfälle verhindern, zeigt nach Resch eine einfache Rechnung: Tatsächlich bewirkt eine drastische Beschränkung der Kochsalzzufuhr den vorliegenden Daten zufolge bestenfalls eine Blutdrucksenkung um 2 bis 3 mmHg. „Würden wie behauptet durch diese marginale Reduktion zehn Prozent der Todesfälle verhindert, so ließen sich hochgerechnet durch den konsequenten Einsatz blutdrucksenkender Medikamente, bei denen, durch viele Studien belegt, typischerweise eine Senkung des Blutdrucks um 20 bis 30 mmHg erzielt wird, rund 200 Prozent aller kardiovaskulären Todesfälle vermeiden”, so Resch. Das Beispiel zeigt nach seinen Worten, dass es sich um eine Milchmädchen-Rechnung ohne jegliche wissenschaftliche Relevanz handelt.
Statt dogmatisch einen Faktor der Lebensführung aufs Korn zu nehmen und davon abgeleitet Ernährungsverbote auszusprechen, wie es im vergangenen Jahrhundert üblich war, ist in der modernen Medizin laut Resch ein umfassendes Risikofaktoren-Konzept gefragt. Dabei sollte man sich, so die Worte des Mediziners, primär auf die Risikofaktoren konzentrieren, deren Bedeutung für die Entwicklung von Herzinfarkt und Schlaganfall außer Zweifel steht. Dazu gehören das Übergewicht und vor allem die Adipositas, eine allgemein ungesunde Ernährung mit hohem Verzehr tierischer Fette, das Rauchen, der Bluthochdruck, ein erhöhter Cholesterinspiegel und zu wenig körperliche Aktivität sowie hohe Stressbelastungen in Beruf und Familie.
„Wir brauchen keinen dogmatischen Kampf gegen einzelne Risikofaktoren, sondern ein Programm zur Gesunderhaltung”, so die Forderung des Mediziners. Dazu sollte neben einer allgemein gesunden Ernährung ein gutes körperliches Training gehören, das Achten auf ein normales Körpergewicht, der Rauchverzicht und ein adäquates Stressmanagement.
Die Empfehlungen zur Beschränkung der Kochsalzaufnahme sind vor diesem Hintergrund zudem nicht unproblematisch: „Wir wissen aus gut konzipierten wissenschaftlichen Studien, dass unter der salzarmen Kost Stresshormone wie das Adrenalin und das Noradrenalin im Blut massiv ansteigen und dass auch die Blutfettspiegel ungünstig verändert werden”, so Resch. Unklar ist nach seiner Darstellung, ob nicht eine so isolierte Maßnahme letztlich sogar negative Konsequenzen auf die Herzgesundheit hat und die Gefahr von Herz-Kreislaufkomplikationen sogar noch steigert.