Mit der Hamburger Gewürzexpertin Bettina Matthaei Designerin, Autorin und Produktentwicklerin, unterhielt sich unser Autor Carsten Heinke auf der LE GOURMET in Leipzig und erhielt ungeahnte Einblicke in die Geheimnisse des Würzens.
Jede Menge Spannendes rund um Gewürze - natürlich auch zum Anfassen, Riechen und Schmecken. Mit Vorträgen, Bildern, Kost- und Schnupperproben werden alle Sinne angesprochen. Im Mittelpunkt stehen „Genuss-Partnerschaften”. Dabei geht es um geschmackvolle Beziehungen, die Gewürze mit Wein, Schokolade, Kaffee oder Öl eingehen können. Zum Beispiel: Welche Schokolade hat aufgrund ihrer Rohprodukte, Kakaobohnensorte und Herstellungsart welchen Eigengeschmack und ist deshalb besonders geeignet, um mit einem herben, süßen oder scharfen Gewürz - oder sogar mit Salz - kombiniert zu werden.
Die Idee, Gewürzmischungen auf Rebsorten abgestimmt zu kreieren, stammt von Gerd Rindchen, einem befreundeten Weinhändler. Wochenlang suchten wir dann in der Gewürzwelt passende Zitate und Gegenspieler für die komplexen Aromen von Riesling, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot, Shiraz und Cabernet Sauvignon, um das Essen perfekt mit dem Wein harmonieren zu lassen und fanden so die ersten sechs „Weingewürze” - inzwischen gefragte Handelsartikel.
Für ein klassisches mediterranes Gericht mit erstklassigen Produkten braucht man tatsächlich oft nicht mehr als Salz, Pfeffer und frische Kräuter. Auch traditionelle regionale Rezepte erfordern eher weniger Gewürze, zumal wenn es sich um Alltagsküche handelt.
Das intensivere Würzen hat viel mit Traditionen und Trends zu tun. In Deutschland wurde und wird verstärkt in der Weihnachtszeit gewürzt, ein alter Brauch aus Zeiten, in denen Gewürze als Ausdruck von Reichtum galten. Traditionell stark gewürzt wird in den tropischen Ländern, was neben geschmacklichen vor allem hygienische Aspekte bedingen. Die in den Gewürzpflanzen enthaltenen Wirkstoffe schützen im feuchtheißen Klima die Speisen vor Bakterien- und Pilzbefall. An der Entstehung typisch indischer, thailändischer oder karibischer Gerichte hat also die Gesundheit eine entscheidende Aktie. Durch den starken Einfluss dieser exotischen Küchen entstand auch bei uns die große Lust am Würzen, und mancher Koch wurde tatsächlich zum ‚Gewürz-Junkie´.
Grundsätzlich gibt es keine „neuen” Gewürze. Man kann aber in Vergessenheit Geratenes neu entdecken. Zum Beispiel Paradieskörner, die getrockneten Samen eines westafrikanischen Ingwergewächses, das zur Zeit der Gewürzkriege als billiger Pfefferersatz diente und traditionell für Couscous verwendet wird. Das warme Aroma der sehr scharfen Körner erinnert an Champignons und Vanille. Sehr trendy sind seit einigen Jahren Gewürze wie Tonkabohne, Tahiti-Vanille, Kubebenpfeffer, Langpfeffer und Limettenblatt oder Mischungen wie „Ras el Hanout” (mit Paradieskörnern) oder „Berbere” und besondere Aufbereitungen wie getrocknete Chili in feinsten Fäden. Sehr zeitgemäß ist es ebenso, bekannte Gewürze einmal anders einsetzen - beispielsweise Vanille in pikanten Speisen.
Typisch deutsch ist der Kümmel am Schweinsbraten und im Sauerkraut, die Nelke im Rotkohl, die Muskatnuss am Kartoffelpüree, der Zimt im Pflaumenmus. In Skandinavien liebt man Kardamom, zum Beispiel in Wurstwaren, Pasteten und Gebäck. Die mediterrane Küche lebt eher von frischen Zutaten wie Knoblauch, Rosmarin und Zitrone. An einige Gerichte wie Bouillabaisse oder Paella gehört unbedingt Safran.
Erst mal schrittweise herantasten. Bevor man Gewürze verwendet, muss man sowohl deren Geschmack als auch den der Zutaten genau kennen und wissen, was kombiniert werden kann. Herbes wird zum Beispiel gemildert durch Süßes wie Sahne, Zucker oder süßliche Gewürze wie Vanille oder Zimt. Süß und Sauer gleicht sich aus oder steigert sich gegenseitig im Geschmack. Süß und Scharf ist eine ideale Ergänzung. Mehrere herbe Zutaten zusammen werden eher als unangenehm empfunden. Perfekt ist es, wenn in einem Gericht alle Geschmacksempfindungen angesprochen werden, und der Gesamteindruck spannend und harmonisch zugleich ist.
Falsches Timing und Überdosierung. Kommen etwa die gemahlenen Gewürze zu früh ins Spiel, können sie verkochen. Wird gewürztes Fleisch zu scharf angebraten, können die Gewürze leicht verbrennen und bitter schmecken. Ebenso verkehrt ist es, ohne Rücksicht auf den Eigengeschmack der Zutaten zu würzen. Neutrale Zutaten wie Reis oder Linsen vertragen viel Würze, eine zarte Seezunge würde davon geradezu erschlagen.
Zuviel Schärfe kann durch Sahne, Joghurt oder Kokosmilch gemildert werden. Meistens hilft nur „Verlängern” durch Verdopplung der Portionen oder Zugabe neutraler Zutaten wie Reis oder Kartoffeln. Ein versalzenes Gericht ist kaum zu retten. Im Notfall lässt sich versalzenes Gemüse eventuell mit Kartoffeln pürieren und eine Suppe daraus machen. Sahne oder Milch können dabei helfen.
Normales Steinsalz oder preiswertes grobes Meersalz für Pasta und Kartoffeln. Meersalz für Dressings, Saucen, Steaks und Fisch. Feinstes „Fleur de Sel” oder „Maldon Sea Salt” zum nachträglichen Würzen von Tomaten, Frischkäse oder Eiern. Von den modischen Gewürz-Salzen wie Chili-Salz, Hibiscus-Salz und Ähnlichem halte ich nicht so viel, weil ich Salz und Gewürze lieber einzeln dosiere und meist auch zu verschiedenen Zeiten an das Essen gebe.
Das kommt ganz auf Vorlieben, Bedarf und Kochgewohnheiten an. Für mich absolut unentbehrlich sind schwarzer Pfeffer, süßer Paprika, Cayennepfeffer, Kreuzkümmel, Lorbeer, Muskatnuss, Kardamom, Vanille und Safran. Minze, Thymian, Rosmarin sind auch getrocknet gut zu verwenden, wobei ich sie frisch bevorzuge. Alle anderen Kräuter wie Petersilie, Koriandergrün, Estragon oder Dill müssen bei mir unbedingt erntefrisch sein.
Gewürze sind grundsätzlich kühl, trocken und dunkel aufzubewahren - am besten in gut schließenden dunklen Gläsern oder Dosen. Ein Regal über dem Herd ist der denkbar schlechteste Aufbewahrungsort. Ganze, ungemahlene Produkte sind in der Regel drei bis fünf Jahre, gemahlene Gewürze und Gewürzmischungen bei richtiger Lagerung zwei bis drei Jahre haltbar. Sie verlieren aber zunehmend an Aroma, so dass man sie innerhalb von 18 Monaten verbrauchen sollte.
Kaufen Sie möglichst in Geschäften, wo viel los ist und wo die Ware nicht lange liegt. Kaufen Sie Gewürze, wenn möglich, im Ganzen und mahlen oder mörsern Sie sie immer frisch. Kaufen Sie Mischungen eher in kleinen Mengen und nach einigen Wochen lieber neu.
Ich liebe Vanille über alles - damit meine ich natürlich nicht industriell hergestelltes Vanille-Saucenpulver, sondern echte Vanilleschoten, am liebsten Bourbon-Vanille. Ich verwende sie weniger in Süßspeisen, sondern vielmehr zu Pikantem wie Ente, Schwein, Hühnchen oder Fisch. Auch jede Tomatensauce gewinnt durch die Zugabe von Vanille.
Das kreative Spektrum von Bettina Matthaei reicht von den legendären Knet-Männchen aus der „Sesamstraße” über Edelplüschtiere, medaillen-geschmückte Kochbücher und journalistische Beiträge in der Fachpresse bis zur Produktentwicklung im Lebensmittelbereich. Obendrein arbeitet die Hamburger Gewürzfachfrau als Dozentin an der Babelsberg Film School sowie an der Design-Akademie Berlin und schreibt Drehbücher fürs Kinderfernsehen. Sie ist verheiratet und zweifache Mutter.