Wir glauben, aus freiem Willen einen Menschen zu lieben. Doch die Partnersuche wird in Wahrheit von neurobiologischen Vorgängen gesteuert. Das hat Helen Fisher von der Rutgers-Universität in New Jersey herausgefunden, die seit Jahren führend die biochemischen Grundlagen menschlicher Beziehungen erforscht. Diese prägen einen Menschen lebenslang. Zwar ist er auch von seinem Charakter bestimmt, den Eigenschaften, die auf Erfahrungen bis in seine Kindheit zurückgehen. Entscheidend sei aber, so die Anthropologin und Chemikerin Fisher, die Wirkung der Botenstoffe Testosteron, Östrogen, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin und Oxytocin - die unterschiedlichen Mengen davon bestimmen Persönlichkeitseigenschaften mehr als bisher bekannt war. Jeder Mensch wird von allen Botenstoffen beeinflusst, aber sie docken in unterschiedlicher Intensität an Rezeptoren in den Gehirnregionen an und diktieren damit unser Verhalten.
Deshalb haben beispielsweise ein östrogendominanter Mann und eine testosterondominante Frau optimale Chancen, eine Liebe leben zu können. Sie verstehen sich, passen sich an und ergänzen einander. Ein Mensch, der serotoninbestimmt ist, passt aber schwerlich zu einem Menschen, der dopamingesteuert ist. Denn Serotonin beruhigt, macht bodenständig und den Nestbau für die Familie begehrenswert. Dopamin dagegen putscht sinnlich auf, sucht das Abenteuer und will Abwechslung. Solche Partnerschaften funktionieren meist nicht lange.
Schon die Antike teilte Menschen in Choleriker, Phlegmatiker, Sanguiniker und Melancholiker ein. Auch Helen Fisher hat ein Vier-Typen-System kreiert und es versehen mit den Namen „Entdecker” (dopaminbestimmt), „Gründer” (Serotonin), „Wegbereiter” (Testosteron) und „Diplomat” (Östrogen). Kein Mensch ist ein „reiner” Gründer oder Diplomat, wir sind alle Mischtypen , etwa Gründer/Wegbereiter oder Diplomat/Entdecker - doch biochemisch gibt es stets eine Dominanz. Der Gründer ist in erster Linie das, erst in zweiter Linie Wegbereiter. Der Diplomat ist ein geborener Beziehungsmensch, stellt aber auch Autoritäten in Frage und sucht als Entdecker die Aufregung. Helen Fisher ist überzeugt, dass Partner im Vorteil sind, wenn sie mit einem Typen zusammengehen, der biochemisch zu ihnen passt. „Natürliche Kombinationen” sorgten für eine „tiefergehende Intimität, weil sich die Partner intuitiv besser verstehen” , so das Resümee. Ausführlicher ausgeführt wird das in ihrem Buch „Die vier Typen der Liebe. Wer zu wem passt und warum” (Droemer/Knaur, 335 S., 16,95 €). Dort findet sich ein Fragebogen, mit dessen Ausfüllen man ziemlich sicher zur Einsicht gelangt, welcher Typ man selbst ist.
Ähnlich sieht das Louann Brizendine, Professorin für Neuropsychiatrie in San Francisco. In ihrem soeben erschienenen Buch „Das männliche Gehirn. Warum Männer anders sind als Frauen” (Hoffmann und Campe, 340 S., 19,90 €) erklärt sie die biochemischen Unterschiede der Geschlechter. 2007 erschien bereits ihr Buch „Das weibliche Gehirn”.
Bei Männern , so die Expertin, spielt das Hormon Testosteron die entscheidende Rolle. In den ersten acht Lebenswochen sind die Gehirne von Mädchen und Jungen „praktisch identisch”. Doch der Einfluss von Testosteron beim männlichen Embryo verändert dessen Gehirn „gewaltig. Bestimmte Bereiche werden dadurch größer”, das führe zu „funktionellen Unterschieden”, die im Gehirnscanner klar sichtbar werden. Männer lösen Aufgaben oft nur mit einer Hirnhälfte, die routiniert arbeitet, während Frauen „noch Umwege über eine tiefer im Gehirn liegende Region” wählen und beide Hirnhälften gleichzeitig nutzen, weshalb sie emotionaler wirken. Brizendine führt das auf die Evolution zurück: „Über Hunderttausende von Jahren waren die Aufgaben von Männern und Frauen sehr verschieden. Frauen haben die Kinder bekommen und großgezogen, Männer gejagt und ihre Frauen beschützt. Das hat offenbar Spuren im Gehirn hinterlassen.”
Die Professorin erklärt am simplen Beispiel, wie verschieden die Gehirne der Geschlechter arbeiten. Als Therapeutin fragte sie John: „Woher weißt du, dass Mary dich liebt?” Seine Antwort: „Weil sie mit mir Sex haben will.” Mary fragte sie: „Woher weiß du, dass John dich liebt?” Sie antwortete: „Weil er sich mit mir unterhält und um mich kümmert.”
Männer haben mehr Interesse an Sex und mehr sexuelle Fantasien, weil sie testosterongesteuert sind. Sie sind 20 Mal häufiger gewalttätig als Frauen. „In der Pubertät explodiert die Testosteronkonzentration und bleibt dann bei Männern bis ins hohe Alter recht hoch, wenngleich der Wert ab einem Alter von 20 Jahren kontinuierlich sinkt.” Nichtdestotrotz bleibt Testosteron „der Treibstoff für das männliche Verhalten”. Auch Frauen besitzen das Hormon Testosteron , sonst hätten sie keine Lust auf Sex. Aber die Konzentration ist um 10 bis 50 Mal geringer als bei Männern. Deshalb sind sie weniger aggressiv, nehmen mehr Rücksicht auf die Interessen anderer und wollen mehr Zärtlichkeit und Verständnis. Brinzendine maß auch bei Topmanagern beiderlei Geschlechts die Testosteronwerte und stellt fest: „Je weiter die Frauen in der Hierarchie nach oben gekommen sind, umso höher waren ihre Testosteronwerte.” Diese weiblichen Führungskräfte haben ein eher maskulines Erscheinungsbild und treten etwas aggressiver auf.
Laut Louann Brizendine macht sich das auch in der Partnerschaft bemerkbar. „Ich habe schon häufiger beobachtet”, erklärte sie der „Welt”, „dass Männer mit sehr hohem Testosteronspiegel Partnerinnen mit sehr niedrigen Testosteronwerten haben.” Das gleiche sich gut aus, wie sie am eigenen Beispiel wisse. Sie habe einen sehr niedrigen Wert am männlichen Hormon. „Dafür hat mein Mann besonders viel Testosteron.”