Sie raubt den Betroffenen den Schlaf und die Lebensfreude. Sie macht depressiv und führt in die soziale Isolation. Sie ist eines der letzten Tabus dieser Gesellschaft: die Instabile Blase, von der in Deutschland mindestens 6,6 Millionen Menschen betroffen sind. Die meisten leiden still, weil sie sich für ihr Leiden schämen und nicht wissen, dass es wirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt.
“Heutzutage werden zwar die intimsten Seelenleiden und die vielfältigsten sexuellen Vorlieben in Talkshows ausgebreitet, aber keiner würde öffentlich zugeben, die Toilette nicht rechtzeitig zu erreichen. Darüber reden die Betroffenen nicht einmal mit ihrem Arzt.” Dr. Eberhard Hesse, Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Universität Münster, weiß wovon er spricht, er praktiziert selbst als Hausarzt in Stuhr bei Bremen. In einer Expertenrunde, die die Pharmacia & Upjohn GmbH in Kooperation mit der Initiative LAG - Lust auf Gesundheit e. V. in Berlin ausrichtete, erklärte Hesse, dass bei Störungen der Blasenfunktion von Aufklärung noch längst keine Rede sein kann.
Auch der Sexualaufklärer Oswald Kolle bestätigte in Berlin, dass diese Gesellschaft noch weit davon entfernt ist, den Tabus die Macht zu rauben und jahrzehntelang verschwiegene Themen offen anzusprechen. Dass das gerade beim Thema Instabile Blase dringend notwendig ist, erläuterte Dr. Michael Zellner, Chef der Urologie am Klinikum Passauer Wolf in Bad Griesbach: “Aktuelle Studien haben gezeigt, dass rund 20 Prozent der Menschen Probleme haben, den Urin zu halten. An den anderen Symptomen der Instabilen Blase, häufiges Wasserlassen und imperativer Harndrang, leiden sicherlich noch weit mehr.”
Bei einer solch hohen Fallzahl ist es nach Meinung des Urologen unverzeihlich, dass “den Betroffenen durch teure Werbekampagnen suggeriert wird, mit dem diskreten Kauf von Windeln sei alles wieder in Ordnung.” Damit werde die Krankheit nämlich nicht gelindert oder geheilt, sondern die Betroffenen versuchen lediglich ihr Leiden zu verbergen und damit sozial akzeptabel zu bleiben.
Das Leiden aber geht weiter, und die Auswirkungen sind fatal: “Patienten mit Instabiler Blase gehen nachts bis zu zehnmal auf die Toilette”, erklärte in Berlin Dr. Brigitte Kurella, Leiterin des Schlaflabors am Krankenhaus Hellersdorf. Für die Schlafforscherin führt das häufige nächtliche Wasserlassen in einen dramatischen Teufelskreis: Die Leistungsfähigkeit im Alltag nimmt ab, die Anfälligkeit für Stress steigt, und damit auch die Unfallgefahr im Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz. Hinzu kommen weitere körperliche Probleme, wie etwa ein höheres Infektionsrisiko, und ernste Folgeerkrankungen des Harntraktes.
“Um Inkontinenz zu vermeiden, nutzen die Betroffenen jedes Erwachen, um zur Toilette zu gehen”, so Dr. Kurella. Die Zahl der nächtlichen Aufwachphasen nimmt zu, ebenso die Angst, nicht mehr einschlafen zu können. Patienten mit Instabiler Blase rutschen so leicht in eine schwer zu behandelnde Schlafstörung. “Durch rechtzeitiges Eingreifen kann solch ein Kreislauf durchbrochen werden, doch dazu ist Aufklärung nötig,” betonte Dr. Kurella. Die Instabile Blase ist keine normale altersbedingte Erscheinung, sondern eine ernste, behandlungsbedürftige Krankheit. Daher forderten die Experten des Podiums: Sprechen Sie Ihren Arzt direkt auf das Problem an, finden Sie sich nicht mit Dranginkontinenz, häufigem Wasserlassen oder imperativem Harndrang ab.