„Unsere Medizin muss weiblicher werden“, erklärte jüngst die Kardiologin Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek, Lehrstuhlinhaberin für Frauengesundheit und sprach damit Naturheilärzten aus der Seele. Sie stellen ihren Kongress im Oktober 2004 unter das Motto „Die Frau in der Medizin“, denn die Naturheilkunde bezieht sowohl Körper wie auch Geist und Seele in die Therapie ein, sodass sie für die Behandlung der Frau geradezu prädisponiert sei, betont die Allgemeinmedizinerin und Naturheilärztin Dr. med. Christel Papendick aus Hamburg.
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Frauen bis vor kurzem Stiefkinder der Medizin waren. Die meisten wissenschaftlichen und klinischen Studien wurden mit männlichen Probanden durchgeführt, sodass für die Wirkung von Medikamenten auf den weiblichen Organismus noch immer unzureichend fundierte Erkenntnisse vorliegen. Bei vielen Erkrankungen und Therapien bestehen deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern, weil die meisten Organe und Funktionsbereiche des Körpers vom Hormonsystem gesteuert werden und das ist nun einmal bei Frauen und Männern unterschiedlich. Da das weibliche System, allein durch den Zyklus der Frau, viel größeren Schwankungen unterliegt, gestalten sich Studien an Frauen sehr viel komplizierter. Das mag ein Hauptgrund sein, warum Patientinnen, wenn es nicht gerade um gynäkologische Probleme geht, in der Forschung ins Hintertreffen gerieten.
So plagt z. B. Osteoporose Frauen häufiger als Männer und dafür ist das weibliche Hormonsystem mitverantwortlich. Wenn der Frau nach den Wechseljahren das Sexualhormon Östrogen fehlt, nimmt auch die Kalziumversorgung ab und das geht an die Knochen. Jahrzehntelang wurden Krankheiten wie Osteoporose, Herzinfarkt, Rheuma, Erkrankungen der Nerven und des Immunsystems nach rein männlichen Maßstäben diagnostiziert und in der Schulmedizin oft mit Medikamentendosen behandelt, die für Frauen gefährlich sein können. Nebenwirkungen von Medikamenten treten bei Frauen doppelt so häufig auf wie bei Männern. In der Kardiologie bedeutet das beispeilsweise, dass bestimmte Präparate, die bei Männern erfolgreich zur Auflösung von Blutgerinnseln eingesetzt werden, bei Frauen gefährliche Blutungen verursachen können. Auch die Wirkung gewisser Antidepressiva scheint bei Frauen zyklusabhängig zu sein, sodass die an Männern erprobte Dosis für Frauen oft völlig ungeeignet ist.
Unterschiedlich scheinen auch Umweltgifte auf den weiblichen Organismus einzuwirken, denn das bei Frauen stärker ausgeprägte Fettgewebe lagert toxische Stoffe wohl besser ein. So zeigt sich auch bei rheumatischen Erkrankungen oft ein sehr unterschiedliches Bild bei Frauen und Männern und erfordert eine dementsprechend unterschiedliche Behandlung. Naturheilverfahren sind in ihren Therapiestrategien bei Frauen oft im Vorteil, folgert Frau Dr. Papendick, denn Bereiche wie Phytotherapie, Homöopathie, Akupunktur, Neuraltherapie und ausleitende Verfahren schließen stets alle Körpersymptome ein und behandeln nicht nur ein Krankheitsbild.
Die Frau in der Medizin hat nicht nur als Patientin, sondern auch als Ärztin ihren Stellenwert oder sollte ihn haben. Denn noch immer sind Ärztinnen unter den Weißkitteln unterrepräsentiert. Gerade einmal 35 Prozent der niedergelassenen Mediziner machen sie im ambulanten Bereich aus. An Kliniken sind es erheblich weniger. Dabei sind Ärztinnen erwiesenermaßen einfühlsamer, verständnisvoller und nehmen sich mehr Zeit zum Gespräch als ihre männlichen Kollegen. Das belegten Studien und bestätigen Patientinnen und Patienten. Auch Männer lassen sich gern von Ärztinnen behandeln, weil sie sich als Patient besser verstanden fühlen. „Frauen besitzen sehr gute Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten, die gerade im ärztlichen Beruf gefordert werden“, stellt die Allgemein- und Naturheilärztin Dr. Uta Rehder fest.
Der „sprechenden Medizin“, die besonders in der Naturheiltherapie eine wichtige Säule darstellt, kommt das zugute. Und zwar gleichermaßen zum Wohle von Patientinnen und Patienten.