Eine Analyse von knapp 1.000 Notarzteinsatzprotokollen ergab: Herzinfarkt-Patienten und solche mit Angina pectoris (Brustenge) erhalten nicht immer die komplette allgemein empfohlene Therapie. So bekommt gerade einmal die Hälfte der Patienten am Notfallort Nitro-Spray verabreicht: ein Medikament, das gemäß einschlägiger Leitlinien sofort angewandt werden soll. Hier zeigt sich deutlich, dass die Erstversorgung durch Notärzte verbesserungsbedürftig ist.
Brustenge und Herzinfarkt haben sehr ähnliche Symptome. Deshalb werden sie unter dem Begriff Akutes Koronarsyndrom zusammengefasst. Ein Herzinfarkt oder eine Angina pectoris (Brustenge) entsteht meist durch Ablagerungen (Plaques) in den Herzkranzarterien auf dem Boden jahrelang fortschreitender Arterienverkalkung. Die Herzkranzarterien (Synonym: Koronararterien) sollen den Herzmuskel mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Sind sie durch die Plaques eingeengt, kommt es zu einer Unterversorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff. Das kann sich als immer wiederkehrender Brustschmerz äußern, insbesondere bei Belastung, Stress, Kälte. Kurz: Angina pectoris. Doch der Verschluss eines Herzkranzgefäßes kann auch unbemerkt verlaufen oder/und weiter fortschreiten, so lange, bis plötzlich ein solcher Plaque einreißt und sich an ihm ein Blutgerinnsel festsetzt und das Gefäß abrupt verschließt: der Herzinfarkt, ein lebensbedrohlicher Notfall!
Die Symptome sind nicht bei allen Patienten gleich - und auch nicht immer gleich stark. Führendes Symptom sind Schmerzen in der Brust, häufig treten auch Oberbauchschmerzen auf. Oft sind die Beschwerden weniger stark als erwartet. Sie können einzeln oder alle zusammen auftreten:
Treten diese Beschwerden erstmals auf und dauern mehr als 10 Minuten an: Sofort ins Krankenhaus, am Besten den Notruf unter Tel. 112 wählen!
Im Optimalfall ist wenige Minuten nach Eintritt der oben genannten Schmerzen ein Notarzt bei dem Patienten und begleitet ihn im Rettungswagen ins Krankenhaus. Hat er den Verdacht auf Angina pectoris oder gar Herzinfarkt, sollte er zunächst Notfallmedikament
Nr. 1 anwenden: Nitro-Spray (z.B. Nitrolingual® N-Spray). Dieses Medikament, zwei Hübe unter die Zunge gesprüht, erweitert in Minuten die Herzkranzgefäße und sorgt dadurch für eine Verbesserung der Durchblutung des Herzens. Und es hilft bei der Unterscheidung zwischen Infarkt und Angina pectoris. Denn: Bringt Nitro-Spray keine Besserung der Beschwerden, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Herzinfarkt auszugehen. Der Arzt wird dann schmerzstillende, beruhigende und blutverdünnende Medikamente verabreichen. Im Krankenhaus wird dann versucht, das Herzkranzgefäß wieder durchgängig zu machen.
Durch die Unterversorgung mit Sauerstoff stirbt das Herzmuskelgewebe unumkehrbar ab, je mehr, desto schlimmer die Spätfolgen wie beispielsweise Herzschwäche, so Prof. Dr. Michael Kentsch, Chefarzt am Klinikum Itzehoe. Dieser Vorgang setzt schon nach 30 Minuten ein, deshalb gilt: Je schneller das Blutgefäß wieder durchgängig gemacht werden kann, desto kleiner sind die Schäden. Experten sprechen daher von der Goldenen ersten Stunde nach einem Infarkt. Prof. Kentsch: Leider wird sie oft verpasst, weil die Patienten zunächst selbst lange abwarten oder beim Herzinfarkt nicht direkt ins Krankenhaus kommen. ” Die erste Stunde nach Symptombeginn ist besonders gefährlich, weil es gehäuft zum plötzlichen Herztod und zum lebensbedrohlichen Kammerflimmern kommt. Kammerflimmern heißt: Herz-Stillstand. Das Herz kann nicht mehr pumpen. Nur eine sofortige Wiederbelebung mit Elektrobehandlung (Defibrillation) kann hier helfen. Also: Je schneller ärztliche Hilfe eintrifft, desto besser. Übrigens gibt es an öffentlichen Plätzen (z.B. am Flughafen) inzwischen häufig automatische externe Defibrillatoren, die nach einer kurzen Einweisung auch Nichtmediziner bedienen können.
Nachdem ein Herzinfarkt durch Beschwerdebild und ggf. EKG nachgewiesen ist, wird der Gefäßverschluss am besten mittels Herzkatheter wieder eröffnet. Eine Alternative stellt die medikamentöse Gerinnselauflösung dar. Bei der Behandlung mittels Herzkatheter wird über die Leistenarterie ein dünner Schlauch zum Herzen vorgeschoben, an dessen Ende sich ein kleiner Ballon befindet. Unter Röntgenkontrolle wird er genau an der Engstelle aufgeblasen und dadurch eine auf ihm liegende Gefäßstütze (Stent) entfaltet. Auch nach Entfernen des Ballons hält sie das Herzkranzgefäß offen - das Blut kann wieder ungehindert fließen. Im Idealfall passiert dieser Eingriff in der ersten Stunde nach dem Infarkt - und es ist noch kein Herzgewebe zerstört. Kommt allerdings der Patient erst sehr viele Stunden später ins Krankenhaus, geht wertvolle Zeit verloren und die Gefäßerweiterung macht oft keinen Sinn mehr, weil zuviel Herzmuskelgewebe untergegangen ist. Bei über der Hälfte der Patienten ist genau dies der Fall. Spätfolge: Herzschwäche, d. h. Pumpversagen des Herzens mit Luftnot bei Anstrengungen wie Treppensteigen.
Ist bei einem Patienten eine Angina pectoris mit regelmäßig bei Belastung wiederkehrenden Beschwerden bekannt (stabile Angina pectoris), wird der Arzt ihm neben anderen Arzneien in der Regel ein Nitro-Spray für den Alltag verordnen. Bei Beschwerden bringen ein bis zwei Hübe dieses Medikaments, unter die Zunge gesprüht, schnelle Abhilfe. Wenn die Beschwerden innerhalb weniger Minuten vollständig und anhaltend verschwinden, ist das Problem akut gelöst. Sonst spricht man von einer instabilen Angina pectoris. Weil hier ein Herzinfarkt droht, sollte sofort der Notarzt gerufen werden.
Was tue ich, wenn jemand einen Herzinfarkt erleidet?
“Beim Herzinfarkt muss man abwägen: Abwarten heißt: plötzlicher Herztod, Herzschwäche, kürzer leben. Reagieren heißt: überleben, leistungsfähig bleiben, länger leben, so Prof. Dr. Michael Kentsch.