Das Gesundheitswesen befindet sich im Umbruch, ohne dass das ständige Tauziehen der Interessenvertreter bisher zu durchgreifenden Reformen geführt hätte. Eines ist vor dem Hintergrund gesundheitspolitischer Diskussionen um die Eigenverantwortung der Bürger und gleichzeitig reduzierte Zugangsschwellen im OTC-Markt aber klar erkennbar: Die wachsende Tendenz zur selbständigen Einnahme und Anwendung rezeptfreier Medikamente.
Dies ist ein zentrales Ergebnis der aktuellen Studie “Gesundheitstypologie 2002”. Dazu wurden über 5.000 Bundesbürger repräsentativ zum Umgang mit ihrer Gesundheit und ihrem Selbstmedikationsverhalten befragt. Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass sich in der Bevölkerung nicht nur das Informationsbedürfnis und der subjektive Informationsstand für medizinische Sachverhalte gegenüber 1998 deutlich erhöht haben. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmend restriktiven Verschreibungspraxis von Ärzten ist auch der Anteil der Bürger, die regelmäßig rezeptfreie Medikamente einnehmen, deutlich von 23% auf über 27% gestiegen.
Im Vergleichszeitraum wächst auch der Anteil derer, die angeben, manchmal spontan Tabletten oder Medikamente einzunehmen, “um den Tag gut zu überstehen”, von 21% auf 30%. Zudem steigen die genaue Produktkenntnis (von 60% auf 68%) und die Markenorientierung (54% auf 61%) beim Kauf von OTC-Produkten an. Als bevorzugte Informationsquelle für medizinische und pharmazeutische Themen liegt der Arzt bei den Bürgern mit 69% knapp vor dem Apotheker (67%). Im Hinblick auf den Zugang zu OTC-Produkten ist aber für Wege “jenseits von Arzt und Apotheker” (Drogerien, Reformhaus, Supermärkte, Internet) ebenfalls Akzeptanz vorhanden.
Insgesamt konnten sechs unterschiedliche Gesundheitstypen in der Bevölkerung identifiziert werden: “Informiert-Körperbewusste” (20%), “Risikoscheue Arztorientierte” (20%), “Gesunde Kraftprotze” (17%), “Unkritisch-Wehleidige” (17%), “Kostenbewusste Arztgänger” (15%) und “Desinteressiert-Unbekümmerte” (12%). Mit Abstand am häufigsten zu rezeptfreien Medikamenten greifen in allen untersuchten Medikationsfeldern (Schmerzmittel, Erkältung/Husten, Magen/Verdauung, Antiallergika, Rheumamittel, Vitaminpräparate etc.) die Informiert-Körperbewussten und die Unkritisch-Wehleidigen – sie nehmen auch die vorderen Ränge bei den Ausgaben für OTC-Produkte ein.
Die beiden Gruppen unterscheiden sich aber erheblich in ihren Einstellungen und Verhaltenweisen im Hinblick auf ihre Gesundheit: Während Informiert-Körperbewusste stark um eine vorausschauende, aktive Gesundheitsvorsorge bemüht sind, neigen Unkritisch-Wehleidige in ihrem Gesundheitsverhalten eher zur passiven, wenig reflektierten “Brandbekämpfung”. Am wenigsten zur Selbstmedikation tendieren “Desinteressiert Unbekümmerte”, die allerdings eine sehr junge und gesunde Gruppe darstellen, für die das Thema Gesundheit offensichtlich noch kein stärkeres Gewicht hat.
Fazit: Die Deutschen haben die häufig geforderte Autonomie in Sachen Gesundheit insgesamt weiter ausgebaut. Gleichzeitig bestehen große Unterschiede in der Gesundheitsmentalität. Dabei stehen 37% der Bevölkerung der Selbstmedikation ganz besonders aufgeschlossen gegenüber.