Die Süßholzwurzel besaß in den großen asiatischen und europäischen Kulturen eine herausragende Bedeutung. In China gehört sie noch heute zu den zehn bedeutendsten Heilpflanzen. Römer und Griechen verwendeten sie bei Asthma. Die Skythen nutzten ihre wasserretenierende Wirkung bei der Durchquerung von Wüsten, um bis zu 12 Tage ohne jede Flüssigkeitszufuhr auszukommen. In der arabischen Welt erfreut sich noch heute ein durststillender Trunk aus Süßholzwurzel großer Beliebtheit. In Rußland wurden Süßholzwurzelextrakte zur Therapie der Nebenniereninsuffizienz angewendet. Die entzündungshemmenden Effekte nutzte zuerst der holländische Arzt Revers zur Therapie von Magengeschwüren. In Japan wird eine Kombination von Süßholzwurzel mit Pfingstrose zur Ovulationsauslösung bei hyperandrogenetischen Frauen ausgenutzt. Ebenfalls in Japan sind Inhaltstoffe aus der Süßholzwurzel die meist verordneten Wirkstoffe bei viralen und toxischen Lebererkrankungen. Israelische Studien belegen eine Wirkung bei verschiedenen Herpesviren. In Italien untersucht Prof. Armanini, ob es möglich ist, fertilititäshemmende Helicobacter -Infektionen mit Süßholzwurzel zu therapieren. Am Krebsforschungszentrum von Houston, Texas, forschte ein Team um Prof. Vogel an antikanzerogenen Effekten. Prof. Seckl in Edinburgh macht Studien hinsichtlich der Wirksamkeit bei MCI (Mild cognitive Impairement).
Der von Linné geprägte Name der Gattung Glycyrrhiza leitet sich von den beiden griechischen Worten „glykys” für süß und „rhiza” für Wurzel ab und beziehen sich auf das süß schmeckende Prinzip der Pflanze, das Glycyrrhizin. Die Süßholzwurzel ist ein Ausgangsstoff für Lakritz, Glycyrrhizinsäure ist der Geschmacks gebende Wirkstoff
Es ist bekannt, dass Herpes-Viren nicht nur akute Infektionen auslösen können, sondern sie können über viele Jahre in einer getarnten Form im Körper überdauern. Sobald das Immunsystem des Körpers geschwächt wird, werden die Viren aktiviert und die Infektion flammt wieder auf. Bisher gab es keine Wirkstoffe, die die Herpes-Viren in ihrer inaktiven Form eradizieren konnten. Jetzt gelang es einem Wissenschaftlerteam aus New-York an Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpes-Viren (KSHV) nachzuweisen, dass Glycyrrhizinsäure die Viren nicht nur in ihrer aktiven Form abtöten kann, sondern durch Auslösen der Apoptose auch latente KSHV eliminiert.
In der internationalen medizinischen Literatur gibt es zahlreiche Publikationen, die eine antivirale Wirkung von Süssholzwurzel bei verschiedenen DNA- und RNA-Viren beschreiben. Der erste Hinweis einer antiviralen Wirkung von Glycyrrhizin, dem Hauptinhaltsstoff der Süssho1zwurzel , stammt aus dem Jahre 1977 und beschreibt eine Wirkung bei Herpes-simplex-Viren Typ 1. 1990 fand Crance eine komplette Hemmung der Hepatitis-A-Virus-Antigen-Expression durch Glycyrrhizin. Als Mechanismus dieses Effektes wurde eine Hemmung der Penetration bzw. der Endozytose durch bzw. in Leberzellen nachgewiesen, da Glycyrrhizin die Durchlässigkeit von Leberzellmembranen verändert. In den folgenden Jahren wurden Effekte gegen Rhabdo-, HIV, Herpes zoster- und Japanische Encephalitis - Viren gefunden. In jüngster Zeit erregte die Entdeckung viel Aufsehen, dass Glycyrrhizinsäure in vitro die Replikation des SARS-assoziierten Coronavirus hemmt. Es werden zahlreiche Wirkmechanismen diskutiert.
Bevor sich die antivirale Wirkung von Glycyrrhizin als Interferon-Effekt etablieren konnte, wurden viele Wirkmechanismen diskutiert. Beispielsweise wurde die Wirkung beim VSV-Virus (Vesicular-Stomatitis-Virus) auf den Hemmeffekt von Glycyrrhizin auf die Kinase P diskutiert, die für Phosphorylierungen von Proteinen verantwortlich ist und für die frühe Phase der viralen Replikation essenziell ist.
Bei der Wirkung gegen Hepatitis-B-Viren wird die virustatische Wirkung auf eine Hemmung des intrahepatischen Transportes und der Sialysation von Hepatitis-B-Virus-Antigenen zurückgeführt. Die Wirkung bei HIV wird auf eine Hemmung der reversen Transkriptase und der DNA-Polymerase infolge der Interaktion von Glycyrrhizin mit der Kaseinkinase auf zellulärer Ebene zurückgeführt. In jüngster Zeit gewinnt mehr und mehr eine Hypothese Konturen, die antivirale Effekte von Glycyrrhizin auf eine Ausschüttung von Interferon Gamma beschreibt. In einer klinischen Studie führte die intravenöse Gabe von 80 mg Glycyrrhizin pro Person bei 45 % der Probanden zu einem messbaren Anstieg von Interferon. Interessant ist, dass Glycyrrhizin selbst nicht aktivierend auf die Interferonproduktion wirkt. Wurden jedoch Lymphozyten- Makrophagenkulturen mit Glycyrrhizin vorbehandelt, stieg die Interferon-Gamma-Produktion signifikant an.
Quelle: J. Bielenberg und R. Krausse, Innovative Wirkstoffe aus dem Pflanzenreich; Glycyrrhizinsäure - eine Inhaltsstoff aus der Süßholzwurzel mit antiviraler Aktivität. Erster Wirkstoff gegen den latenten Karposi-Sarkom-assoziierten Herpes-Virus?, Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin 47, 9 (2006), S. 606 - 611