Immer gut drauf sein – das geht gar nicht. Psychische Durchhänger ab und zu sind ganz normal. Da ist ein nerviger Kollege, ein ungerechter Chef, oder privat hängt der Haussegen schief. Keiner würde das wirklich zum Lachen finden. Nur: So etwas gibt sich wieder. Doch manchmal legt sich ein Schatten auf die Seele, lässt Freude, Energie und Vitalität über längere Zeit verkümmern. Da hilft dann kein „Reiß dich zusammen, da musst du durch“ mehr. Echte depressive Verstimmungen sind ein eigenständiges Krankheitsbild. Sie gehören zu den häufigsten seelischen Störungen überhaupt. Jeder sechste Bundesbürger hat mindestens einmal in seinem Leben eine depressive Störung. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an behandlungsbedürftigen Depressionen. Über die Hälfte davon sind Frauen. Sie sind wegen ihres komplizierten Hormonhaushalts undihrer Doppelbelastung mit Beruf und Familie stärker gefährdet. Dennoch: Die Diagnose ist schwierig. Obwohl jedervierte Patient in der Arzt-Praxis eigentlich an einer depressiven Störung leidet, wird das nur bei 50% erkannt.
Körperlicher Auslöser ist ein Ungleichgewicht der Nerven-Botenstoffe im Gehirn. Vor allem die Gute-Laune-Hormone Serotonin und Dopamin sind nicht mehr im ausreichenden. Da sie aber für die gute Seelenlage verantwortlich, sind hat das niederschmetternde Folgen: Erste Symptome sind meist starke Niedergeschlagenheit mit einem besonderen Tiefpunkt am Morgen. Psychologen nennen das „Morgen-Grauen“: Der Tag steht da wie ein Feind, ein unüberwindlicher Berg. Am liebsten möchte man gar nicht erst aufstehen. Gefühle von Lustlosigkeit, innerer Leere und negative Gedanken oder Hoffnungslosigkeit treten auf. Möglich sind aber auch innere Unruhe, Getriebensein, Konzentrationsstörungen, Angst und Schuldgefühle. Die Betroffenen kapseln sich immer mehr von der Außenwelt ab und vermeiden Kontakte zu Freunden, Nachbarn und Angehörigen.
Körperlich äußern sich Depressionen oft durch Schlafstörungen – typisch: zu frühes Erwachen am Morgen mit Grübeln und Ängstlichkeit. Außerdem: ausgeprägte Müdigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen, Herzrasen aus heiterem Himmel, Magen-Darm-Beschwerden.
Männer mit depressiven Verstimmungen reagieren meist anders. Bei ihnen dominieren plötzliches aggressivesVerhalten, ungewohnte Waghalsigkeit, erhöhte Risikobereitschaft unkontrollierte Reaktionen auf banale Ereignisse, ständige Unruhe und Unzufriedenheit.
Nicht immer sind die Anzeichen so typisch. Depressionen werden auch deshalb von Ärzten schwer erkannt, weil sie sich nicht selten hinter der Maske von anderen Krankheitssymptomen verstecken. Fachleute sprechen von einer „larvierten Depression“. Solche Patienten haben fast immer eine endlose Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, ohne je eine handfeste Diagnose zu bekommen. Sie klagen z. B. über wandernde Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, vermuten hinter harmlosen Symptomen schwere Krankheiten wieHerz-Leiden, Krebs oder Hirntumoren. So werden sie leicht als Spinner und Hypochonder abgestempelt und nach Hause geschickt. Dabei sollten auch die Betroffenen daran denken, dass ihre Beschwerden vielleicht mit einer anti-depressiven Behandlung endlich verschwinden.
Die Ursachen von depressiven Verstimmungen sind nicht immer klar zu benennen. Oft kommen mehrere Faktoren zusammen. Eindeutige Auslöser können Schicksalsschläge wie Tod eines nahe stehenden Menschen sein, aber auch Arbeitsplatz-Verlust, Scheidung, Trennung. Ebenso bringen Dauer-Stress, ständige Überforderung, Mobbing, ewige Streitigkeiten in Familie oder Nachbarschaft leicht eine depressive Störung ins Rollen. Bei Frauen spielen die Hormone eine wichtige Rolle. Durch starke Schwankungen, etwa nach einer Entbindung („Baby-Blues“) oder während der Wechseljahre, wird bei vielen der Hirnstoffwechsel in Mitleidenschaft gezogen, und die Stimmung geht in den Keller. Insgesamt, so sagen Experten, sei es ein Zusammenwirken von psychosozialen, neurobiologischen und genetischen Faktoren, die eine Depression auslösen. Vor allem wenn Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister an Depressionen leiden oder gelitten haben, ist die Wahrscheinlichkeit, selbst daran zu erkranken deutlich erhöht. Das haben Untersuchungen an ein- und zweieiigen Zwillingen ergeben. Bei manchen Menschen reicht aber schon die Dunkelheit im Winter, um eine Periode der Melancholie einzuleiten. Der Mangel an Tageslicht bringt die Hirnbotenstoffe durcheinander. In der Frühlingssonne reguliert sich das wieder, und die so genannte saisonal abhängige Depression (SAD) verschwindet.
Lang anhaltende Seelentiefs sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie können unbehandelt auf Dauer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit schwer beeinträchtigen. Deshalb: Je eher man etwas unternimmt, desto besser. Schon wenn sich die Verstimmung nach zwei Wochen nicht normalisiert, sollte man seinen Arzt oder Apotheker darauf ansprechen. Als Anhaltspunkt, sich beraten und untersuchen zu lassen, gilt: Sowie die Verstimmungen Leistungsfähigkeit und normalen Alltag beeinträchtigen, ist es an der Zeit. Vorsicht: Wenn das Gefühl von Niedergeschlagenheit und Freudlosigkeit so überwiegt, dass alles nur noch schwarz und ausweglos erscheint und man am liebsten von der Brücke springen möchte, ganz dringend zum Arzt gehen! Hier besteht die Gefahr einer schweren Erkrankung, die unter Umständen sogar stationär behandelt werden muss.
Bei leichten bis mittelschwere depressive Störungen werden in der Regel nur antidepressiv wirkende Medikamente verschrieben. Sie sollen das Gleichgewicht der Hirnbotenstoffe wieder herstellen und den Stimmungspegel auf normal justieren. Allerdings haben sie eine Reihe von Nebenwirkungen wieMundtrockenheit, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Blutdruck-Senkung und sexuelle Unlust. Abhängig machendieseMittel aber nicht. In bestimmten Fällen von Verstimmungen, wenn etwa ungelöste seelische Konflikte eine Rolle spielen,empfiehlt sich auch zusätzlich eine Psychotherapie.
Wer synthetisch hergestellte Medikamente wegen der Nebenwirkungen lieber meiden möchte, findet in Johanniskraut eine seriöse Alternative. Dass die uralte Heilpflanze gegen „fürchterliche melancholische Gedanken“ hilft, wusste man schon im 17. Jahrhundert. Heute haben die Forschungen bewiesen: Johanniskraut kann tatsächlich wie seine chemischen „Verwandten“ den Hirnstoffwechsel regulieren undeine düstere Gemütsverfassung anheben.. In den vergangenen Jahrzehnten hat es zahlreiche Studien dazu gegeben, die durchweg positive Ergebnisse lieferten. Allerdings wurde immer geraten, ein Johanniskraut-Mittel nur bei leichten Verstimmungen einzusetzen. Die neueste Studie an der Universität Essen hat jetzt belegt, dass Johanniskraut-Extrakt in der täglichen Dosierung von 900 mg bei leichten bis mittelschweren Depressionen genau so gut wirkt wie ein synthetisch hergestelltes Antidepressivum. Johanniskraut ist aber sehr viel verträglicher.
Inzwischen wird unter Experten diskutiert, Johanniskraut auch bei Befindlichkeitsstörungen wie z. B. Burnout, chronischer Müdigkeit, Tinnitus (Ohrgeräusche), chronischen Schmerzzuständen oder PMS einzusetzen.
Die unerwünschten Wirkungen bei Johanniskraut sind nach klinischen Untersuchungen wesentlich geringer als bisher angenommen. So kommt eine erhöhte Lichtempfindlichkeit nur sehr selten und meist bei besonders hellhäutigen Menschen vor, die ohnehin mit der Sonneneinstrahlung sehr vorsichtig sein sollten.
Auch die abschwächende Wirkung auf Hormon-Präparate wie die Pille oder Wechseljahrsmedikamente ist schwächer als angenommen. Trotzdem ist ratsam, mit dem Arzt zu sprechen, wenn Hormone und Johanniskraut gleichzeitig eingenommen werden. Außerdem möglich: Allergische Reaktionen auf Bestandteile der Pflanze. In diesem Fall muss man zu alternativen Mitteln greifen. Bei empfindlichen Personen kann es zu Unverträglichkeitsproblemen im Magen-Darm-Bereich kommen.
Trotz intensiver Forschungen weiß man heute immer noch nicht genau, welcher der vielen Inhaltsstoffe von Johanniskraut die stimmungsaufhellende Wirkung hat. Untersuchungen lassen aber den Schluss zu, dass ein pharmazeutischer Extrakt der gesamten Pflanze den gewünschten Effekt hat.
Will man also selbst versuchen, sein Stimmungstief mit Johanniskraut in den Griff zu bekommen, sollte unbedingt ein Präparat aus der Apotheke genommen werden (z. B. Neuroplant). Denn nur dort sind Qualität und Wirksamkeit garantiert. Die stimmungsaufhellende Wirkung tritt allerdings bei regelmäßiger täglicher Einnahme erst nach ca. zwei bis drei Wochen ein. Johanniskraut-Präparate aus dem Supermarkt dürfen per Gesetz keine höheren Dosierungen enthalten. Sie sind daher bei depressiven Störungen wirkungslos und helfen nur bei allgemeiner Nervosiät oder leichten Schlafstörungen.
Wer zusätzlich zu einer Behandlung mit Medikamenten etwas gegen sein Seelentief unternehmen will, hier ein paar Tipps: