Wenn es nach dem Willen der rot-grünen Koalition geht, werden ab 2004 apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Medikamente von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr bezahlt. Nach Ansicht von Experten werden Patienten damit erhöhten Risiken ausgesetzt, ohne dabei die gewünschte Kosteneinsparung zu erzielen.
Warum das so ist, erläuterte kürzlich Prof. Michael Habs, Arzt, Arzneimittelforscher und Geschäftsführer von Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel:
“In Deutschland sind solche Medikamente verschreibungspflichtig , von denen etwa wegen schwerwiegender Nebenwirkungen oder durch falsche Anwendung ein gewisses Risiko ausgehen kann. Ebenso sind neu entwickelte Wirkstoffe für fünf Jahre verschreibungspflichtig , weil man deren Risiko noch nicht genau kennt. Nebenwirkungsarme und gut verträgliche Arzneimittel mit ausreichendem Erfahrungsschatz, wie alle von den Behörden zugelassenen Pflanzenarzneimittel (Phytopharmaka) sind nicht verschreibungspflichtig. Der Arzt kann sie verordnen, und sie werden von der Krankenkasse bezahlt.”
Etwa ein Drittel aller heute von den Ärzten in Deutschland verordneten Arzneimittel - davon sind knapp die Hälfte pflanzliche Arzneimittel - müssten die Patienten dann nach dem Willen der Gesundheitsministerin entweder aus der eigenen Tasche bezahlen oder aber der Arzt wäre gezwungen, ein verschreibungspflichtiges Mittel zu verordnen.
“Wird aber beispielsweise ein Johanniskraut-Präparat durch ein chemisches Antidepressivum oder ein pflanzliches Grippemittel durch ein Antibiotikum ersetzt, birgt das nicht nur ein erhöhtes Risiko aufgrund von Nebenwirkungen oder Resistenzbildung. Im Durchschnitt sind verschreibungspflichtige Arzneimittel auch dreimal teurer und belasten somit das Gesundheitssystem noch zusätzlich. So liegen die Therapiekosten pro Tag bei einem (nicht verschreibungspflichtigen) Johanniskraut-Präparat bei ca. 36 Cent, während ein verschreibungspflichtiger SSRI-Hemmer mit 1,52 Euro, also mehr als dem Vierfachen, zu Buche schlägt”.
Wissenswertes zu Phytopharmaka Da Phytopharmaka unter den Gesichtspunkten der modernen Schulmedizin eingesetzt werden, müssen sie dieselben Anforderungen erfüllen, wie sie auch für chemisch-definierte Arzneimittel gelten. Das Arzneimittelgesetz fordert neben dem Nachweis der pharmazeutischen Qualität auch den Nachweis der Wirksamkeit. Ganz wichtig ist auch die Unbedenklichkeit bzw. Verträglichkeit eines Arzneimittels. Wie für alle Arzneimittel gilt auch für sie, dass sie sachgerecht angewendet werden müssen.
Pflanzliche Arzneimittel - medizinisch anerkannt! Für die Wirkung vieler pflanzlicher Arzneimittel (so genannte Phytopharmaka) gibt es wissenschaftliche Belege. “Pflanzliche Medikamente sind pharmakologisch bewertbare Stoffe, die sich mit ganz normalen wissenschaftlichen Methoden überprüfen lassen”, sagt Dr. Marcela Ullmann vom Komitee Forschung Naturmedizin.
Gut über 70% der Bevölkerung nehmen heute Phytopharmaka ein. Eine repräsentative Umfrage des Emnid-Instituts von 2002 zeigt, dass neun von zehn Patienten mit der Wirkung der Präparate zufrieden sind. Auch Fachleute haben großes Vertrauen in die Phytotherapie: 36% der Befragten wurde ihr Präparat vom Arzt empfohlen, 32% kauften es auf Anraten des Apothekers. Nach Daten des Komitees Forschung Naturmedizin in München verschreiben gut 80% aller Hausärzte neben synthetischen Medikamenten auch Phytopharmaka. In der Praxis ergänzen sich die beiden Therapieformen. Ob der Arzt sich für chemische oder pflanzliche Arzneimittel entscheidet, richtet sich nach der Art der Erkrankung und dem Nutzen für den Patienten.