Mit der Diagnose „Brustkrebs” müssen sich jedes Jahr noch immer etwa 57.000 Frauen auseinander setzen. Seit ca. einem Jahr gibt es für Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs ein völlig neues Wirkprinzip. Die zielgerichtete Therapie („targeted therapy”) mit dem Angiogenese-Hemmer Bevacizumab verdoppelt die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung bei guter Lebensqualität. So ist ein Leben mit der Krankheit möglich. Privatdozent Dr. Volkmar Müller, Leiter des Bereichs Konservative Gynäkologische Onkologie im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf und Prof. Dr. Andreas Schneeweiss, Leiter der Sektion Onkologische Ambulanz und Tagesklinik des Universitätsklinikums Heidelberg, stellten die Angiogenese-Hemmung auf dem Pressegespräch „Brustkrebs verzögern - Angiogenese-Hemmung hungert den Tumor aus” am 11. Juni in München vor. Eine Patientin berichtete zudem über ihre Erfahrungen mit dem neuen Wirkprinzip.
Das neue Wirkprinzip heißt Angiogenese-Hemmung, weil es die Neubildung von Blutgefäßen (griech.: Angio = Gefäß und Genese = Entstehung) hemmt. Es steht seit einem guten Jahr für Brustkrebspatientinnen im fortgeschrittenen Stadium zur Verfügung. Das Wirkprinzip setzt nicht am Tumor selbst, sondern an der Vorsorgung des Tumors an. Wenn ein Tumor wächst, benötigt er Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut, um seine Versorgung sicherzustellen. Krebstumore verfügen über Mechanismen, mit deren Hilfe sie Blutgefäße zum Aussprossen anregen können. Insbesondere der so genannte vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor VEGF spielt dabei eine herausragende Rolle. Er wird vom Tumor ausgeschüttet und bindet an Gefäßzellen der Blutbahn, um so ihr Wachstum und die Neubildung zu veranlassen. Der Wirkstoff Bevacizumab bindet das VEGF noch im Blut, so dass der Prozess nicht aktiviert wird und keine neuen Blutgefäße gebildet werden. Die Angiogenese wird somit gehemmt und der Tumor regelrecht ausgehungert.
Um solche neuen Behandlungskonzepte zu entwickeln, bedarf es detailgenauer Forschungsarbeit. Erst in den letzten Jahren ist es möglich geworden, Tumorzellen genauer zu klassifizieren und molekulare Veränderungen aufzuspüren und so diese neuen zielgerichteten Behandlungsformen zu entwickeln. Die für solche Verbesserungen erforderliche systematische „Puzzlearbeit” wird in Klinischen Studien geleistet. Wenn die Wirkung erwiesen und der Einsatz als sicher eingestuft wird, werden neue Wirkstoffe auch mit Patienten getestet. Nur so kann der Erfolg neuer Therapien zuverlässig belegt werden. Studien bieten den Patienten die Möglichkeit, nach den aktuellsten Erkenntnissen der Wissenschaft behandelt zu werden und damit auch eine neue Chance zu bekommen. Klinische Studien sind mit strengen Auflagen verbunden und werden durch eine Ethikkommission genau kontrolliert. Zudem wird alles lückenlos dokumentiert und überwacht. Frauen sollten sich gezielt über geeignete Studien informieren. Sie profitieren als Studienteilnehmerin davon, z. B. wie die anwesende Patientin bereits vor Zulassung nach dem neuem Wirkprinzip der Angiogenese-Hemmung behandelt zu werden. Interessierte Patientinnen können das Gespräch mit ihrem Arzt oder erfahrenen Brustzentren suchen, um weitere Informationen zu erhalten.