Wenn die Patienten den Weg zum Arzt überhaupt finden, klagen sie meist über Erschöpfungszustände, körperliche Beschwerden, wie Bauch oder Rückenschmerzen, Herzbeschwerden, Libidoverlust, Appetitlosigkeit. Der Arzt muss natürlich erst körperliche Ursachen ausschließen, muss sicherstellen, ob es sich um eine momentane depressive Verstimmung handelt, die jeder mal durchmachen kann oder ob eine chronische,behandlungsbedürftige Depression vorliegt. Die schwerste Aufgabe des Arztes ist wohl, dem Patienten die Diagnose zu erklären, verneinen doch nach wie vor 11% der Patienten eine psychische Beteiligung, weil das Bild der Depression so gar nicht in eine Gesellschaft voller Dynamik passt. Relativ einfach ist diese Aufgabe bei Frauen, die an Depressionen oder depressiven Verstimmungen aufgrund hormoneller Schwankungen leiden – hier ist mittlerweile allgemein bekannt und akzeptiert, dass es nach der Geburt eines Kindes oder in den Wechseljahren zu depressiven Stimmungslagen kommen kann.
Prof. Klaus Wahle, Facharzt für Allgemeinmedizin in Münster empfiehlt, die Depression als„Stoffwechselerkrankung des Gehirns, durch einen Mangel an bestimmten Botenstoffen“ zu erklären. Damit bleibt der Arzt auf der Erklärungsebene des Patienten, der nur körperliche Beschwerden angibt und sichert sich seine Mitarbeit.
Diese Erklärung ist nicht mal ein Trick, sind sich doch die Wissenschaftler einig, dass die Ursache einer Depression dasbiochemische Ungleichgewicht der BotenstoffeSerotonin und Noradrenalin ist. Botenstoffe, auch Neurotransmitter genannt, sindan der Weiterleitung von Informationen zwischen den einzelnen Nervenzellen im Gehirn selbst oder vom Gehirn an den Körper beteiligt. Das Wissen um diese Botenstoffe, ihre Wirkweise und Funktion, machte auch die Entwicklung effektiverMedikamente möglich, die gezielt in diesen Vorgang eingreifen. Antidepressiva wirken auf unterschiedliche Weise im Stoffwechsel der Botenstoffe. Indem entweder der Abbau oder die Wiederaufnahme in ihre Speicher gehemmt wird, sorgen Antidepressiva dafür, dass Botenstoffe länger am Wirkungsort zur Verfügung stehen.
So blockieren die MAO-( M ono a mino o xidase) Hemmer ein Enzym, das Serotonin und Noradrenalin abbaut . Sie haben oft starke Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Nahrungsmitteln. TrizyklischeAntidepressiva hemmendie Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, sind jedoch ebenfalls mitteilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen belastet. Seit 1987 gibt es die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI, die selektiv nur die Wiederaufnahme von
Serotonin hemmen. Sie haben zwar weniger Nebenwirkungen, können jedoch nicht bei allen depressiven Krankheitsbildern eingesetzt werden. 1996 wurden schließlich die SNRI entwickelt, selektive Wiederaufnahmehemmer von Serotonin und Noradrenalin. Im Gegensatz zu den älteren Antidepressiva können sie vom Beginn der Erkrankung an eingesetzt werden. Nicht allein die Rate vollständiger Genesungen ist höher, als bei den trizyklischen Antidepressiva oder den MAO-Hemmern, sondern sie bessern auch körperliche Symptome, da sowohl Serotonin als auch Noradrenalin an der Weiterleitung von Schmerzen beteiligt sind. Für die Patienten von Bedeutung ist, dass SNRIweitaus weniger Nebenwirkungen haben, als die alten Antidepressiva.
Der Wirkstoff Venlafaxin ist seit 1994 auf dem Markt und wird zur Behandlung von Depressionen mit und ohne Angstsymptomatik eingesetzt sowie für die Erhaltungstherapie und Vorbeugung von Rückfällen depressiver Erkrankungen. In der retard Formulierung wird es zur Therapie der generalisierten Angststörung und der sozialen Phobie empfohlen.
Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Therapie ist zum einen eine konsequente Durchführung der medikamentösen Behandlung. Unterstützend können psychotherapeutische Verfahren, so die kognitive Verhaltenstherapie sinnvoll sein. Doch das muss individuell entschieden werden.