Herzinsuffizienzkranke, egal in welchem Stadium, brauchen einen Betablocker und sie brauchen ihn rasch! So lautet die Forderung des US-Kardiologen Professor Milton Packer aus New York. Denn wie eine neue bislang unveröffentlichte Auswertung der COPERNICUS-Studie belegt, profitieren Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz bereits in der Auftitrierungsphase nach den ersten zwei Wochen von der antiadrenergen Therapie mit Carvedilol und in diesem Punkt unterscheidet sich Carvedilol wohl von anderen Betarezeptorenblockern.
“Warten Sie nicht acht Wochen oder noch länger, bevor Sie mit der Betablockertherapie beginnen!” appellierte Prof. Packer bei einer Veranstaltung in Monte Carlo an die knapp 1500 anwesenden internationalen Kollegen. “Die Patienten sterben in dieser Zeit! Wenn Sie auf den ‚perfekten’ Zeitpunkt warten , ist dies für die Patienten mit einem beträchtlichen Risiko verbunden!”
Die gängige Vorstellung ist, dass Herzinsuffizienz-Patienten nach der Einleitung einer Betablockertherapie erst einmal durch ein “Tal der Tränen” müssen, bevor sie von der Behandlung profitieren und für Substanzen wie Metoprolol scheint dies auch zu stimmen. Denn tatsächlich trennten sich in MERIT-HF die Überlebenskurven von Placebo- und Metoprolol-Behandelten erst nach drei bis vier Monaten. In der Zeit davor war unter dem ß1-selektiven Betablocker sogar ein erhöhtes Risiko für Tod, Hospitalisierungen oder den Abbruch der Betablockertherapie wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz zu verzeichnen.
Für Carvedilol gilt dieser Zusammenhang jedoch nicht, beweisen Daten der COPERNICUS-Studie, die demnächst veröffentlicht werden sollen. Obwohl es sich in dieser Untersuchung um Schwerkranke im NYHA-Stadium IV handelte, war auch bereits in den ersten acht Wochen während der Auftitration die Zahl der Todesfälle, der Hospitalisierungen und der Therapieabbrüche unter Placebo höher als unter Carvedilol. Nimmt man alle diese Komplikationen zusammen, standen nach acht Wochen 162 derartige Ereignisse in der Carvedilol-Gruppe 188 Ereignissen in der Placebogruppe gegenüber. Die Ü berlebenskurven von Carvedilol- und Placebo-Behandelten trennten sich bereits zwischen der zweiten und vierten Behandlungswoche, also nachdem von der zweimal 3,125-mg-Dosierung auf zweimal 6,25 mg auftitriert worden war.
Sehr niedrige NNT:
In der Praxis wird mit der Betablockertherapie viel zu lange gewartet , bemängelte Prof. Packer in Monte Carlo: Im Durchschnitt erst zwei bis vier Monate nachdem die Einschlußkriterien für die großen Betablockerstudien erfüllt sind, startet auch in der Praxis die Therapie wenn sie überhaupt beginnt. Noch immer liegt die Rate der mit einem Betablocker behandelten Herzinsuffizienzkranken weit unter dem Soll , zeigt unter anderem der große Euro Heart Failure Survey. So erhalten im Schnitt nur 40 % der Patienten in den ausgewerteten europäischen Ländern (zu denen auch Deutschland und Österreich gehören) einen Betablocker. Möglich wäre die Behandlung wahrscheinlich bei etwa 80 %, schätzen Experten.
Damit wird diesen Kranken eine nachgewiesenermaßen hoch effektive lebensverlängernde Therapie vorenthalten. Legt man die Daten des US-Carvedilol-Programmes und der COPERNICUS-Studie zugrunde, so reicht es, 15 Patienten ein Jahr lang mit Carvedilol zu behandeln, um ein Leben zu retten. Im Vergleich: Diese als NNT (Numbers Needed to Treat) bezeichnete Rate liegt für Bisoprolol bei 23 und für Metoprolol bei 27. Enalapril im NYHA-Stadium I und II hat eine NNT von 100, Simvastatin bei KHK-Patienten von 163 und Pravastatin in der Primärprävention, wenn es bei Patienten mit Hypercholesterinämie angewendet wird, sogar von 551.
Es gelang in den Studien nicht, eine einzige Untergruppe von Patienten zu finden, die nicht von Carvedilol profitiert hätte, betonte Professor Michael B. Fowler, Kardiologe an der Stanford University in Kalifornien. Wer kommt nun für die Therapie in Frage? Für alle Patienten vom NYHA-Stadium I (etwa mit einer eingeschränkten linksventrikulärer Funktion nach Myokardinfarkt) bis hin zum NYHA-Stadium IV ist der Nutzen in großen kontrollierten randomisierten Studien belegt.
Bis zu einem systolischen Blutdruck von 85 bis 90 mmHg wurden Patienten in die Carvedilol-Studien eingeschlossen, in den Metoprolol-Studien lag der Grenzwert bei 100 mmHg. Bei der Herzfrequenz wurde das Limit bei 65 bis 68 Schlägen pro Minute angesetzt. “Eine konservative Entscheidung” meint Prof. Fowler: Bradykardien waren in den Studien kein Problem, eine Betablockertherapie sei wahrscheinlich auch bei niedrigeren Werten möglich. Ausgeschlossen waren in den Studien Patienten mit Nierenfunktionsstörung und diejenigen, die vor kurzem intravenös positiv inotrope oder vasodilatierende Substanzen erhalten hatten, sowie solche mit refraktärer Flüssigkeitsüberladung.
Klinisch stabil sollen die Herzinsuffizienzkranken bei der Einleitung der Betablockertherapie sein “ein unglücklicher Begriff bei einer chronisch progredienten Erkrankung” meint Prof. Packer. Er erinnerte daran, dass in COPERNICUS Patienten mit refraktären Symptomen noch während der Hospitalisierung eingeschlossen wurden, deren Auswurffraktion nur noch 15 % oder weniger betrug. Solche Patienten profitieren oft ganz besonders. Prof. Fowler berichtete von zwei Patienten seiner Klinik, die auf der Transplantationsliste standen und deren Zustand sich unter der Betablockertherapie bis zum NYHA-Stadium I und II besserte.
Gute Verträglichkeit und weniger Nebenwirkungen dank zusätzlicher Alpha-Blockade
Von Metoprolol und Bisoprolol, den beiden anderen bei Herzinsuffizienz zugelassenen Betablockern, unterscheidet sich Carvedilol vor allem durch seine breite antiadrenerge Blockade: Es blockiert nicht nur die ß1-adrenergen, sondern auch die ß2- und die Alpha-Rezeptoren. Die Blockade der Alpha-Rezeptoren in der Peripherie führt zur Vasodilatation, die für die gute Verträglichkeit von Carvedilol und für zahlreiche weitere günstige Wirkungen des Betablockers verantwortlich gemacht wird:
Nebenwirkungen wie kalte Hände oder Impotenz sind nicht zu befürchten,
Glukose- und Lipidmetabolismus werden nicht wie bei anderen Betablockern negativ, sondern ganz im Gegenteil sogar eher günstig beeinflusst.
Und weil der periphere Widerstand nicht wie unter anderen Betablockern ansteigt, sondern abnimmt, ist die Gefahr einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz in der Initialphase geringer was auch die neueste Auswertung der COPERNICUS-Daten der ersten acht Wochen bestätigt.
Doch auch wenn sich der Benefit der Carvedilol-Therapie schon früher und bei einer niedrigeren Dosierung als bei anderen Betablockern zeigt für Metoprolol und Bisoprolol sind die positiven Effekte nur für die hohe Dosierung belegt dürfe man sich in der Praxis mit diesem Anfangserfolg nicht zufrieden geben, betonte Professor Lars E Rydén aus Stockholm in Monte Carlo. Wie nicht nur die COPERNICUS- sondern auch die Daten der MOCHA-Studie bestätigen, ist zwar bereits bei einer Dosis von 6,25 mg zweimal täglich ein deutlicher Effekt, etwa auf die linksventrikuläre Auswurffraktion und wohl auch auf die Prognose zu erwarten, doch profitieren die Patienten noch deutlich mehr, wenn bis zur Zieldosis von zweimal 25 mg hochtitriert wird. Und dies gelingt in der Mehrzahl der Fälle sogar bei Schwerstkranken. Dank der besonderen hämodynamischen Eigenschaften von Carvedilol und seiner exzellenten Verträglichkeit erreichten selbst unter den COPERNICUS-Teilnehmern im NYHA-Stadium IV immerhin zwei Drittel die Zieldosis.