Den meisten Alkoholdauerkonsumenten sind die Risiken wohl bewusst, sie verdrängen diese jedoch oder glauben, noch rechtzeitig aufhören zu können. Verbote nützen deshalb meistens nichts: Darin waren sich internationale Wissenschaftler bei einem Workshop über “neue Perspektiven der Therapie von alkoholischen Leberkrankheiten” einig. Große Erwartungen setzen die Leberspezialisten in die “essenziellen” Phospholipide. Diese in Deutschland entwickelten, hochgereinigten Wirkstoffe aus der Sojabohne haben bei ersten klinischen Untersuchungen an lebergeschädigten Alkoholkranken in den USA so ermutigende Ergebnisse gezeitigt, dass dort jetzt umfangreiche Prüfungen mit Betroffenen laufen. In deutschen Apotheken sind “essentielle” Phospholipide als rezeptfreie Arzneimittel bereits erhältlich: gegen akute und chronische Leberkrankheiten und erhöhte Blutfette.
Die “essenziellen” Phospholipide (EPL) wurden in der deutschen Medizin bisher als höchstens mild wirksam eingeschätzt. Diese Bewertung beginnt sich zu ändern, seit sich der New Yorker Professor Charles Lieber, der Welt führender Wissenschaftler für alkoholische Leberkrankheiten, mit EPL befasst. Zunächst konnte er bei Affen nachweisen, dass diese Phospholipide die Schäden reparieren können, die Alkohol an den Wänden der Leberzellen verursacht. Die abschließende Auswertung der Behandlung von mehreren hundert alkoholkranken Leberpatienten läuft noch, doch sah Lieber so positive Ergebnisse, dass er jetzt eine noch umfassendere klinische Prüfung begonnen hat.
Entscheidend ist eine frühzeitige Behandlung bei Einsetzen von Fettablagerungen in der Leber: der Fettleber. Die folgende Schädigung der Leber durch die Bildung von zusätzlichem Bindegewebe ist praktisch nicht umkehrbar. Die Schäden an den Wänden der Leberzellen werden zum großen Teil durch “freie Radikale” hervorgerufen: um aggressive Teilchen, die unter anderem beim Rauchen, Alkoholkonsum und bei Viruskrankheiten entstehen können. Sie binden sich an körpereigene Gewebe und zerstören diese. Davon sind auch die Zellwände der menschlichen Organe betroffen, die aus Phospholipiden aufgebaut sind. Da die aus Soja extrahierten Phospholipiden denen in den Zellwänden ähnlich sind, benutzen die Zellen die EPL zur Reparatur der Löcher, welche die freien Radikalen in ihre Wände “geschossen” haben.
Alkohol benebelt nicht nur den Verstand, er schädigt eine Vielzahl von körpereigenen Stoffwechselvorgängen. Bei dauernd überhöhtem Alkoholverbrauch entsteht zunächst eine Fettleber. Daraus entwickelt sich eine alkoholische Leberentzündung, welche sich zur Leberzirrhose weiter bildet; häufig folgt Leberkrebs. Nicht nur Menge und Dauer des Alkoholkonsums ist für die Entstehung von Leberschäden maßgeblich, sondern neben dem Geschlecht auch erbliche Faktoren, der Kontakt mit giftigen Stoffen am Arbeitsplatz, Ernährungsmängel (vor allem Vitaminmangel) und die gleichzeitige Erkrankung der Leber zum Beispiel an einer Virushepatitis.
Unglücklicherweise spüren die Patienten ihre alkoholgeschädigte Leber zunächst nicht. Bemerkbar macht sie sich meistens erst, wenn der Schaden so groß ist, dass er nicht mehr behoben werden kann. Schon bei der alkoholischen Fettleber sterben 30 Prozent der Patienten innerhalb von vier Jahren. Bei einer alkoholischen Leberentzündung sterben im gleichen Zeitraum 42 Prozent und bei der Zirrhose 51 Prozent. Kommt zu letzterer noch eine Virushepatitis hinzu, so beträgt die Todesrate 65 Prozent innerhalb von vier Jahren.