Es kommt plötzlich und unerwartet: Von einem Tag auf den anderen sind die Hormone auf dem Sinkflug und das Liebesleben liegt brach. Die Lust ist dahin, der Verkehr nur noch schmerzhaft, und an Orgasmus garnicht erst zu denken. Was sich nach klassischen Wechseljahren-Symptomen anhört, sind die Auswirkungen einer Totaloperation. In Deutschland müssen sich jedes Jahr etwa 20.000 Frauen diesem Eingriff unterziehen meist nach einer Krebserkrankung. Danach ist ihr Leben auf den Kopf gestellt. Denn die verminderte Produktion von Sexualhormonen, die sich während der biologischen Menopause langsam über die Jahre einschleicht, wird bei der Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken als abrupter Umsturz erlebt.
Um den bekannten Wechseljahreserscheinungen Hitzewallungen, Schlafstörungen, Nervosität oder Depressionen entgegen zu wirken, erhalten Frauen nach der Ovarektomie üblicherweise ein Östrogen-Gel. Den Mangel an Testosteron konnte man bis vor kurzem nicht ausgleichen, es fehlte eine geeignete Therapie. “Wir haben es mit Präparaten versucht, die für Männer entwickelt worden waren, erklärt Dr. Anneliese Schwenkhagen vom Gynäkologicum in Hamburg auf einer Pressekonferenz. “Aber die hatten zu viele Nebenwirkungen. Frauen bekamen Akne, auf dem Kopf fielen ihnen die Haare aus, dafür wuchsen sie vermehrt im Gesicht keine wirkliche Lösung.
Hier drängt sich die Frage auf: Wofür brauchen Frauen überhaupt männliche Sexual-Hormone? Testosteron hat tatsächlich eine ganze Reihe von Funktionen.
So ist es wichtig für die Bildung der Knochen- und Muskelmasse, der Durchblutung, den erholsamen Schlaf und viele andere Vorgänge im Organismus im männlichen wie im weiblichen. Vor allem aber fördert Testosteron das Lustempfinden. Im Körper der Frau wird es in der Nebennierenrinde, im Fettgewebe, vor allem aber in den Eierstöcken gebildet auch über die Menopause hinaus. Nach der Ovarektomie fallen sie jedoch als Produzenten aus, der Testosteronspiegel sinkt innerhalb kürzester Zeit um die Hälfte ab.
“Sexuelle Funktionsstörungen bei der Frau sind komplex³, erklärt Professor Johannes Bitzer von der Universitäts-Frauenklinik Basel. “Oft wirken biologische, psychologische und zwischenmenschliche Faktoren zusammen. So kommt zu Erregungsstörungen und mangelnder Lust oft noch die psychische Belastung hinzu: Verwirrung und Verzweiflung über die eigene “Unfähigkeit und den vermeintlichen Verlust der Weiblichkeit stürzen die Frau in tiefe Selbstzweifel. Schuldgefühle dem Partner gegenüber wechseln mit der Angst, von ihm verlassen zu werden. Die Flucht vor der Sexualität zieht dauernde Selbstbeobachtung, Anspannung, Verkrampfung sowie Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper nach sich. Und letztlich steht der Wunsch, dass alles wieder gut, alles wieder wie früher werden soll, im krassen Gegensatz zur Realität.
Jetzt scheint dem Problem vorerst ein Ende gesetzt zu sein: Im Juni letzten Jahres wurde das erste Testosteronpflaster speziell für Frauen mit Ovarektomie zugelassen, seit etwa einem Monat ist es auf dem Markt. Es ist niedrig genug dosiert, um die Nebenwirkungen zu minimieren, und enthält gerade so viel Wirkstoffe, wie die Frau braucht, um ihren Androgenspiegel stabil zu halten etwa 300 Mikrogramm pro Tag. Das ist etwa so viel, wie der Körper einer Frau nach der Menopause selbstständig produziert. Das Testosteron aus dem Pflaster, das über die Haut in die Blutbahn gelangt, ist mit dem körpereigenen der Frau identisch und wird aus Pflanzen gewonnen.
In zwei Studien wurden 1100 Frauen zwischen 20 und 70 Jahren mit sexuellen Störungen nach einer Eierstockentfernung sechs Monate lang beobachtet.
Ergebnis: Nach vier bis acht Wochen zeigten sich bei über der Hälfte der Teilnehmerinnen ein gesteigertes sexuelles Verlangen und verstärkt befriedigende Sexualkontakte. Das wiederum reduzierte die seelische Belastung. Drei von vier Frauen beendeten die Studie, 96 Prozent von ihnen wollten die Therapie darüber hinaus noch fortsetzen.
Das dünne transparente Pflaster wird am Unterbauch aufgeklebt und alle drei bis vier Tage gewechselt. Man kann damit duschen, schwimmen und Sport treiben. Die Therapie ist verschreibungspflichtig und kostet etwa 50 Euro pro Monat (Intrinsa, in Apotheken).