Multiple Sklerose galt lange die als eine Krankheit die nur Erwachsene betrifft. Erst seit Ende der 80iger Jahre ist bekannt, dass die Multiple Sklerose bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten kann. Noch heute aber dauert es oft viel zu lange lange, ehe bei Kindern und Jugendlichen mit entsprechenden Symptomen die Diagnose einer MS gestellt wird. Viele Kinderärzte sind mit der Diagnosestellung schlichtweg überfordert, behandeln daher im Anfangsstadium falsch. An MS erkrankte Kinder haben meist mehrere MS-Schübe hinter sich, ehe eine spezifische, immunmodulierende Therapie einsetzt. „Es dauert aber meist noch zu lange, ehe die Diagnose gestellt wird”, kritisiert Professor Dr. Jutta Gärtner aus Göttingen. Um die Krankheitsprogression möglichst aufhalten zu können, ist aber eine frühe Diagnosestellung und Behandlung wichtig, erklärt die am „Deutsche Zentrum für Multiple Sklerose im Kindes- und Jugendalter” in Göttingen tätige Neurologin.
Eine frühzeitige Diagnosestellung aber ist von entscheidender Bedeutung, um den Kindern und Jugendlichen eine Frühtherapie zu ermöglichen in der Hoffnung, so die Krankheitsprogression aufhalten zu können, wie es bei Erwachsenen beobachtet wird. Je früher die Diagnose gestellt wird, umso besser kann zudem die Behandlung auf den individuellen Krankheitsverlauf abgestimmt werden.
Als Therapieoptionen stehen für Patienten ab 12 Jahren nur die Beta-Interferone zur Verfügung. „Wir brauchen dringend klinische Studien, die auch die besonderen Probleme bei Kindern und Jugendlichen wie zum Beispiel Wachstum und Pubertät berücksichtigen”, fordert Prof. Gärtner.
Nicht nur die betroffenen Kinder, sondern auch Ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten müssen sich mit den psychischen und physischen Belastungen der Erkrankung auseinander setzen, müssen Bewältigungsstrategien entwickeln.
Die Bedürfnisse der Patienten sind in den verschiedenen Phasen der Erkrankung unterschiedlich, wobei die Zeit vor der Diagnose, die Zeit der Diagnosestellung und die Zeit danach zu unterscheiden ist. So ist die Phase, bevor die Diagnose konkret gestellt ist, oft geprägt von Stress, Anspannung und Unsicherheit von Ambivalenz und auch von Ehrgeiz nach dem Motto: „Da muss ich durch”. Krankheitssymptome werden in dieser Phase oft verdrängt und verleugnet. Steht dann fest, dass eine MS vorliegt, so ändert sich das emotionale Erleben. Die Patienten werden von existentiellen Ängsten und oft von Panik ergriffen, fühlen sich hilflos, zum Teil aber auch erleichtert. Sie reagieren oft passiv und vernachlässigen die Suche nach gesunden Anteilen und nach Ressourcen. Etwas später stellen sich in aller Regel Gefühle der Schuld und der Scham ein, es kommt zu Schuldzuweisungen und zum Gefühl des eigenen Versagens. Diese Emotionen schlagen im weiteren Verlauf oft in Wut um, in Neid auf andere, die gesund sind, und in Resignation und Hilflosigkeit. Ängste stellen sich ein, die Betroffene fühlen sich oft wertlos und reagieren mit einem inneren Rückzug.
In allen Phasen dieser Entwicklung sind spezifische Hilfestellungen notwendig, wobei neben den medizinischen Betreuern auch Angehörige, Freunde und Bekannte sowie das gesamte soziale Umfeld gefordert sind. Es geht darum, Ressourcen zu mobilisieren, dem Patienten bei der Krankheitsbewältigung zu helfen und bei der oft notwendigen Änderung der Lebensgestaltung.
Das Ergebnis der BENEFIT-Studie (Betaferon®, Betaseron®) in Newly Emerging
Multiple Sclerosis For Initial Treatment), an der 468 Patienten mit einem ersten MS-Schub und MS-typischen Befunden in der Kernspintomographie teilnahmen, ergab, dass eine frühzeitige Behandlung mit Interferon beta-1b einen günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose hat. Die Frühtherapie hemmt die Krankheitsprogression wie auch die Entwicklung von Behinderungen.
Die Studiendaten zum Wirkstoff Alemtuzumab nähren daher Hoffnungen, dass sich die Therapieoptionen bei der Multiplen Sklerose in absehbarer Zukunft erweitern könnten.
„Wir haben unter Alemtuzumab die bislang stärkste Reduktion der Schubhäufigkeit und auch die am stärksten ausgeprägte Progressionshemmung nach EDSS beobachtet”, erklärt Prof. Dr. med. Kieseier aus Düsseldorf. Inwieweit sich diese günstigen Effekte des humanisierten monoklonalen CD52 Antikörpers bestätigen, wird in einem bereits angelaufenen Phase III-Entwicklungsprogramm geprüft. Der Antikörper wird in der Onkologie schon seit längerem therapeutisch eingesetzt.