Bitte, was hast Du gerade gesagt? Schwerhörigkeit ist für die Betroffenen und ihre Mitmenschen oftmals eine große Belastung. In Europa ist mittlerweile fast die Hälfte aller über 65-Jährigen schwerhörig - Tendenz steigend.
Bei vielen Menschen laufen einzelne oder mehrere der zahlreichen Prozesse im Ohr nicht mehr vollständig ab - sie leiden unter Schwerhörigkeit. Bei einer altersbedingten Innenohrschwerhörigkeit sterben vor allem Sinneshärchen in der Gehörschnecke ab. Oftmals besitzen die Betroffenen hierfür eine genetische Veranlagung. Absterben können die Sinneshärchen aber auch durch jahrzehntelange übermäßige Beschallung oder andere mechanische Einflüsse. Meist ist eine Schädigung der Härchen irreversibel. Durch Hörgeräte kann das Hörvermögen jedoch wieder verbessert werden. Hierbei wird der am Ohr eintreffende Schall künstlich verstärkt, um die noch intakten Sinneshärchen vermehrt in Schwingungen zu versetzen.
Um das zu verstehen, muss man ein bisschen in die menschliche Anatomie eintauchen: Das menschliche Ohr besteht aus Außenohr, Mittelohr und Innenohr. Bis Schallwellen, die an der Ohrmuschel eintreffen, im Gehirn zu einem Nervensignal verarbeitet werden, sind zahlreiche Schritte notwendig: Zunächst ortet das Außenohr, das aus Ohrmuschel, Gehörgang und Trommelfell besteht, Schallquellen und filtert die entsprechenden Töne. Anschließend wird das Trommelfell in Schwingungen versetzt. So werden die Vibrationen auf das Mittelohr, genauer gesagt auf die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel übertragen. Die Gehörknöchelchen wiederum leiten die Schwingungen auf das ovale Fenster weiter, eine Membran, die das Mittel- vom Innenohr abgrenzt. Die Umwandlung der Schwingungen in Nervenreize findet schließlich im Innenohr statt. Die Schwingungen des Steigbügelknochens werden dort auf Sinneshärchen in der mit Flüssigkeit gefüllten Gehörschnecke übermittelt. Diese Sinneshärchen können Schwingungen in Nervensignale umwandeln und über den Hörnerv an das Gehirn senden.
Um das Hörvermögen von Schwerhörigen zu verbessern, können die am Ohr eintreffenden Schallwellen mithilfe von Hörgeräten verstärkt werden. In der Regel werden Schwerhörige mit einem klassischen Hörgerät ausgestattet, das hinter dem Ohr getragen wird. Hierbei wird das Schallsignal über ein Mikrofon, einen Verstärker und schließlich durch einen Lautsprecher an das Ohr übermittelt. Vor allem bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit stoßen diese Geräte aber an ihre Grenzen. Eine Alternative bieten Hörgeräte, die direkt in das Mittelohr der Betroffenen implantiert werden. „Diese Implantate übertragen die Schallschwingungen mechanisch auf die Gehörknöchelchen und können für einen Teil der Patientinnen und Patienten eine deutlich präzisere Hörfähigkeit als die klassischen Hörgeräte erreichen”, erklärt Professor Zenner. Allerdings ist die Implantation dieser Hörgeräte mit einem chirurgischen Eingriff verbunden. Professor Zenner: „Um bisherige Implantate im Ohr zu positionieren, muss im Schädel ein künstlicher Zugang zum Mittelohr - parallel zum Gehörgang - geschaffen werden.” Ein aufwändiger und deshalb sehr kostspieliger Eingriff. „Das ist auch der Grund, warum Hörimplantate nur für einen Bruchteil der Betroffenen erschwinglich sind.”
Das soll sich nun ändern. Denn mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) entwickeln Wissenschaftler derzeit ein neuartiges Implantat, das i m Vergleich zu den bisherigen einfacher und kostengünstiger einzusetzen wäre. „So könnten von unserem neuen Implantat mehr Menschen als bisher profitieren”, betont Professor Zenner.
Was ist das Besondere an dem neuen Implantat? Das sogenannte Rundfensterimplantat der Tübinger Forscher besteht aus drei Teilen: einem externen Gehäuse mit Mikrofon, einer drahtlosen Verbindung zwischen Außen- und Mittelohr und einem Schallwandler, der in das Ohr implantiert wird. „Das eigentliche Herzstück des Gerätes ist der Schallwandler. Er ist kleiner als ein Reiskorn und wird direkt an der Verbindung zwischen Mittelohr und Innenohr, am sogenannten runden Fenster, platziert”, erklärt Professor Zenner. Dort überträgt der Schallwandler direkt Schwingungen an die Gehörschnecke und verbessert so das Hörvermögen. „Obwohl der Schallwandler so klein ist, kann er einen Höreindruck von bis zu 120 Dezibel erzeugen. Das ist in etwa so laut wie die Vuvuzelas bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika oder ein Presslufthammer.”