Speiseröhrenkrebs gehört zu den Krebserkrankungen, die in den letzten Jahren immer häufiger werden. Statistiken zeigen, dass sich die Anzahl an Betroffenen mit Speiseröhrenkrebs in den vergangenen 20 Jahren etwa vervierfacht hat. Das Fatale daran: Bislang war eine sehr drastische Operation das Mittel der Wahl. Eine Operation, bei der jeder zweite bis dritte Patient erhebliche Komplikationen erleidet und manche sogar ihr Leben lassen müssen.
Bösartige Tumoren der Speiseröhre – so genannte Adenokarzinome des Ösophagus – entstehen und wachsen langsam. Sie benötigen Jahre, bisaus den ersten entarteten Zellen tatsächlich eine bösartige Geschwulst wird. Mittlerweile einig sind sich die Experten über die Ursache der Adenokarzinome: Über Jahre hinweg einwirkende Magensäure – der so genannte Reflux - führt bei der empfindlichen Innenauskleidung der Speiseröhre zu immer stärker werdenden Veränderungen. Das beginnt mit einer Entzündung, die sich immer weiter ausbreiten kann bis hin zu Krebsvorstufen und letztendlich dem Adenokarzinom.
Wie bei vielen anderen Tumorerkrankungen auch entsteht durch den Tumor selbst zumindest in den Anfangsstadien kein typisches Beschwerdebild. Keine Schmerzen, keine Behinderungen oder Beeinträchtigungen. Die große Chance sieht Frau Dr. May von den Dr. Horst-Schmidt-Kliniken aus Wiesbaden aber darin, dass schon lange bevor der Patient ein Adenokarzinom entwickelt Symptome einer Refluxerkrankung vorhanden sind.
Der Reflux von saurem Magensaft führe nämlich zu dem allgemein als Sodbrennen bekannten Beschwerdebild – unter dem mittlerweile beinahe die Hälfte aller Bundesbürger leidet. Bei Sodbrennen müssten sowohl beim Betroffenen als auch beim Arzt “die Warnglocken angehen”. Bei den meisten Patienten sei das Sodbrennen zwar eine noch harmlose Erkrankung, die gut mit wirksamen Medikamenten wie den Protonenpumpenblockern behandelt werden könne. Aber auch der Arzt kann sich erst dann sicher sein, dass keine ernstere Erkrankung vorliegt, wenn eine Spiegelung (Endoskopie) der Speiseröhre durchgeführt wurde.
Und diese frühe Endoskopie – die so genannte Indexgastroskopie – ist es, für die sich Privatdozent Dr. Gossner eindeutig ausspricht. Denn nur so könnten die Betroffenen mit einem Adenokarzinom in einem gut behandelbaren Frühstadium erkannt werden. Das Fazit lautet daher: Jeder Sodbrennen-Betroffene sollte wenigstens einmal (und das möglichst früh in seiner “Krankheitslaufbahn”) eine Endoskopie durchführen lassen.
Der Vorteil der möglichst frühen Entdeckung einer eventuell bösartigen Veränderung ist allerdings erst seit Neuestem von besonderem Nutzen für die Patienten. Als Behandlung des Speiseröhrenkrebses kam bis heute nämlich nur eine Operation in Frage – ein chirurgischer Eingriff mit wahrhaft drastischen Folgen. Denn: Das Mittel der Wahl war bislang die fast komplette Entfernung der Speiseröhre. Allein die direkten Operationsfolgen bedeuteten daher für den Patienten einen massiven Einschnitt in seine Lebensqualität. Die Komplikationsraten der Operation liegen auch bei spezialisierten Zentren bei 20–50 %, tödlich verläuft der chirurgische Eingriff bei mindestens 3–8 % der Patienten.
Dank neuester endoskopischer Techniken gelang es jetzt einem Ärzteteam um Prof. Dr. med. Christian Ell aus den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden eine deutlich komplikationsärmere Behandlungsmethode bei Speiseröhrenkrebs zu entwickeln.
Die veränderten Gewebebezirke werden mittels einer elektrischen Schlinge oder Laserbehandlung ohne Voll-Narkose per Endoskopie entfernt. Das bedeutet Aufatmen für die Betroffenen – denn: Die Komplikationsrate schrumpft auf weniger als 3 % – tödliche Verläufe gab es bislang auch in den Langzeitstudien nicht. Der Nutzen der Methode wurde in den letzten Jahren mit Hilfe klinischer Studien mit über 600 Patienten geprüft. Dass die Methode den Krebs in Frühstadien sehr gut entfernt war sehr schnell klar. Die Frage nach den Langzeiterfolgen stand allerdings bis heute im Raum. Denn gerade bei der Behandlung von bösartigen Tumoren ist eine schonende Behandlungsmethode nur dann wirklich einsetzbar, wenn das Langzeitüberleben der Patienten im Vergleich zur bisherigen Standardtechnik vergleichbar ist. Den positiven Beweis hat jetzt die erste Langzeitstudie gebracht: Die Lebenserwartung der Krebspatienten, die mit dem neuen endoskopischen Verfahren behandelt wurden, unterscheidet sich nicht von der als Vergleich herangezogenen bundesdeutschen Normalbevölkerung.
Prof. Christian Ell ist überzeugt, dass sich diese schonende endoskopische Operationsmethode aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit gepaart mit einer extrem niedrigen Komplikationsrate in der Zukunft den neuen Goldstandard bei der Behandlung des frühen Speiseröhrenkrebes darstellen wird.