Für manch einen ist Migräne die Standardausrede zum Fortbleiben von langweiligen Partys - für bis zu zehn Millionen Menschen in Deutschland bedeutet die Krankheit eine wiederkehrende Quälerei. Vielfach wird sie mit normalen Kopfschmerzen, sogenannten Spannungskopfschmerzen verwechselt. „Das ist falsch, denn Migräne unterscheidet sich deutlich vom alltäglichen Spannungskopfschmerz”, weiß Dr. Thomas Muehlberger, ärztlicher Leiter des Migräne-Chirurgie-Zentrums der DRK-Kliniken Berlin Westend. „Migräne ist ein anfallsartig auftretender, wiederkehrender und meist einseitiger Kopfschmerz, der mit Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen oder anderen Gefühlsstörungen verbunden ist”, so der Experte.
Aufgrund ihrer Häufigkeit besitzt die Migräne eine nicht zu unterschätzende volkswirtschaftliche Bedeutung. Jährlich werden in Deutschland etwa 500 Millionen Euro von Patienten und Krankenversicherungen für die ärztliche und medikamentöse Behandlung der Migräne ausgegeben. Die durch Arbeitsausfall zusätzlich entstehenden indirekten Kosten werden auf über das 10-fache dieser Summe geschätzt. Die Migräne ist tatsächlich eine Volkskrankheit.
Eine Migräneattacke dauert Stunden - bis zu drei Tage. Üblicherweise verläuft sie in vier Phasen. In der Vorphase spürt der Patient eine erhöhte Reizbarkeit, Appetit- und Stimmungsschwankungen sowie Heißhungerattacken. In der Auraphase, die nur bei einem Teil der Patienten auftritt, spürt er erste Symptome wie Sehstörungen, Blitze, Gesichtsfeldausfälle,
Sprachstörungen, Kribbeln und/oder Schwäche in einem Arm oder Bein. Darauf folgt die Kopfschmerzphase mit den typischen halbseitigen Kopfschmerzen. Diese sind stechend, bohrend, pochend, krampfartig oder pulsierend und nehmen über Stunden zu. Das Schmerzzentrum sitzt meist im Stirnbereich. Da die Betroffenen bei starken Bewegungen eine Schmerzzunahme spüren, verbringen sie diese Phase oft in ruhigen abgedunkelten Räumen. Nach mehreren Stunden unter starken Schmerzen beginnt die Rückbildungsphase. Die Symptome lassen nach, die Betroffenen sind müde. Bis sie sich vollständig erholt haben, können zwölf bis 24 Stunden vergehen.
Warum Menschen unter Migräne leiden, ist noch nicht endgültig geklärt. Genetische Faktoren haben einen Einfluss, da häufig mehrere Familienmitglieder betroffen sind. Welche Gene tatsächlich für die Krankheit verantwortlich sind, ist noch nicht geklärt. Aber auch Umweltfaktoren spielen eine große Rolle. Die frühere Vermutung, wonach eine mangelnde Hirndurchblutung (Ischämie) die Ursache sei, gilt inzwischen als widerlegt. Ein Auslöser der Migräne könnte der dreizipfelige Gesichtsnerv (Trigeminusnerv) sein, dessen Nervenenden an den Blutgefäßen im Gehirn eine schmerzhafte Entzündung verursachen können. Und an dieser Theorie muss etwas dran sein, das beweisen die Erfolge von Thomas Muehlberger. Wobei die Entdeckung der Migräneoperation eher zufällig zustand kam. „Bei manchen Patienten, die sich wegen ihrer Zornesfalten über den Augenbrauen einen Muskel, den Corrugator, entfernen ließen, verschwanden gleichzeitig die chronischen Migräne-Attacken. Inzwischen weiß man, dass diese Muskeln einen permanenten Druck auf Äste des Trigeminusnervs ausüben und diese Reizung den Auslöser für eine Migräneattacke darstellt”, erklärt Muehlberger. Doch der Experte schränkt ein, dass die Patientenselektion dabei entscheidend ist. Die Entfernung dieser Muskeln ist kein Allheilmittel, das allen Migränepatienten hilft, jedoch sehr vielen Patienten zumindest deutliche Linderung verspricht. Doch bevor Muehlberger zum Skalpell greift, diagnostiziert ein Neurologe die Migräne.
Migränepatienten, die für die Operation in Frage kommen, haben die Schmerzen im Bereich der Schläfen, der Stirn oder im Nacken. Diesen Patienten wird zunächst Botox in die individuellen Schmerzpunkte, beispielsweise um die Corrugator-Muskeln im Bereich der Augenbrauen gespritzt, um diesen Muskel zu lähmen. Durch den Botox-Test wird der Operationseffekt simuliert. „Dann führen die Patienten für acht Wochen ein Migränetagebuch. Eine deutliche Verbesserung der Intensität und Häufigkeit der Schmerzattacken hat sich in internationalen und nationalen Studien als sehr verlässlicher Hinweis für die Wirksamkeit einer Operation erwiesen”, erläutert der Plastische Chirurg den Ablauf. Erst wenn der Botox-Test positiv verläuft, das heißt, die Häufigkeit der Migräneattacken deutlich gesunken ist, wird operiert.
Der chirurgische Eingriff selbst, dauert nur rund eine Stunde. Er wird ambulant durchgeführt und verläuft ähnlich wie bei einer Lidplastik. Der Operateur geht durch das Augenlid in die Stirn und nimmt Teile des Corrugator-Muskels heraus. „Ein Nebeneffekt der Operation ist übrigens das Verschwinden der Falten im Bereich zwischen den Augenbrauen”, erklärt Thomas Muehlberger. Der Arzt hatdiese Therapie aus den USA mitgebracht. Da die Behandlungsmethode aber noch kein fester Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenversicherungen ist, muss der Eingriff in der Regel vom Patienten privat getragen werden.
Einige Krankenkassen haben jedoch die Chancen, welche mit den neuen Verfahren verbunden sind, erkannt und übernehmen die Behandlungskosten, welche für den Botoxtest bei 450 und für die spätere Operation bei 3462 Euro liegen. In jedem Fall lohnt es sich als für Migränepatient bei der Kasse vorstellig zu werden, wobei Dr. Muehlberger und sein Team die Patienten tatkräftig unterstützen. Helfen werden auch die Studien, in denen die Wirksamkeit der neuen Methode untermauert wird. Das Wichtigste ist jedoch, dass es jetzt eine Chance gibt, mit relativ geringem Aufwand eine quälende Erkrankung zu heilen.
Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.m-c-z.de
Migräne-Chirurgie-Zentren gibt es in Berlin, München und Düsseldorf