Viele tausend Menschen in Deutschland leiden an Zöliakie, eine chronische Krankheit die bei entsprechender erblicher Veranlagung durch den Genuss glutenhaltiger Speisen ausgelöst wird. Klebereiweiss Gluten (Gliadin) und ähnliche Eiweisskörper sind in zahlreichen handelsüblichen Backwaren, wie Nudeln, Fertiggerichten und Bier enthalten.
Einzige Therapie ist bis heute eine lebenslange Ausschlussdiät. Doch die Betroffenen können nun auf die Entwicklung neuer Getreidesorten hoffen, aus denen das für sie gefährliche Eiweiß entfernt oder unschädlich gemacht werden soll. Über die Situation der Betroffenen und aktuelle Forschungsansätze hat die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft im Rahmen der Grünen Woche in Berlin informiert.
Während der herzhafte Biss in ein knuspriges Bauernbrot oder ein duftendes Croissant für die meisten Menschen ein ebenso liebgewonnener wie alltäglicher Genuss ist, müssen Zöliakie-Betroffene darauf ein Leben lang verzichten. Der Grund: Gluten, das sogenannte Klebereiweiß, das in Weizen natürlich enthalten ist und durch das aus Weizenmehl überhaupt erst ein knet- und backfähiger Teig wird, führt im Darm der Erkrankten zu einer heftigen Entzündung und Fehlfunktion. Diese Reaktion wird auch durch die verwandten Eiweiße in Roggen und Gerste ausgelöst. Die Folge sind Übelkeit, Durchfall und Blutarmut sowie Entwicklungsstörungen bei Kindern.
Durch Medikamente ist diese genetisch bedingte Fehlfunktion nur unbefriedigend oder mit großen Nebenwirkungen zu behandeln. Abhilfe schafft einzig die konsequente Umstellung der Ernährung auf Gluten-freie Produkte, das heißt Lebensmittel ohne Anteile von Weizen, Roggen und Gerste - “eine schwere Bürde für die Patienten, da Spuren von Gluten in nahezu allen normalen Nahrungsmitteln vorkommen und die Patienten durch die strikte Diät in vielen sozialen Aktivitäten eingeschränkt werden. Betroffen davon sind vermutlich rund 0,5 Prozent der deutschen Bevölkerung”, erläuterte Zöliakie-Experte Detlef Schuppan von der Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg.
Zöliakie wird oft spät oder gar nicht erkannt. Dies kann nicht nur zu schwerwiegenden Mangelerscheinungen bei den Betroffenen führen, sondern zudem die Entwicklung bösartiger Tumore oder sogenannte Autoimmunerkrankungen der Haut oder innerer Organe begünstigen. “Aus diesem Grunde ist die Bekanntmachung der Krankheit von größter Wichtigkeit und seit Jahren auch eine Kernaktivität unserer Gesellschaft”, berichtete Heide Mecke, Vorstandsmitglied der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft.
Gemieden werden müssen nicht nur handelsübliches Brot und Teigwaren, sondern auch alle Lebensmittel, in denen Gluten weniger offensichtlich, beispielsweise als Emulgator oder Stabilisator, enthalten ist. “Problematisch ist es für Zöliakie-Betroffene bereits, im Restaurant oder in der Kantine essen zu gehen oder im Ausland Urlaub zu machen. Die wichtigste Hilfestellung, die wir unseren Mitgliedern als große Selbsthilfeorganisation geben können, ist die Herausgabe einer Aufstellung aller über den Handel erhältlichen Gluten-freien Lebens- und Arzneimittel,” so Mecke.
Über ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstütztes wissenschaftliches Projekt mit dem Ziel, Weizensorten ohne Zöliakie-Toxizität zu entwickeln, berichtete Friedrich Meuser von der Technischen Universität Berlin. Da es durch herkömmliche züchterische Methoden offensichtlich nicht möglich ist, die Zöliakie auslösenden Eiweiße aus dem Weizen zu entfernen, wird hier mit Hilfe gentechnischer Methoden daran gearbeitet, das entsprechende Eiweiß entweder zu entfernen oder ihm seine Zöliakie auslösende Wirkung zu nehmen.