dass die Gefahr von Karies in der Bevölkerung hinreichend bekannt ist. Die Häufigkeit der Neuerkrankungen ist rückläufig. Was sind die Gründe dafür?
In der Tat ist Karies in Deutschland rückläufig. Das gilt für nahezu jede Altersgruppe. Besonders erfreulich ist der Rückgang bei jungen Menschen. 70,1 Prozent der Kinder und 46,1 Prozent der Jugendlichen hatten bisher keine Karies. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zahnärzte versiegeln derzeit bei rund 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen die Grübchen und Rillen (Fissuren) der Kauflächen. Dort können die Kariesbakterien dann die Zähne nicht mehr schädigen. Zahnpasten mit Fluor tragen ebenfalls zu weniger Karies bei. Und: Die Deutschen gehen regelmäßiger zu Kontrollen, weil sie mehr Wert auf ein schönes Gebiss legen.
Bei 73 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und 88 Prozent der 65- bis 74-Jährigen wurde sie diagnostiziert. Warum?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir stellen fest, dass es weniger Zahnverlust bei älteren Menschen gibt. Den 65- bis 74-Jährigen etwa fehlen im Schnitt nur 14,2 Zähne. Damit steigt die Möglichkeit, an einer Parodontitis zu erkranken. Hinzu kommt, dass bei der Erkrankung anfangs selten starke Schmerzen auftreten. Die Betroffenen unterschätzen Zahnfleischbluten als erstes Krankheitszeichen. Erst Spätsymptome, wie verstärkte Zahnbeweglichkeit, Abszessbildung oder Mundgeruch, registriert der Patient. Eine Befragung des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) zeigt, dass die Bevölkerung über Parodontitis zu wenig weiß.
Womöglich. Denn obwohl die chronische Parodontitis weit verbreitet ist und es daher einen hohen Behandlungsbedarf gibt, führen die Kollegen wenige Therapien durch. So entfallen bei der gesetzlichen Krankenkasse pro Jahr auf jeden Versicherten nur rund sechs Euro für die parodontale Behandlung von insgesamt 210 Euro für die zahnärztliche Therapie. Darüber hinaus vermittelt die Ausbildung der Zahnärzte lediglich Grundkenntnisse in der Parodontologie. Eine neue Approbationsordnung für die Zahnmedizin, die diese Mängel ausgleichen könnte, liegt zwar als Entwurf vor, wird aber nicht umgesetzt.
Stimmt dieser Schluss und wenn ja, inwiefern kann Parodontitis mit anderen Erkrankungen des Organismus zusammenhängen?
An jedem Zahn hängt ein Mensch, diese Erkenntnis gerät wieder mehr in den Vordergrund der Forschung von Parodontologen und Allgemeinmedizinern. Wir wissen schon längere Zeit, dass Keimverschleppung sowie Entzündungsmediatoren Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. Bei Diabetes, Gefäß-, Herz-Kreislauf-Störungen und zerebralen Erkrankungen ist der gegenseitige Einfluss bestätigt. Verbindungen bestehen ebenfalls zur rheumatoiden Arthritis sowie zum Metabolischen Syndrom, einem Krankheitsbild aus Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Insulinresistenz. Einige Studien lassen eine Verbindung zu Frühgeburten und zu geringem Geburtsgewicht unter 2500 Gramm vermuten.
Die Parodontitis ist eine chronische Entzündung des gesamten Zahnhalteapparates, die durch schädigende Bakterien verursacht wird. Die zunächst oberflächliche, sich auf den Zahnoberflächen bildende Plaqueschicht breitet sich bei unzureichender Zahnpflege schnell auf den Wurzelbereich und in entstehende Zahnfleischtaschen aus. Dort finden Bakterien ein gutes Lebensmilieu. Der Körper reagiert mit einer chronischen Entzündung, die bis zum Zahnverlust führen kann.
Ja, die chronische Parodontitis wird insbesondere durch früh begonnenes und starkes Zigarettenrauchen, Fettleibigkeit und das Metabolische Syndrom begünstigt. Daher sollten Zahnärzte die bisher auf die Mundhöhle beschränkte Vorsorge erweitern: Sie können ihre Patienten auch auf die Gefahren des Rauchens und auf die Vorteile einer gesunden Ernährung hinweisen.
Den Zahnzwischenräumen gebührt besondere Aufmerksamkeit. Im jüngeren Alter mit geschlossenen Zahnreihen eignet sich Zahnseide, später empfehlen sich Zahnzwischenraumbürstchen. Aber auch die Schleimhäute sowie die Zunge sind mit Keimen besiedelt, die Parodontitis und auch Karies auslösen können. Hier eignen sich antibakterielle Mundspülungen. Sie erreichen Regionen, die der Zahnbürste sonst nicht zugänglich sind. Ideal ist also eine Dreifachprophylaxe: Mechanische Biofilmentfernung mit Zahnbürste, Zwischenraumpflege mit Zahnseide oder Bürstchen sowie die antibakterielle Mundspülung.
Mundspülungen wie Listerine hemmen dank ihrer antibakteriellen Wirkung den Biofilm und seine Neubildung. So beugen sie Entzündungen des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut sowie Zahnstein vor. Enthalten sie zusätzlich Fluorid, schützen sie zudem vor Karies. Darüber hinaus können Fluorid und Kaliumzusätze Überempfindlichkeiten bei freiliegenden Zahnhälsen lindern.
Jeder Erwachsene sollte die Dreifachprophylaxe aus Putzen, Säubern der Zwischenräume und Spülen betreiben. Auch bei längerer Anwendung hat die Mundspülung keine Nebenwirkung. Sie ist außerdem geeignet für Menschen, die in der normalen Zahnpflege behindert sind - etwa Patienten mit Bewegungseinschränkungen der Hände oder ältere Menschen - sowie für Patienten in einer kieferorthopädischen Therapie. Der Gebrauch von Listerine Total Care Sensitive kann durch die Beigabe von Kaliumnitrat die unangenehme Überempfindlichkeit bei freiliegenden Zahnhälsen, auch nach parodontalen Behandlungen, minimieren.
Der Experte: Prof. Dr. med. dent. Bernd-Michael Kleber
Bernd-Michael Kleber erhielt 1969 die zahnärztliche Approbation. Seit 1971 war er als Parodontologe am Universitätsklinikum der Charité, Humboldt Universität zu Berlin tätig. Nach seiner Habilitation 1983 war er dort zunächst als Hochschuldozent, ab 1994 als Professor für Parodontologie tätig. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 arbeitete Prof. Kleber zudem in der Abteilung Parodontologie und Synoptische Zahnmedizin, zuletzt als kommissarischer Leiter. Neben seiner universitären Tätigkeit war er unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie e.V., ist Referent bei curricularen Fortbildungen von Zahnarztkammern, bei Masterstudiengängen für Parodontologie und Implantologie und war Sprecher der Hochschullehrer für Parodontologie. Prof. Kleber ist Autor von mehr als 190 wissenschaftlichen Publikationen.