Folsäure (chemische Bezeichnung: Pteroylplutaminsäure) gehört zur Gruppe der B-Vitamine. Veraltete Bezeichnungen für dieses Vitamin sind: Folacin, Vitamin M, Vitamin Bc und Lactobacillus casei-Faktor. Der Begriff “Folate” wird verwendet, um alle Mitglieder der gleichen Gruppe von Verbindungen bezeichnen, in denen Pteroinsäure an ein oder mehr Moleküle äure gebunden ist.
Folate sind in einer Vielzahl von Nahrungsmitteln enthalten. Die ergiebigsten Quellen sind Leber, dunkelgrüne Blattgemüse,.Bohnen, Weizenkeime und Hefe. Andere Quellen sind Eigelb, Rüben, Orangensaft und Vollweizenbrot. Die meisten Folate in der Nahrung liegen in der Polyglutamatform vor und werden in der Dünndarmwand in die Monoglutamafform umgewandelt, bevor sie in den Blutkreislauf resorbiert werden. Nur etwa die Hälfte der mit der Nahrung aufgenommenen Folate wird tatsächlich resorbiert. Unter normalen Bedingungen tragen Folate, die durch Intestinalbakterien synthetisiert werden, nicht wesentlich zur Folatversorgung des Menschen bei, da die bakterielle Folatsynthese gewöhnlich auf den Dickdarm (Colon) beschränkt ist, während die Resorption hauptsächlich im oberen Teil des Dünndarms (Jejunum) erfolgt.
Die meisten Folafformenin der Nahrung sind instabil. Frisches, bei Zimmertemperatur gelagertes Blattgemüse kann innerhalb von 3 Tagen bis zu 70% seiner Folalaktivität verlieren. Beträchtliche Verluste entstehen auch durch Übergang ins Kochwasser (bis zu 95%) sowie durch Erhitzen.
Tetrahydrofolsäure, die aktive Form der Folate im Körper, wirkt als Kofaktor in zahlreichen essentiellen Stoffwechselreaktionen. Sie spielt eine bedeutende Rolle im Metabolismus der Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine. Ebenso ist sie an der Synthese von Nukleinsäuren, den Trägern der genetischen Information in der Zelle, wie auch an der Blutzellbildung und einiger Bestandteile des Nervengewebes beteiligt. Folsäure ist daher essentiell für ein normales Wachstum und die optimale Funktion des Knochenmarks und des Nervensystems. Folatmangel ist mit der am meisten verbreitete Vitaminmangel. Er kann durch ungenügende Aufnahme, gestörte Resorption, Stoffwechselstörungen, sowie durch erhöhten Bedarf hervorgerufen werden. Die Diagnose eines subklinischen Mangels hängt von der Nachweisbarkelt reduzierter Mengen im Gewebe oder von anderen biochemischen Nachweisen ab, da hämatologische Veränderungen in der Regel fehlen und Blutplasmaspiegel keine verläßlichen Indikatoren sind. Der Zustand eines Folatmangels kann sich innerhalb von 1 bis 4 Wochen einstellen Abhängig von Ernährungsgewohnheiten und Körperreserven des Vitamins. Frühe Symptome eines Folatmangels sind unspezifisch, sie schließen Müdigkeit, Reizbarkeit und Appetitlosigkeit ein.
Schwerer Folatmangel führt in fast allen Fällen in kurzer Zeit zu megaloblastischer Anämie, einem Zustand, in dem das Knochenmark vergrößerte, unreife Blutkörperchen bildet. Die klinischen Symptome sind variabel und hängen von der Schwere der Anämie und der Stärke des Ausbruchs ab. Eine unbehandelte megaloblastische Anämie kann fatale Folgen haben. Akuter Mangel (z. B. nach Gabe von Folatantaponisten) kann sich durch Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall äußern. Schmerzhafte Geschwüre in Mund und Rachen, sowie Hautveränderungen und Haarausfall können außerdem auftreten.
Allgemeine Symptome eines chronischen Folatmangels sind Müdigkeit, sowie Energie- und Antriebslosigkeit. Ebenso können sich Entzündungen im Mund und auf der Zunge entwickeln. Ein Mangel während der Schwangerschaft kann zur Frühgeburt und/oder Mißbildungen beim Neugeborenen führen. Bei Kindern kann das Wachstum verzögert und die Pubertät verspätet sein. Folatmangel wurde außerdem mit neurologischen Störungen, wie Depressionen und geistiger Verwirrung (Demenz) in Verbindung gebracht.
Folatmangel ist in weiten Teilen der Welt sehr verbreitet und ein Teil des allgemeinen Problems der Unterernährung. In Industrieländern ist durch die Ernährung bedingter Folatmangel vor allem in ökonomisch schlechter gestellten Gruppen, z. B. bei älteren Menschen, anzutreffen. Eine verminderte Folataufnahme findet man häufig auch bei Personen, die eine bestimmte Diät (z. B. gewichtsreduzierende Diät) einhalten. Erkrankungen des Magens (z. B. atrophische Gastritis) und des Dünndarms (z. B. Zöliakie, Sprue, Morbus Crohn) können in Folge einer verminderten Resorption zu Folatmangel führen. Bei Erkrankungen, die einen hohen Zellumsatz bedingen (z. B. Krebs, gewisse Anämien und Hautstörungen), erhöht sich der Folatbedarf. Dies ist während der Schwangerschaft aufgrund schnellen Gewebewachstums und während der Stillzeit aufgrund von Verlusten durch die Muttermilch ebenso der Fall. Personen unter medikamentöser Behandlung, z. B. bei Epilepsie, Krebs oder Infektionen, weisen ein hohes Risiko auf, einen Folatmangel zu entwickeln. Dies gilt auch für Frauen, die orale Empfängnisverhütungsmittel verwenden und für Patienten mit Nierenversagen, die einer regelmäßigen Hämodialyse bedürfen. Akuter, innerhalb kurzer Zeit auftretender Folatmangel wurde bei Patienten unter Intensivpflege, besonders jenen mit ausschließlich parenteraler Ernährung beobachtet.
Empfehlungen zur täglichen Aufnahme von Folaten wurden in 27 Ländern formuliert, wobei viele von ihnen den Empfehlungen des Lebensmittelund Ernährungsausschusses (Food and Nutrition Board) des nationalen Forschungsrats der USA (US National Research Council) folgen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt als Richtwerte an: 40 pg FolatAquivalente/Tag für den Säugling, 80-120 p9 für Kinder und 160 1l9 für Jugendliche und Erwachsene. Schwangere sollten eine Zulage von nochmals 160 1lg/Tag erhalten, Stillende 80 pg zusätzlich. Von einigen Fachleuten werden für Schwangere und Stillende auch höhere Mengen (bis zu 600 pg) empfohlen.
Folsäure alleine oder in Kombination mit anderen Vitaminen oder Mineralien (z. B. Eisen), wird sowohl in oralen Zubereitungsformen, als auch in wäßriger Lösung zur Injektion angeboten. Da die Säure nur schwach wasserlöslich ist, werden Folatsalze für die Herstellung flüssiger Darreichungsformen verwendet. Folinsäure (auch als Leucovorin oder Citrovorumfaktor bekannt) ist ein Derivat der Folsäure, das zur intramuskulären Injektion eingesetzt wird, um die Wirkung von Inhibitoren der Dihydrofolatreduktase, wie Methotrexat, zu umgehen. In anderen Fällen der Vorbeugung oder Behandlung von Folatmangel ist ihre Verwendung nicht angezeigt.
Oral aufgenommene Folsäure ist für den Menschen nicht toxisch. Selbst für tägliche Dosen von 15 mg gibt es keine stichhaltigen Berichte einer toxischen Wirkung. Ebenso wurde eine Menge von täglich 10 mg über 5 Jahre hinweg ohne nachteilige Effekte eingenommen. Andererseits wurde beobachtet, daß hohe Folsäuredosen einer antiepileptischen Medikation entgegenwirken können und so die Häufigkeit von epileptischen Anfällen bei betroffenen Patienten erhöhen. Ferner wurde berichtet, daß hohe Folsäuredosen die Zinkresorption beeinträchtigen können. Die Aufnahme hoher Folsäuremengen kann einen Vitamin B 12-Mangel verdecken. Sie sollten daher Patienten mit Anämien nicht wahllos verabreicht werden, sondern nur unter eindeutiger Diagnosestellung, da bei bestehendem Vitamin B 12-Mangel das Risiko einer Schädigung des Nervensystems besteht.
Folsäure wird einer Vielzahl von Lebensmitteln zugesetzt. Die wichtigsten davon sind Frühstücksgetreideprodukte, alkoholfreie Getränke und Säuglingsnahrung.