Die offizielle Bezeichnung für die biologisch aktive Form des Vitamin B 2 ist Riboflavin. Als historisch sind heute u.a. Bezeichnungen wie Lactoflavin, Ovoflavin oder Uroflavin anzusehen. Die meisten dieser früheren Namen deuten auf das Ausgangsprodukt hin, aus dem das Vitamin ursprünglich isoliert wurde, zum Beispiel Milch, Eier oder Urin.
Riboflavin ist eines der am weitesten verbreiteten Vitamine. Es ist in allen pflanzlichen und tierischen Zellen enthalten, allerdings gibt es nur wenige sehr ergiebige Quellen. Hefe und Leber weisen die höchsten Konzentrationen auf, wobei für die normale Ernährung jedoch Nahrungsmittel wie Milch, Milchprodukte, Fleisch, Eier und grüne Blattgemüse die wichtigsten Riboflavinlieferanten sind. Cerealien, die an sich wenig Riboflavin enthalten, spielen dann eine Rolle, wenn sie Hauptbestandteil der täglichen Nahrung sind. Angereicherte Cerealien liefern entsprechend gröbere Mengen. Riboflavin wird aus Nahrungsmitteln tierischer Herkunft besser resorbiert als das aus pflanzlichen. In Kuhmilch, Schafs- und Ziegenmilch liegt Riboflavin zu über 90% in freier Form vor, in den meisten anderen B 2-Quellen ist es an Proteine gebunden.
Riboflavin ist hitzestabil; dementsprechend wird es durch den üblichen Kochprozeß nicht ohne weiteres zerstört - es sei denn, das Nahrungsmittel wird dem Licht ausgesetzt. Unter Lichteinwirkung können dann bis zu 50 % des Vitamins verlorengehen. Gewisse Verluste können sich auch durch Auslaugen ins Kochwasser ergeben. Aufgrund der Lichtempfindlichkeit des Riboflavins sinkt zum Beispiel sein Gehalt in der Milch in kurzer Zeit auf extrem niedrige Werte, wenn diese in Glasflaschen dem Sonnenlicht oder hellem Tageslicht ausgesetzt wird (85 % Verlust in 2 Stunden). Auch das Sterilisieren der Lebensmittel mittels Bestrahlen oder Behandeln mit Ethylenoxid kann zur Zerstörung des Riboflavins führen.
Bestimmte Arzneimittel wie zum Beispiel das g-Strophanthin (ein Glykosid zur Behandlung der Herzinsuffizienz), das Theophyllin (wirkt relaxierend auf die glatte Muskulatur, außerdem diuretisch und zentral stimulierend), Penicillin oder Borsäure verdrängen Riboflavin aus seiner Proteinbindung und hemmen somit den Transport in das Zentralnervensystem. Probenecid (ein Gichtmittel) beeinträchtigt die gastrointestinale Resorption und die tubuläre Sekretion des Riboflavins über die Nierenkanälchen. Promazin (ein Neuroleptikum) ist strukturanalog zum Riboflavin; es verhindert somit die Einlagerung des Riboflavins zur Bildung von FAD. Andere Arzneimittel, bei denen negative Effekte auf die Resorption oder den Stoffwechsel des Riboflavins diskutiert werden, sind Phenothiazine (bedeutende Tranquilizer), Barbiturate, Streptomycin (Antibiotikum) sowie orale Kontrazeptiva. Der Antagonist Galaktoflavin wird experimentell eingesetzt, um die Entwicklung eines Riboflavinmangels zu beschleunigen.
Riboflavin spielt in Form seiner Coenzym-Formen FAN und FAD eine essentielle Rolle bei einer Vielzahl lebensnotwendiger Oxidoreduktionsmechanismen im Körper. So ist es an zahlreichen Reaktionen des Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinstoffwechsels beteiligt und über die Atmungskette auch an der Energiegewinnung. Die Riboflavin-Coenzyme sind sowohl für die Umwandlung von Pyridoxin (Vitamin B 6) und Folsäure in ihre Coenzymformen erforderlich als auch für die Niacinsynthese aus Tryptophan.
Offenkundige klinische Symptome eines Riboflavinmangels werden auch in den Entwicklungsländern selten gesehen. Jedoch ist der subklinische Mangel, der durch verschiedene biochemische Veränderungen gekennzeichnet ist, häufig. Bei Kindern läßt sich dies an einem unzureichenden Längenwachstum erkennen. Ein Ribollavinmangel kommt selten isoliert vor, im allgemeinen tritt er in Kombination mit einem allgemeinen Mangel an wasserlöslichen Vitaminen auf.
Bei Freiwilligen experimentell erzeugter Riboflavinmangel führte zu Glossitis (Zungenentzündung, typisch: Magentazunge, Landkarten-Zunge), Mundwinkelentzündung (Fissuren in den Mundwinkeln), Pruritus (Juckreiz), Hautschoppen und seborchoischer Dermatitis (Hautekzemen), insbesondere des Skrotums (Hodensacks). Auch kann es unter Riboflavinmangel zu einer Gefäßbildung in der Hornhaut kommen, die dann mit Lichtempfindlichkeit, Sehverschlechterung, Juckreiz und Sandkorngefühl im Auge einhergeht. Jedoch ist bis heute der direkte Zusammenhang zwischen diesen Symptomen und dem Mangel nicht klar nachgewiesen. Untersuchungen, in denen der Riboflavin-Antagonist Galaktollavin verwendet wurde, haben Veränderungen ergeben, die man unter einem ernährungsbedingten Mangel nicht fand. Die Symptomatik umfaßte unter anderem normozytäre, normochrome Anämien und periphere Neuropathien der Extremitäten (Stechen, Brennen, Kältegefühl, Schmerzen). Man nimmt auch an, daß Riboflavinmangel eine teratogene Wirkung hat, da trächtige Ratten, denen suboptimale Riboflavinmengen gefüttert wurden, Junge mit vielfältigen Anomalien zur Welt brachten.
Ein Riboflavinmangel kann in der Folge eines Traumas auftreten, einschließlich Verbrennungen oder Operationen. Auch findet man ihn häufiger bei Patienten mit chronisch kräftezehrenden Erkrankungen (z.B. rheumatischem Fieber, Tuberkulose, subakuter bakterieller Endokarditis), bei Diabetes, Schilddrüsenüberfunktion oder Leberzirrhose. Weitere Risikogruppen sind ältere Menschen, Frauen unter Einnahme oraler Kontrazeptiva, Menschen, die keine Milch und Milchprodukte zu sich nehmen, ferner Kinder und Heranwachsende aus niedrigem Einkommensschichten, Kinder mit chronischen Herzerkrankungen sowie Kinder, die sich einer längeren Lichttherapie wegen einer Hyperbilirubinämie unterziehen müssen. Eine Malabsorption kann als Folge von gastrointestinalen Erkrankungen wie Sprue, Zöliakie, intestinalen Obstruktionen (Verschlüssen, Verengungen usw.), Dünndarmresektionen, Durchfällen, Enteritiden, Gallengangsverschluß oder irritablem Kolon auftreten. Die Auswirkungen einer niedrigen Riboflavinaufnahme können durch chronischen Alkoholkonsum oder chronischen Streß verschlimmert werden.
Empfehlungen für die tägliche Aufnahme von Riboflavin existieren in 38 Ländern. Die Werte für männliche Erwachsene liegen im Mittel zwischen 1,2 und 2,2 mg pro Tag. Die Empfehlungen basieren auf langfristigen Untersuchungen an Erwachsenen, in denen bei einer Ernährung mit 2200 kcal/Tag die schrittweise Erhöhung der Riboflavinzufuhr von 0,55 mg/Tag auf 1,1 bis 1,6 mg/Tag einen deutlichen Anstieg der 24-Stunden-Ausscheidung bewirkte. Bei einer Menge von 0,55 mg/Tag zeigen sich in der Regel Mangelsymptome; der Anstieg der Ausscheidung hingegen deutet auf eine zunehmende Sättigung der Gewebe hin und somit auf eine ausreichende Versorgung. Bei einer Zufuhr von 0,6 mg pro 1000 kcal kam es zu einer im Referenzbereich liegenden Stimulierung des FAD. Aus diesen Daten und unter Einbeziehung eines Sicherheitszuschlags sind die Empfehlungen für die Zufuhr entwickelt worden. Dementsprechend lauten die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 1,7 -1,8 mg/Tag für männliche Erwachsene und Jugendliche, 1,5 -1,7 mg/Tag für weibliche Erwachsene und Jugendliche. Die Werte für Säuglinge und Kinder liegen zwischen 0,3 und 1,5 mg. Zuschläge werden für Schwangere (0,3 mg/Tag) und Stillende (0,8 mg/Tag) berechnet.
Riboflavin gibt es als orale Präparation (als Monosubstanz oder in Multivitamin- und Multivitamin/Mineralstoff-Kombinationen) und als Injektionslösung. Kristallines Riboflavin ist schlecht wasserlöslich so daß eine Phosphatverbindung entwickelt wurde, die bei flüssigen Rezepturen zum Einsatz kommt. Auch FMN, das im kommerziellen Bereich zur Verfügung steht, ist gut wasserlöslich.
Ribollavin gehört zu den Vitaminen, die häufig Getreideprodukten zugesetzt werden, um die herstellungsbedingten Verluste zu kompensieren. Auch wird es zur Anreicherung von Getränken, Cerealien und diätetischen Lebensmitteln verwendet.
Riboflavin wird zur Färbung von Lebensmitteln, z.B. in Getränkepulver und Dessertprodukten verwendet. Wegen seiner gelben Farbe wird Riboflavin teilweise auch Medikamenten oder Infusionslösungen als Marker beigegeben. Eine starke Gelbfärbung des Urins zeigt dem Arzt an, daß das Medikament genommen wurde. Die Gelbfärbung der Infusionslösung läßt erkennen, daß das betreffende Medikament zugesetzt wurde.