So richtig relaxen, sich fallen lassen, nichts tun - nichts leichter als das? Irrtum! Richtig entspannen ist eine hohe Kunst und will gelernt sein. Denn anfangs können sich beim Bemühen um Lockerheit die Muskeln verkrampfen, die Gedanken ins Kreisen kommen und die Seele in Unordnung geraten.
Etwa 30 bis 60 Prozent der Bevölkerung leiden unter psychovegetativen oder nervösen Spannungen. Das wissen die Ärzte. Sprechen sie ihre Patienten auf seelische Ursachen an, bei denen Pillen nicht helfen, ernten sie allerdings oft Unverständnis. Dabei heißt »seelisch« ganz und gar nicht »eingebildet« (oder Schlimmeres …). Menschen mit sogenannten »vegetativen Störungen« leiden wirklich. Deshalb raten Ärzte ihren Patienten mehr und mehr, Entspannungstechniken zu erlernen.
Techniken wie autogenes Training sollen anfangs nicht ohne Anleitung geübt werden. Kurse in verschiedenen Entspannungstechniken wie _autogenes Training,__Biofeedback_, _Progressive Relaxation_oder _Feldenkrais_werden von psychologischen Instituten oder Volkshochschulen angeboten. Meist fällt es in der Gruppe leichter, die Übungen zu erlernen, und Mißempfindungen, falls sie auftreten sollten, kann man hier besprechen. Auch sollte die Technik herausgefunden werden, die für den eigenen Körper und Erlebnistyp die geeignetste ist. Zwar ist das Ziel immer dasselbe: Entspannung. Doch die Wege dahin sind vielfältig. Deshalb: Stellt sich der Erfolg nicht ein, tritt gar Unbehagen auf: nicht resignieren, sondern es mit einer anderen, geeigneteren Technik versuchen. Dies läßt sich mit einer erfahrenen Therapeutin oder einem Therapeuten besprechen.
Wohltuende körperliche Empfindungen wahrzunehmen ist vielen Menschen unserer Industriekultur verlorengegangen. Daß der Körper funktioniert, setzt man stillschweigend voraus. Bricht die Mechanik zusammen, sorgt unsere High-Tech-Medizin in kürzester Zeit dafür, daß alles wie gewohnt weiterläuft. Eine Pille - und schon wieder fit! Trugschluß - Kurzschluß - irgendwann spielen Körper und Seele nicht mehr mit. Kopfweh, Rückenschmerzen, ständige Erkältungen, Verstopfung, Durchfälle, Magendrücken, Schlafstörungen - später das Geschwür, der Kreislaufkollaps oder Schwindel, Benommenheit, Erschöpfung, Herzinfarkt - Ende der Anspannung - oft sogar endgültig!
Verspannungen, unter denen viele Menschen leiden - und die sich in den »Betriebsstörungen« äußern, die anfangs bagatellisiert werden -, beziehen den ganzen Menschen mit ein. Das Organ, das schließlich erkrankt, gibt nur ein Signal einer umfassenden Störung. Verkrampfungen betreffen immer mehrere Bereiche gleichzeitig: Muskeln, Kreislauf, Nerven, Hormone, Verstand und Seele. Sie äußern sich in Schmerzzuständen, Ängsten oder dem »Nicht-abschalten-Können«. Am Schluß steht das Gefühl des »burn-out«. Abgespannt - ausgebrannt.
Entspannungstechniken ermöglichen, diese Blockaden zu lösen. Die Einheit von Körper und Seele kann sich wiederherstellen. Durch das Lernen, den Körper wieder positiv - nämlich wohltuend - zu spüren, können sich körperliche und seelische Verkrampfungen lösen und durch positives Erleben ersetzt werden.
Entspannung muß deshalb gründlich erlernt werden, weil davon Funktionen betroffen werden, die von Natur aus willentlich zunächst nicht beeinflußt werden können. Das ist wohl auch gut so. Müßten wir uns um jeden Herzschlag und jede Darmbewegung Gedanken machen, wären wir wohl nicht lebensfähig! Sinnvoll ist jedoch, über den Willen gestörte Funktionen günstig zu beeinflussen. So werden Kreislauf-, Muskel- und Organsysteme über die konzentrative Beeinflussung des »Vegetativums«, des von Natur her »unwillkürlichen« Nervensystems, beeinflußbar.
Geeignet zum Selbst-Ausprobieren und um sich einen ersten Eindruck vom autogenen Training zu verschaffen, ist die »Wärmeübung«: Die Anfangsformel lautet - beim lockeren bequemen Sitzen oder im flachen Liegen -: »Mein Arm (Bein/Bauch/Rücken …) wird ganz warm …« Die Blutgefäße werden sich allmählich weiten, die Körperwärme aus dem Inneren des Körpers erreicht die Fingerspitzen. Wer unter Ängsten leidet, friert - Wärme vertreibt das Angstgefühl. Gerade Ungeübte erstaunt es, wenn es erstmals gelingt, die Wärmeempfindung zu erzeugen. Eines erfordern diese Techniken allerdings: Geduld. Geübt werden sollte anfangs täglich: Die Übungszeit selbst darf kurz bemessen bleiben - 10 bis 15 Minuten genügen, die Regelmäßigkeit macht’s.