Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hat sich dem Thema Alkohol und Fahrrad angenommen, denn ihre Vertreter kennen die Verletzungen durch Fahrradunfälle besser als viele andere. Mehr noch, sie sind gefordert, die Blessuren wieder zu beheben. 60 % aller Fahrradunfälle bedingen Arm- oder Beinverletzungen, die oft schwerwiegenderen Kopfverletzungen betragen immerhin gut 25 Prozent 1 .
Kein Wunder also, dass das Credo der Unfallchirurgen auch, oder gerade für Radfahrer lautet: “Wer fährt, der trinkt nicht und wer trinkt, der fährt nicht. Denn wer als Radler auf Alkohol nicht verzichten möchte, sollte sein Fahrrad lieber nach Hause schieben oder notfalls stehen lassen. Nicht benötigt ein Fahrradfahrer mejr, als einen funktionierenden Gleichgewichtssinn und die damit verbundene Reaktionsfähigkeit. Doch beides wird durch Alkoholkonsum beeinträchtigt. Wie schwer, hängt von der Menge des Alkohols ab, aber “…die wenigsten können einschätzen, ab welchem Blutalkohol-Wert sie nicht mehr sicher auf dem Fahrrad unterwegs sind. Die meisten überschätzen sich und bringen damit sich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr“, sagt Professor Reinhard Hoffmann, stellvertretender Generalsekretär der DGOU.
Betrachtet man sich die Daten des Statistischen Bundesamtes, so verunglückten im Jahr 2013 insgesamt 71.420 Fahrradfahrer im Straßenverkehr. 3.432 von ihnen standen dabei unter Alkoholeinfluss. Man schätzt jedoch, dass die durch alkoholbedingten Fahrradunfälle von einer weit höheren Dunkelziffer sind, denn nicht immer wird der Notarzt zu Hilfe gerufen. 1,6 Promille sind in Deutschland für Fahrradfahrer im Straßenverkehr straffrei, solange sie dabei den Verkehr nicht gefährden oder sichtbare Ausfallerscheinungen zeigen. Ist das der Fall, beispielsweise weil der zweirädrige Verkehrsteilnehmer starke Schlängellinien fährt, kann bereits beim Nachweis von einem Blutalkohol-Wert ab 0,3 Promille ein Straftatbestand vorliegen.
Doch die Orthopäden und Unfallchirurgen sind mit dem Wert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,6 Promille für Fahrradfahrer nicht glücklich. Denn, so Dr. Christian Juhra, Mitglied der Sektion Prävention der DGOU: „Ausfallerscheinungen gibt es schon bei niedrigeren Blutalkoholwerten. Betroffene können nicht mehr richtig einschätzen, wie weit ein anderer Verkehrsteilnehmer entfernt ist oder mit welchem Tempo er auf ihn zukommt. Außerdem sind die Schutzreflexe im Falle eines Sturzes eingeschränkt“. Insbesondere die Münsteraner Fahrradunfallstudien des UKM und der Polizei Münster haben gezeigt, dass schon einfache Stürze unter Alkoholeinfluss zu Verletzungen führten, die stationär behandelt werden mussten, und dass die Mehrzahl der alkoholisierten Verkehrsteilnehmer Fahrradfahrer waren.
Autofahrer riskieren sie im Unterschied zu den Radlern bereits ab einem Blutalkohol-Wert von 0,5 Promille eine Ordnungswidrigkeit, der Wert für die absolute Fahruntüchtigkeit liegt bei 1,1 Promille. „Die unterschiedlichen Promille-Grenzen zwischen Auto- und Radfahrern führen zu einem falschen Bewusstsein. Viele lassen richtigerweise das Auto stehen, nehmen dann aber das Fahrrad, um zur Party hin und wieder zurück zu kommen. Sie riskieren schwere Verletzungen, wenn sie alkoholisiert stürzen“, sagt Dr. Juhra.
TIPP:
Quellenangaben:
Bicycle accidents – Do we only see the tip of the iceberg? A prospective multi-centre study in a large German city combining medical and police data, Injury. 2012 Dec; 43[^12]::2026-34 ↩