Wenn man Iren fragt, was sie über Strandhill wissen, fällt den meisten zuerst ein, dass man dort gut Wellenreiten kann. Für die Bewohner des nahe gelegenen Städtchens Sligo ist das einstige Fischerdorf an Irlands rauer Nordwestküste das Bade- und Freizeitdomizil schlechthin. Surfschulen, Yachthafen, Golfplatz und die zahlreichen Restaurants sind im Sommer stets gut besucht.
Viele verbinden den Namen Strandhill auch mit Knocknarea. Der 327 Meter hohe Berg, an dessen Fuß das Örtchen liegt, gilt als letzte Ruhestätte der sagenhaften Kriegskönigin Méabh (auch Maeve) von Connacht. In voller Schlachtmontur, stehend und mit dem Gesicht gen Norden – zu ihren Feinden in Ulster gewandt – soll die streitsüchtige Dame in einem gewaltigen Steinhügelgrab auf dem Gipfel beerdigt worden sein.
Nach wie vor sind Königsgrab, Badespaß und Wassersport triftige Gründe, nach Strandhill zu reisen. Doch ein weiterer ist in den letzten Jahren hinzu gekommen: Seetang. Und der lockt immer mehr Wellness-Urlauber in das verträumt wirkende Nest am Atlantik, das in Wahrheit recht ausgeschlafen ist.
Was im ersten Moment nach einem neumodischen Spleen klingt, hat – zumindest in Irland – eine lange Tradition. „Schon vor mehr als 300 Jahren gab es hier Badehäuser, in denen man Algen nutzte, um Muskeln zu entspannen, die Blutzirkulation zu erhöhen, den Körper zu entgiften, alternder, ausgetrockeneter Haut natürliche Feuchtigkeit und Frische zurückzugeben und zu regenieren oder Heilprozesse zu fördern“, erklärt Neil Walton, während er, wie viele Male täglich, ein Algenbad vorbereitet.
Die „Voya Seaweed Baths“, die der studierte Sportwissenschaftler 2000 zusammen mit seinem Bruder Mark in Strandhill eröffnete, sind Irlands erstes Algenbadehaus der Neuzeit und die erste Neueröffnung seit 100 Jahren. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten um die 300 dieser Einrichtungen auf der ganzen Insel, neun davon allein in dem winzigen Strandhill. Das schloss 1961, nachdem es vom Hurrikan Debbie zerstört worden war.
Während warmes Wasser in die Wanne läuft, gibt der Spa-Experte mehrere Arme voll handgeernteten Seetang hinzu. Die gelblich-braunen Großalgen der Spezies Fucus serratus sind glitschig und haben eine gummi- bis lederartige Konsistenz. Wegen ihrer gezackten Ränder auf deutsch auch „Sägetang“ genannt, erinnern sie zugleich mit ihren flachen, fingerförmigen Blättern an die Schwimmfüße von Wasservögeln.
Ihr starker Meeresgeruch verbreitet sich in dem „algenfarbig“ gekachelten Raum. „Manche Gäste vergleichen das Seetang-Bad mit einer Fahrt über den Atlantik“, sagt Neil und lass mich selber auf die Reise gehen.
Eine anfängliche Dampfbehandlung hilft den Poren, sich zu öffnen, um die wertvollen Nährstoffe der maritimen Heilpflanzen besser aufnehmen zu können. Der allererste Moment ist nicht der angenehmste. Doch nachdem sich meine Haut an das schleimige Unterwasserkraut gewöhnt hat, fühle ich mich wie die kleine Meerjungfrau in ihren besten Tagen: mopsfidel und sorgenfrei, in den Wellen und Tiefen des Ozeans daheim. Ein Fischschwanz wächst mir zum Glück nicht.
Wunderbar belebt, entspannt und gut gelaunt, mit babyweicher, glatter Haut und seidig weichen Haaren steige ich nach 50 Minuten aus der Wanne. Das hat Suchtpotenzial!
Neil Walton freut sich und versichert mir lachend: „Sie wären der erste gewesen, dem es nicht gefallen hat.“ Und das will was heißen bei den hohen Gästezahlen der „Voya Seaweed Baths“! Die meisten kommen nicht, nur um in den Algen zu baden. Denn die Waltons nutzen die in den Pflanzen gespeicherte Kraft des Ozeans auch für hochwertige Kosmetikprodukte ohne jegliche chemische Zusätze. Verwendet werden dafür außer handgeerntetem Seetang aus Strandhill nur andere Biorohstoffe bester Qualität wie Sheabutter, Bienenwachs, Totes-Meer-Salz und Aloe Vera.
„Um die Wirkstoffe des Seetangs zu gewinnen, verwenden wir ein komplexes Verfahren, das wir in langjähriger Forschung mit unzähligen Tests entwickelten. Dabei handelt es sich um eine Nachahmung des natürlichen Konservierungsvorgangs der Algen, mit denen sie sich zwischen Ebbe und Flut vor dem Austrocknen schützen“, so Neil Walton. Verbunden mit anderen positiven Eigenschaften der Meerespflanzen, übertrage man ihre feuchtigkeitserhaltende und zellerneuernde Wirkung auf die Hautpflegeprodukte und halte sie damit selbst „lebendig“.
Früh geprägt durch seinen Vater Michael, der als einer der ersten Öko-Landwirte in Irland die Bio-Bewegung dort maßgeblich mitbestimmte und sich seit Jahrzehnten mit Meeresalgen beschäftigt, lernte der aktive Triathlet Neil Walton den Seetang als ein Geschenk der Natur zu schätzen. Nachdem er sich eine schwere Sportverletzung zugezogen und sie erfolgreich mit Algenbädern behandelt hatte, beschloss er, ein eigenes Seetang-Spa aufzubauen. Bereits im Eröffnungsjahr 2000 kamen 12.000 Gäste. Seitdem steigt diese Zahl jedes Jahr kontinuierlich.
Das Seetang-Spa in Strandhill bei Sligo ist geöffnet montags und dienstags von 12 bis 20 Uhr, mittwochs bis freitags von 11 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 20 Uhr. Ein 50-minütiges Voya-Entgiftungs-Seetang-Bad mit Dampf kostet 25 Euro für eine Person, 35 für zwei. Das Spa-Menü beinhaltet neben Bädern diverse Körperpackungen, Facials, Massagen und viele Spezialbehandlungen. Eine 20-minütige Voya-Massage kostet 40, eine 50-minütige 65 Euro. Sehr beliebt ist der „Mermaid’s Purse Body Wrap“ (50 Minuten für 85 Euro). Weitere Informationen unter www.voyaseaweedbaths.com
Sligo Park Hotel , Pearse Road.
Restaurant-Tipp: Reidy’s Wine Bar & Bistro, Stephens Street, Sligo, anschließend ab 21.30 Uhr irische Livemusik in der Harp Tavern , Quay Street
Strand Bar: Strandhill Bar
Akivitäten: Wellenreiten können Anfänger und Fortgeschrittene mit der Perfect Day Surf School in Strandhill.
Welche leckeren und gesunden Gerichte, Snacks und Drinks man aus frischem oder getrocknetem Seetang zaubern kann, lernt man in der Seaweed Cooking School in The Organic Centre, Rossinver, Co. Leitrim.
Allgemeine Auskünfte zu Reisen auf die grüne Insel erteilt Irland Information in Frankfurt.