Mit sanften Lockerungsübungen steigen wir ein in den ersten Skitag. Erste Lektion: Körper wahrnehmen und ihm vertrauen. Mit geschlossen Augen bewegen wir uns langsam vor und zurück. “Achtet auf die Füße, spürt, wie sie euch tragen und Verbindung zum Boden halten”, lautet Monika´s fast geflüsterte Aufforderung. Auf Kissen und Decken liegend versuchen wir unter Anleitung der Physiotherapeutin die Sinne zu schärfen und die Muskeln zu entspannen.
Noch ein warmer Tee anschließend und hinaus geht es Richtung Piste. Ohne Anstehen am Lift und Drängeln beim Ausstieg nehmen wir den “Dialog mit Piste und Schnee” auf, dem Spiel mit Schwer- und Fliehkräften”. Mit seiner ganzheitlichen Lernmethode verbindet Skilehrer Michael die Inhalte herkömmlicher Skikurse mit zeitgemäßer Bewegungslehre. Gemeinsam mit Pädagogen und Bergführern hat der Profi, der im Sommer als Choreograph und Tänzer arbeitet, seine Gelenke schonenden und Kräfte sparenden Kurse entwickelt. Schrittweise sollen sich die Teilnehmer die komplexen Bewegungsabläufe des Skifahrens erarbeiten, sodass sie am Ende der Woche unbeschwert leicht bergab wedeln, tänzerisch quasi.
Zur Philosophie genüsslichen Skifahrens gehört für Widmer auch die beschauliche Umgebung. Deshalb hat er für die Kurse seines “Skiprojekts” auch die boden-ständigen Orte Au-Schoppernau gewählt. Hier lässt es sich ganz stressfrei üben, ohne lärmende Hully-Gully Beschallung und vorbei rauschende Speed-Cracks. Für Kurs-teilnehmer Thomas etwa war das ein entscheidendes Kriterium, den Wieder-einstieg in seinen früheren Lieblingssport zu wagen. Auch die anderen drei Männer und vier Frauen der Gruppe wollen über “Österreichs ungewöhnlichsten Skikurs”, so die Eigenwerbung, Ängste und Blockaden überwinden und so nach längerer Pause wieder mit Lust Ski fahren. Oder überhaupt mal entspannt die Hänge hinunter kommen, wie die Mittfünfzigerin Monika, die seit Jahren verkrampft mit dem Tempo ihrer Familie mitzuhalten versucht. “Schneller fahren und dabei noch eine gute Figur machen, das wär´ mein Wunsch,” sagt sie.
Die meisten der bisher etwa 100 Teilnehmer pro Saison, haben verinnerlicht, “Skifahren sei ein Kampf mit dem Gelände und der Kurventechnik”, meint Michael und versichert: “Sobald man sich davon befreit, ist Skisport die beste Winterwellness”. Der schonendeBewegungsablauf und das sanfte bergab Gleiten in herrlicher Schneelandschaft sei pure Erholung für Körper, Geist und Seele.
Mit jedem Übungstag kommen wir dem Ziel, das Gewicht richtig in die Kurven zu legen, dabei Schultern und Kniegelenke präzise zu steuern und vor allem die Muskeln nicht zu verkrampfen, ein Stück näher. So schwerelos wie Herr Widmer mit seinem absoluten Gespür für den “Tanz” im Schnee werden wir allerdings nie die Hänge hinunter schweben. Das macht aber nichts. Beim abschließenden Entspannen in der wohligen Wärme desGemeinderaums von Au fühlen wir uns rundum zufrieden mit den kleinen Erfolgserlebnissen, die sich am Ende der Woche wie ein innerer Sieg über die ängstliche Verkrampfung anfühlen.
Das sanfte Tourismuskonzept des Bregenzerwaldes passt haargenau zum Unterrichtsgedanken von Widmers behutsamen Skilektionen. Kein bombas-tischer Hotelkasten oder hektisches Urlaubsghetto stört den Charakter der gewachsenen Dörfer. Statt dessen bestimmen traditionelle, holzgeschindelte Häuser das Bild in den überschaubaren Ortschaften. So können sich Urlauber und Einheimische in einem harmonischen Miteinander begegnen. Das hat dem Bregenzerwald für seine intakten Dorf-strukturen denn auch einen Platz auf der Unesco-Liste der “Denkmäler und Ensembles in Zusammenhang mit Kulturlandschaft” eingebracht.
Neben dem entspannten Wedeln über die Pisten zählen Wanderungen durch die gleichsam unberührte Landschaft zu den besonderen Erlebnissen. Der Bregenzerwald mit seinen 400 Kilometern vorbildlich präparierten und ausgeschilderten Winter-wanderwegen gilt als Pionierregion in Österreich. Die Hälfte davon führt durch Höhenlagen zwischen 500 und 2000 Metern. In eine der beliebstesten Routen können wir direkt in Au-Schoppernau einsteigen. Durch das reizvolle Dürrenbachtal stapfen wir zur Bergkristallhütte und weiter entlang dem hochaufragenden Felsmassiv des Zitterklapfenstockes. Für den Rückweg nehmen wir, ganz rasant, die Rodelschlitten-Variante.
Anschließend lockt das Gasthaus, wo man nach soviel Bewegung in der reinen Schneeluft die nahrhafte Hausmannskost guten Gewissens genießen kann. Meist sind es einfache und bodenständige Gerichte, die in den oft von alteingessenen Familien betriebenen Wirtschaften auf die Tische der gemütlichen Gaststuben kommen. Etwa die Käsknöpfle aus der gusseisernen Mammut-pfanne. Nach sportlichen Tagen in klirrender Kälte sind sie besonders lecker. Doch auch Lukullus kommt nicht zu kurz, denn mancher Koch der Gegend hat der einheimischen Küche schon ungeahnte Nuancen entlockt und sich dabei einen Michelinstern verdient. Die Hauptsache, die Kriterien, des umweltfreundlichen Gesamtkonzeptes stimmen: Die traditionellen Speisen sollen hauptsächlich ausProdukten der Region zubereitet sein und preislich in einem angemessenen Rahmen bleiben. Schließlich versteht sich der Bregenzerwald als ein erholsames Refugium und nicht als Schicki-Micki-Ressort.
Wiedereinsteigerkurse jeweils im Januar und März, Preis für den einwöchigen Ski!Spezial Kurs für Wiedereinsteiger/innen: 590 € incl 6-Tagesskipass.
Preis für Unterkünfte in Au-Schoppernau: Bauernhof ab 18.50 € pro Person und Tag incl. Frühstück, komfortables 4-Sterne-Hotel zwischen 59 und 94 € pro Person und Tag incl. Halbpension.