Henry hat ein Problem. „Dieser Gaul denkt, er sei ein Mensch“, erklärt Bryan, „am liebsten mag er Guinness und Cornflakes.“ Bryan arbeitet für die Familie Clissmann, die im Irischen County Wicklow eine Stunde südlich von Dublin entfernt seit über dreißig Jahren Zigeunerwagen vermietet. Urlauber aus aller Welt buchen hier für ein oder zwei Wochen einen der dreißig rot-grün bespannten Planwagen, die von einem Pferd durch die Region gezogen werden. Bis zu zwanzig Kilometer legen die Wagen pro Tag zurück, was je nach Temperament des Pferdes bis zu fünf Stunden dauert. „Vorkenntnisse braucht hier niemand“, erklärt Mary Clissmann.
Die praktische Einführung übernimmt Bryan: er erklärt, wie man das Pferd von der Koppel holt, es aufzäumt, vor den Wagen spannt und sich auf der Landstraße verhält. Chris und Peter aus Berlin kennen das alles schon. Sie mieten jeden Sommer einen Wagen: „Es ist unvergleichlich, so langsam am Strand oder durch die Berge zu fahren“, sagt der Versicherungskaufmann, „man vergisst den Alltag, wird ruhig und beschränkt sich auf das Nötigste“.
Und davon passt erstaunlich viel in den etwa sechs Quadratmeter großen Planwagen: vier Schlafplätze , ein Gasherd, eine Kommode und ein Schrank bilden das Inventar. Wichtigstes Utensil für die Reise ist aber das Regenzeug. „Irland und schönes Wetter – das ist nicht vereinbar“, sagt Bryan. Doch bereits nach den ersten hundert Metern auf der Landstraße denken wir nicht mehr an schlechtes Wetter: Links und rechts breiten sich goldgelbe Felder aus, Dunst steigt aus den Wiesen, und es duftet nach Wald.
Und ein bisschen nach Henry, der seelenruhig der Straße Richtung Rathdrum folgt. Vorbei an typisch irischen Häusern mit bunten Türen und rosenumrankten Vorgärten gelangen wir zum Campingplatz, unserem ersten Stopp. Einige Landwirte, Gasthäuser oder Pubs stellen den Zigeunerwagenfahrern einen Parkplatz für den Wagen, Waschgelegenheiten und eine Wiese für das Pferd zur Verfügung. Abends bekommt man dort häufig warmes Essen und natürlich jede Menge Guinness.
Trotz einiger Gläser wachen wir am nächsten Morgen vom Getrommel des Regens auf: Es schüttet wie aus Kübeln. Doch eingehüllt in Regenzeug mit einer Tasse dampfender Suppe in der Hand fühlt man selbst im größten Unwetter die wilde Romantik, die den Urlaub per Pferdewagen umgibt. In Schrittgeschwindigkeit geht es eine Woche lang vorbei an glitzernden Flüssen im Glenmalure-Tal, durch keltische Siedlungen in Glendalough, bei Arklow den Strand entlang oder durch Hügel voll Arnika und wilder Brombeeren. So muss es damals auch gewesen sein, vor 150 Jahren, als die ersten Planwagen über die grüne Insel rollten. Natur, Hufgeklapper, ein paar Habseligkeiten im Gepäck und viel Zeit – was will man mehr?
Fremdenverkehrsamt Irland: www.tourismireland.com
Zigeunerwagen buchen
Clissmann Horse Caravans: Mietkosten für eine Woche Zigeunerwagen ab 710 Euro pro Wagen
Internet: www.clissmann.com.
Wohnen in Dublin
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