Der Tag hatte so vielversprechend angefangen. Schon morgens sorgten Lachyogaübungen für spaßige Entspannung. Dazu strahlte die Sonne über den Höhen des Nordschwarzwalds. Doch wenig später, auf dem Weg zum Nordic Walking Park im Baiers-bronner Senkenbachtal, zogen dunkle Wolken auf. Sollte die geplante Wanderung ins Wasser fallen?
“Wieso denn?” fragt Helga Raith. “Schlechtes Wetter gibt´s beim Wandern nicht”. Und schon gar nicht beim Nordic Walking”, erklärt Frau “Basic Instructor” mit Nachdruck. Vor dem Start zum schnellen Gehen mitStockeinsatz muss das Wandergerät angepasst werden. Faustregel für die Einstellung: Zwei Drittel der Körpergröße. Anschließend animiert die sportliche Mittfünfzigerin zu auflockernden Trockenübungen. Ein Kaltstart schade nicht nur den Gelenken, meint sie. Auch der Kreislauf komme dabei nur langsam in die Gänge.
Für den aus Finnland importierten Trendsport hat das Schwarzwaldstädtchen Baiersbronn, gemeinsam mit seinen neun eingemeindeten Dörfern, vor gut zwei Jahren zwei vom Nordic Walking Verband lizenzierte Parks angelegt. Auf den fünfunterschiedlichen Routen kann man seither nicht nur seine Fitness steigern. Auch was dielandschaftliche Abwechslung betrifft, sei Route zwei bereits eine Steigerung zu Route eins, sagt Walkerin Reith.
Dennoch begnügen wir uns vorerst mit der vier Kilometer langen Einstiegstour. Der zunächst ebene Weg zwischen rauschendem Wildbach und blühender Frühlingswiese bietet eine gute Gelegenheit, den Stockeinsatz zu trainieren. Immerhin sollen die Gelenke bei richtigem Gebrauch erheblich entlastet werden. Das zeigt sich schon während dem kurzen, aber schweißtreibenden Anstieg gleich nachdem wir den Wald erreicht haben. Ebenso beim darauf folgenden Abstieg. Nach einer guten halben Stunde ist Runde eins geschafft. Helga Raith rät erst einmal zum “Cool down” der soeben 600 bewegten Muskeln. Irgendwie fühlt man sich jetzt tatsächlich belebt und erfrischt. Das mag wohl auch daran liegen, dass die Sauerstoffaufnahme bei dieser intensiven Wander-Variante um 20 Prozent höher liegt, wie die trainierte Walkerin verkündet. Auch was sie sonst noch bilanziert, klingt erfreulich:“ Jetzt haben Sie doppelt so viele Kalorien verbraucht wie beim herkömmlichen Wandern” (400 gegenüber 220 pro Stunde).
Um so besser, denn wer ein paar Tage in und um Baiersbronn verbringt, gehört meistens zu den bekennenden Feinschmeckern. Mancher Gourmet gibt gleich das Bareiss oder die Traube Tonbach als Ziel seinesUrlaubsortes an und weiß gar nicht, dass die Gemeinde Baiersbronn heißt. Bei der geballten Präsens an Spitzenköchen ist das kaum verwunderlich. Sie würden letztlich auch an weniger attraktive Orte locken.
Sechs Sterne funkeln über der größten Schwarzwaldgemeinde mit ihrer weitläufigen Umgebung. Was liegt da näher, als wandern und schlemmen miteinander zu verbinden? Von Mitteltal nach Tonbach zu laufen etwa bedeutet, von einem Gipfel zum nächsten zu gelangen. Vom Meisterkoch Claus-Peter Lumpp zum Küchenmagier Harald Wohlfahrt , der seit über zehn Jahren in der Championsleague der europäischen Meisterköche mitmischt. Dagegen erweist sich die Strecke zwischen den beiden Ortsteilen eher als harmlos. Für die Terrinen, Pasteten und Ragouts, die Fisch- und Wildgerichte und nicht zuletzt die phantasievollen Kompositionen an Desserts wäre man auch gerne bereit, manch anstrengenderen Weg zu gehen.
Unter der neuen Wanderhotelier-Garde finden sich eine Reihe weiterer Küchen-meister, deren Namen wie Klumpp oder Möhrle auf weit zurückreichende Wurzeln in der Schwarzwaldgeschichte deuten. Aus den einstigen Köhler- und Holzhauer-schänken, Forsthäusern und Waldbauernhöfen sind hochdekorierte Hotels geworden.
Gleichwohl fühlen sich deren Besitzer nach wie vor ihrer Heimat verbunden. Und das vermitteln sie auch den Urlaubern. Der agile Friedrich Klumpp etwa nimmt seine Hausgäste einmal wöchentlich mit auf seine Lieblingstour. “Eine Wahnsinnsroute ist das”, schwärmt er. “Wir wandern vom Ruhestein über den Wildsee und weiter über die Köpfe, also die über 950 Meter hohen Gipfel, zurück nach Baiersbronn”. Danach kann man seine Spezialitäten, die auf der traditionellen, schwäbischen Küche basieren, ohne Reue genießen.
Wer die Umgebung auf eigene Faust erkunden möchte, bekommt individuelle Routenberatung, Planungshilfe und Kartenmaterial im Baiersbronner Fremdenverkehrsamt. Schließlich hat man hier den Ehrgeiz, die weitläufige Gemeinde zum führenden Wanderdorf Deutschlands zu machen. Dazu sollen die kulinarischen Wanderungen weiter ausgebaut und auf naturbelassenen Pfaden und urwüchsigen Steigen die abwechslungsreiche Landschaft hervorgehoben werden.
Überhaupt sei wandern Inbegriff ganzheitlichen Wohlbefindens, meint Ulrich Kemmler. Sein Refugium liegt unweit von Baiersbronn, auf dem 1050 Meter hoch gelegenen Schliffkopf im gleichnamigen Wellnesshotel. “Durch den Überfluss an täglichen Reizen und dem ständigen Zeitdruck nehmen wir uns selbst und unsere Umgebung kaum mehr wahr”, stellt der Fitnessapostel immer wieder fest. Doch bevor er mit uns auf Tour geht, wird richtiges Atmen und Entspannen beim Body-and-Mind-Training , beim Schweben im Wasser und nicht zuletzt beim Lachyoga geübt. Mit freiem Kopf geht es dann auf Wanderschaft durch das weite Naturschutzgebiet Schliffkopf mit seiner reichen Flora und Fauna - vom kleinen zum großen Geißkopf, vom Zinkenköpfle zum Naturschutzzentrum Ruhestein - natürlich auf die Gelenke schonende Art, am Stock.
Baiersbronn Touristik bietet auch Pauschalpakete an wie: “Wellness & Nordic Walking” sowie “Köstlich wandern”.