“Seliges Land! Kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock”, schwärmte einst der schwäbische Dichter Friedrich Hölderlin.
Der Weinbau hat in Württemberg, wogenussfreudige Fürsten und Herzöge einst den Ton angaben, eine lange Tradition. Doch die Zeiten, in denen “räser” Rebensaft auf berauschenden höfischen Festen oder zum deftigen Rittermahl hektoliterweise durch die Kehlen floss, sind längst vorbei. Die herzöglichen Rieslinge aus der Ludwigsburger Hofkammer-Kellerei hat der Spross des Hauses Württemberg inzwischen zu den kostbarsten Weinen der Region veredelt.
Mit eben solchem Ehrgeiz kultiviert Graf Adelmann seine Rebstöcke. Auf seiner mittelalterlichen Burg Schaubeck, die wenige Kilometer von Ludwigsburg entfernt über Kleinbottwar thront, empfängt der blaublütige Winzer die “Pilger” der Weinstraße. In lockerem Plauderton beschreibt der Burgherr seine Philosophie in Sachen Ess- und Weinkulter, die sich auf den Nenner bringen lässt: Erst der entsprechende Wein macht ein gutes Essen zum Erlebnis. Zu den Spezialitäten seines Weinguts gehört der mühsam an Steilhängen gewonnene Lemberger. “Löwe von Schaubeck” steht auf dem Etikett. “Heute Löwe, morgen Kater”, sagt meine Frau immer”, scherzt der salopp elegante Adelsmann. Die Edle lächelt verlegen. Niemand kennt den Hang zum humorvollen Understatement ihres Gatten besser, der neben seinem eigenen hohen Qualitätsanspruch irgendwie auch im Wort des einstigen Besitzers der Feste steht. Immerhin hatte der Freiherr von Brusselle-Schaubeck mit seinen, in schwäbischer Namensab-wandlung bezeichneten “Brüssele”auf den Weltausstellungen in London, Wien und Paris bereits allerhöchste Auszeichnungen geerntet.
Die von Fachwerkhäusern geprägten Winzerdörfer im mittleren Neckartal reihen sich wie Perlen an einer Kette. Aufwendig herausgeputzte alte Keltern zum Zeichen der traditionellen Winzerzunft bilden oft den Mittelpunkt. Dazu gehören auch die Besenwirt-schaften, die mit einem ausgestellten Reisigbesen den Ausschank des neuen Weines ankünden. Besigheim mit seinem malerischen Fachwerkrathaus leitet sich davon allerdings nicht ab. Jeden November wird hier die Württemberger Weinkönigin gewählt. Nicht nur mit Schönheit, auch mit umfassendem Wissen um die heimischen Reben soll die geadelte Winzerin ein Jahr lang öffentlich glänzen. Das hat die amtierende Weinbauerntochter aus Neckarsulm quasi mit der Muttermilch eingesogen. In ihrer Heimatstadt sind die Winzer stolz auf ihre weltweit älteste Genossenschaft.
Einen Steinwurf entfernt fließt der Neckar mitten durch Heilbronn. Beim ersten Eindruck der nüchternen Kreisstadt liegt die Vorstellung an Weinberge oder ein Weinbaumuseum, das die Geschichte des Weinbaus veranschaulicht, in weiter Ferne. Noch vor Kriegsende wurde die Kätchenstadt fast komplett zerstört, erklärt der Hausherr der neuen WeinVilla im Stadtzentrum. Außer der Kilianskirche, benannt nach dem Schutzheiligen der Winzer, dominiert nunmehr die wenig ansprechende Nachkriegsarchitektur. Manches Gemäuer aus der Belle Époque, wie auch die WeinVilla, ist den Bausünden jedoch entkommen. Erst kürzlich wurde das “Schmuckstück der Weinstraße” als stilvoller Treffpunkt fürWeinliebhaber eröffnet.
In der Besenwirtschaft der Winzerfamilie Heinrich kann man dagegen gesellig rustikalen Weingenuss erleben. In Krügen steht der noch junge Wein auf den Tischen. Dazu bringt die Hausfrau Schlachtplatte und dampfende Schüsseln mit Sauerkraut. Im Laufe des Abends kommen da locker einige Schoppen zusammen. Der eloquente Winzer gibt schon vorweg Entwarnung: “Keine Angst vor Kopfweh! Unsere Weine sind ökologisch ausgebaut”. Auf das Terroir komme es dabei nämlich an.
Auf einer gemeinsamen Wanderung über den Weinpanoramaweg folgt die Erklärung: Seit sich die Weinbauern für Qualität statt Masse entschieden haben, lassen sie zwischen den einzelnen Rebstöcken genügend Platz für Gras und Blumen. So wächst eine Naturlandschaft heran, die sich als deutlich unempfindlicher gegen Schädlinge erweist als eine Monokultur. “Das macht die chemischen Keulen überflüssig, die den Kopf so schwer machen”, freut sich der engagierte Winzer.
Schautafeln am Wanderweg geben Auskunft über die Pflanzenvielfalt auf dem Heilbronner Wartberg, wo den Weinberg neuerdings auch Kunstwerke zieren.
Eine unverhoffte Überraschung bietet sich dem Wanderer am Ende der knapp drei Kilometer langen Tour: “Trink so dich dürstet” lautet die Aufforderung auf dem hübsch verzierten Brunnen. Auf Knopfdruck schwappt ein Schwall Trollinger in den Mund. Nach vier Litern ist die Quelle allerdings erstmal versiegt.
Dass Wein nicht nur für müde Wanderer sondern auch für manches Zipperlein eine Labsal ist, wusste auch der Arzt und Dichter Justinus Kerner. Adelige wie der bayerische Ludwig I. waren häufige Gäste im Haus des genialen Doktors, das heute als Museum geöffnet ist. Ebenso gingenzahlreiche Dichter und Denker ein und aus. Den depressiven Hölderlin etwa kurierte Kerner regelmäßig mit seinen heilsamen Rezepturen. Ob dazu auch die Kreuzung aus Trollinger und Riesling gehörte, die dem dichtenden Arzt zu Ehren seither schlicht “Kerner” heißt, ist ungewiss.
Sicher hätte der Doktor sich über die Gründung des Staatsweingutes in seiner Nachbarschaft gefreut. Die älteste Weinbauschule Deutschlands öffnete ihre Pforten aber erst1868, kurz nach dem Tod des Medikus. Seitdem lernen die Studenten hier, wie man Weine wissenschaftlich veredelt. “Manchmal dauern unsere Kreuzungszuchten Jahrzehnte, bevor ein charaktervoller und robuster Wein auf den Tisch kommt”, erklärt der Direktor.
Und der soll nicht zuletzt Gefühle und Erinnerungen wecken. Graf Adelmann etwa fühlt sich beim Weingenuss mitunter auch in den Pferdestall versetzt, wenn er im Bouquet einen “Hauch von abgestandenem Pferdeschweiß” wahrnimmt.
Informationen: Die Württemberger Weinstraße führt durch das viertgrößte Weinanbaugebiet Deutschlands vom Taubertal bis zur Schwäbischen Alb.
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