Bad Tölz mit dem Isarwinkel, das Blaue Land samt Pfaffenwinkel! Wo kann Oberbayern schöner sein? Ganz ehrlich? Nirgends! Vor allem der Advent, die stille, die ‚stade’ Zeit, wie man im bayerischen Oberland sagt, lädt geradezu ein diese Perlen Oberbayerns zu besuchen. Keine Touristenscharen verstopfen Uhr Straßen und Ortschaften, der sonst so quirlige Gang des Alltags wurde zurückgefahren und bittet die Besucher, es ihm gleich zu tun.
Dort, wo nicht nur weltberühmte Maler und Dichterfürsten einst und jetzt gerne hin reis(t)en, ist die Welt, zumindest im Kleinen, noch in Ordnung. Zeit zum Träumen, Schauen, Erfahren, Erwandern, Zeit zum Genießen mit allen Sinnen. Zwischen dem Klosterdorf Polling im Norden und Bad Tölz im Südosten gibt es ein Übermaß an unbekannten Schätzen. Man muss sie nicht alle auf einmal entdecken, man kann sie abschnittsweise bei Ausflügen, auch ganz ohne Auto, sondern mit der Regionalbahn, genießen.
Alle halbe Stunde bringt uns der Regionalzug aus München nach Weilheim. Von dort sind es nur 5 km, immer entlang der gemächlich dahinfließenden Ammer, bis nach Polling, einer der vielen unbekannteren Perlen des Pfaffenwinkels. Zugegeben, der bietet ein wahres Füllhorn an Sehenswürdigkeiten. Eine prächtiger, als die andere. Wo da anfangen, wo aufhören? Angefangen hat es in Polling schon vor über 4000 Jahren, ein Ende ist Gott sei Dank nicht in Sicht. Um 750 n. Chr. jagte hier Herzog Tassilo und errichtete ein Benediktiner-Chorherrenstift. Erst die Säkularisation lösten Kloster und zugehörige Hofmark über 1000 Jahre später auf.
Weltbekannt wurde Polling aber durch Thomas Mann (‚Polling hatte Atmosphäre, weißt Du noch….’). Seine Mutter und auch seine Schwester Carla lebten im beschaulichen Klosterdorf und als fiktiver Ort Pfeiffering setzte Mann in Dr. Faustus dem Dorf und auch einigen seiner Bewohner ein bleibendes Denkmal. Noch heute zeugt der Dr. Faustus-Weg von seinen zahlreichen Besuchen im verträumten Polling. Wer mehr über Thomas Mann und Polling erfahren möchte, der sollte bei einer Führung zu den Schauplätzen dem profunden Thomas-Mann-Kenner Eckhard Zimmermann bei einem Besuch des Museum Polling lauschen.
Gabriele Münter und der sie umgebende Künstlerkreis von Wassily Kandinsky (der viele Jahr auch ihr Lebensgefährte war) bis Franz Marc (gefallen 1916 im WK I) lebten und schufen im „Blauen Land“ unvergessliche Werke der Malerei, die auch als Künstlerformation Der Blaue Reiter in die Geschichte eingingen. Unzählige Bücher, viel sogenannte Oral History und noch mehr Nachahmer haben sich seither mit deren Schaffen beschäftigt und in der Kleinstadt Murnau, das eigentlich „nur“ ein Markt ist, gibt es immer noch Menschen, die zumindest Gabriele Münter noch persönlich kannten. Sie blieb, im Gegensatz zu Ihren Maler-Gefährten, zeitlebens in Murnau ansässig. Besonders hoch geschätzt war die eigenwillige Künstlerin zu ihren Lebzeiten aber hier eher nicht. Und immer noch erzählt man sich davon, dass sie vor allem in der Kriegs- und Nachkriegszeit für ein paar Lebensmittel den Bauern Bilder von sich zur Bezahlung anbot. Wie viele dieser kleinen Gemälde noch unentdeckt irgendwo auf Dachböden oder hinter verschalten Stubenwänden schlummern, wer weiß das schon? Sehenswert ist die gut kuratierte Sammlung von Münter und Gefährten im Murnauer Schloß, in ihrem Wohnhaus sowie im Franz-Marc- Museum in Kochel. Der Großteil der Blauen-Reiter-Sammlung befindet sich jedoch schon lange im Münchner Lenbachhaus. Im Museums-Shop im Schloss findet man übrigens, neben hübschen Hinterglasbildern, auch eine Postkarte des einzigen bekannten Skiheiligen namens Sankt Scius (Hinterglasbild von Heinrich Rambold) des es unter den vielen Heiligen gibt. Ein nettes Mitbringsel für alle Skifahrer ist die davon erhältliche Postkarte!
Murnau, so beschaulich schön am gleichnamigen Moor mit seinen darin aufragenden Köcheln (Hügel noch aus der Eiszeit) gelegen, umrandet vom Ester- und Ammergebirge, war und ist ein beliebtes Ziel für Kunstschaffende aus aller Welt. Davon zeugen zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen über das ganze Jahr hinweg verteilt. Ein „Kunst-Besuch“ lohnt sich hier schon deswegen immer, weil es stets Neues zu entdecken gibt!
Aber auch der Architekt Emanuel von Seidl legte sein Schaffen um 1900 hier ins Voralpenland. Er gestaltete die Marktstraße des Ortes nach seinen Ideen neu und die Geschichte erzählt, dass er nicht davor scheute auch mal Farbe oder andere Kosten für ein renovierungsbedürftiges Haus aus eigener Tasche zu bezahlen. Dem kleinen Ort hinterließ er nicht nur eine herrschaftliche Villa, sondern vor allem einen durchwanderungswürdigen Landschaftspark, den er als zu Recht als sein Elysium bezeichnete. Am eigens angelegten Freundschaftshügel fuhr er nicht nur mit seinen zahlreichen Freunden die steile Abfahrt mutig mit Skiern hinunter, sondern ergötzte sich auch mit ihnen im eigens angelegten Seerosenteich und natürlich beim Baden am nahen Staffelsee.
Den heute denkmalgeschützten und sorgsam nach Seidls-Plänen rekonstruierten Landschaftspark gibt es noch (oder wieder!) und man kann nur jedem Besucher empfehlen, in diesem Paradies umherzuwandeln und die prachtvolle Aussicht auf das Murnauer Moos und die es umrandenden Berge zu genießen. Seidls hochherrschaftliche Villa hingegen gab der Markt Murnau 1970 „der Bevölkerung zur Plünderung frei“. Ein Beschluss, den wohl kaum jemand noch verstehen kann. Dort, wo sich einst die VIPs von München, ja aus ganz Deutschland, ein Stelldichein gaben, wo unter freiem Himmel Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ unter Max Reinhardt aufgeführt wurde, finden sich heute nicht mal mehr Überreste.
Vom Blauen ins Tölzer Land ist es eigentlich nur ein Katzensprung. Der Weg führt uns der Loisach folgend vorbei am prächtigen Kloster Benediktbeuern, welches zu jeder Jahreszeit einen Abstecher lohnt, und bald schon ragt rechts neben der Straße der Blomberg mit seiner sommers wie winters befahrbaren Rodelbahn auf. Von da ins oberbayerische Urland, nach Bad Tölz, sind es nur noch wenige Kilometer. Wenn man einen Film über Oberbayern drehen würde, hier wäre einer der Hauptschauplätze. Nicht nur die jährliche Leonhardifahrt mit über 200 prächtigen Gespannen rollt, Richtung Kalvarienberg am 6. November, durch die Stadt und zieht bis über 20.000 Besucher aus nah und fern an. Tölz ist schon seit 1969 ein Heilklimatischerkurort. Den Zusatz Bad bekamt es allerdings schon 1899 verliehen. Grund war die am Sauerberg gefundene stärkste Jodquelle Deutschlands. Deren Heilwasser wird noch heute von Kurgästen genutzt, auch wenn es bis zur einstigen Größe als Kurort noch ein weiter Weg ist.
In Tölz begegnen wir erneut dem Namen Seidl. Diesmal ist es aber Gabriel von Seidl, Architekturprofessor aus München und wie sein Bruder Emanuel verliebt in die Schönheiten Oberbayerns. Wie schon Emanuel in Murnau gestaltete Gabriel von Seidl in Tölz die mit Fassadenmalereien (umgangssprachlich Lüftlmalerei genannt) geschmückten prächtigen Häuser der Marktstraße, sondern errichtete um die Jahrhundertwende (ca. 1890 – 1910) zahlreiche Bauten im sogenannten Heimatschutzstil. Sie prägen noch heute das Stadtbild und trugen maßgeblich zum Aufschwung der kleinen Stadt an der Isar bei. Auch Thomas Mann, dem wir ja schon in Polling begegnet sind, fand die Kleinstadt bezaubernd und wohnte sogar einige Jahre hier. 1909 ließ er sich, damals am äußersten Stadtrand, ein „Herrensitzchen“ von einem Nachfahren Gabriel von Seidls errichten und erst 1917 wechselte er in seine großzügige Villa nach München-Bogenhausen. Die kleine Jugendstilvilla liegt am Ende des Thomas-Mann-Weges und ist heute nicht mehr öffentlich zugänglich. Mann schrieb in Tölz „Tod in Venedig“ und war vermutlich bei der einheimischen Bevölkerung nicht sonderlich beliebt. Um nicht bei seiner Arbeit gestört zu werden, mussten diese nämlich beträchtliche Umwege in Kauf nehmen. Aber das ist heute längst vergessen und 2023 wird in Tölz ein Thomas-Mann-Festival stattfinden. Sehenswertes zu Thomas Mann gibt es auch im Tölzer Stadtmuseum sowie in der Stadtbibiliothek. Ersteres liegt direkt im Zentrum der Marktstraße (gegenüber dem Brunnen) und ist (vor allem an wettermäßig weniger schönen Tagen) stets einen Besuch wert, denn es gibt viel zu erfahren über Bad Tölz und seine wechselvolle Geschichte.
Gleich am Anfang der Marktstraße, nahe der Isarbrücke, kann man ein weiteres Museum besuchen. Jenes, welches sich ausschließlich mit jenem schrulligen Kommissar befasst, der unter Ottfried Fischer als Bulle von Tölz Fernsehgeschichte schrieb.
Für viele Tölz-Fans ein Muss ist aber auch die schönste und größte Leonhardi-Fahrt Bayerns um den 6. November herum. In Tölz ein hoher (schulfreier!) Festtag, den man stets so legt, dass er nicht an einem Wochenende zelebriert wird. Einer der Gründe dafür dürfte der häufig in Schlägereien endende übermäßige Alkoholgenuss von Einheimischen und Besuchern gewesen sein - so wird zumindest berichtet.
Zahlreiche weitete Infos findet man auch unter: Tölzer Land, Das Blaue Land, Pfaffenwinkel
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