Der Körperkult, den krankhaft dünne Modells wie Kate Moss und untergewichtige Playmates mit Silikonbrüsten zelebrieren, fordert zu viele Opfer, betont heute Sven-David Müller vom Deutschen Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik (D.I.E.T.) in Bad Aachen. Essstörungen sind oft die Folge einer hohen Außenreizabhängigkeit, so Müller weiter. In den Medien sind praktisch nur superdünne, nach Einschätzung des DIET krankhaft untergewichtige Menschen erfolgreich. Männer müssen scheinbar einen Waschbrettbauch haben und Frauen sind in den Medien cellulite- und bauchfrei, haben aber große Brüste, so Müller. Die jetzt von Wissenschaftlern der Universität York, Ontario in Kanada, im renommierten International Journal of Obesitas publizierte Studie “Thinness and Body Shape of Playboy Centerfolds form 1978 to 1998” ergab, dass 70 Prozent der der Playboy-Bunnys mit einem Body-Mass-Index (BMI) von weniger als 18,1 deutlich untergewichtig sind. 77,5 Prozent der Playmates wogen weniger als 85 Prozent ihres Idealgewichtes. Gleichzeitig erhoben die kanadischen Wissenschaftler bei den 240 untersuchten Playboy-Bunnys, dass sie einen Taillenumfang von nur 59,6 Zentimetern und einen Hüftumfang von nur 87,6 Zentimetern hatten. Das Durchschnittsgewicht lag bei 51,8 Kilogramm, wobei erschreckend ist, dass das leichteste Bunny nur 42,7 Kilogramm wog und einen BMI von 15,4 aufwies. Dieses Playmate bedarf der sofortigen künstlichen Ernährung mit Astronautenkost und nicht der Aufmerksamkeit der Fotografen, so Müller. Die Oberweiten der Playmates kann nur “künstlich” sein, betont Müller, denn bei Untergewicht ist die Brust in der Regel flach und nicht “playboylike”.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO klassifiziert einen Body-Mass-Index unter 18,5 als Untergewicht. Lebensbedrohlich ist ein Body-Mass-Index unter 13, so Müller. In die Nähe dieser lebensbedrohlichen Zahlen kommen viele der weltbekannten Modells, die bei einer Körpergröße von 1,8 Metern rund 50 Kilogramm wiegen. Das entspricht einem BMI von 15,4 (50 geteilt durch (1,8 x 1,8) =3,24). Solange magere Modells das Schönheitsideal bestimmen, steigt die Zahl der essgestörten Menschen, betont Müller.
Die Zahl der untergewichtigen Menschen in Deutschland liegt bei rund 3,7 Millionen. Betroffen sind aber nicht nur Essgestörte sondern auch viele Senioren, Krebspatienten und chronisch Kranke. Astronautennahrung bietet diesen Menschen eine Hilfe, so Müller. Wenn Menschen nicht essen können, wollen oder dürfen, sind sie auf künstliche Ernährung angewiesen. Mit der enteralen Ernährung (Astronautenkost) und parenteraler Ernährung (über den Tropf), stehen zwei Möglichkeiten der künstlichen Ernährung zur Verfügung, erläutert Müller.
Die ersten Versuche von Nährklistieren gehen bereits auf die alten Ägypter zurück. In den Papyros Ebers (um 3400 vor Chr.) finden sich bereits detaillierte Beschreibungen der künstlichen Ernährung. Für viele Menschen ist der Begriff Astronautenkost Synonym für die künstliche Ernährung mit Trink- und Sondennahrung, die Ernährungsmediziner unter dem Begriff enterale Ernährung zusammenfassen, denn ursprünglich war die enterale Ernährung als Astronautenkost konzipiert.
Die heutige Firma Pfrimmer Nutricia (damals Pharmazeutische Werke Pfrimmer & Co), Erlangen, entwickelte 1969 im Auftrage der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA die weltweit erste Astronautenkost. Nur kurze Zeit später fand die enterale Ernährung ihren Einzug in die klinische Ernährungstherapie unter dem Namen Vivasorb. Im Jahre 1974 führte die Pfrimmer mit Biosorbin MCT die erste vollbilanzierte, das heißt vollständig bedarfsdeckende Sondennahrung ein. Heute gibt es eine Reihe unterschiedlicher Präparate, Techniken und Hersteller. Enterale und parenterale Ernährung fasst der Ernährungsmediziner unter dem Begriff künstliche oder klinische Ernährung zusammen. Ernährungsmedizinisch betrachtet ist die enterale Ernährung der parenteralen in der Regel überlegen. Für viele Menschen ist die klinische Ernährung der entscheidende Faktor in der Therapie und für eine höhere Lebensqualität.
Wichtige Beispiele sind Patienten die unter Untergewicht, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Essstörungen wie Anorexia nervosa und Bulimia nervosa, Schluckstörungen, HIV-Infektionen oder AIDS oder Tumoren leiden. Wer unter starkem Gewichtsverlust leidet oder untergewichtig ist, kann sich heute vom Arzt Astronautennahrung verschreiben lassen, erläutert Müller. Insgesamt erhalten in Deutschland rund 100.000 Menschen eine enterale Ernährung mit Sondennahrung. Moderne Entwicklungen haben dazu geführt, dass die enterale Ernährung heute auch außerhalb des Krankenhauses möglich ist. Speziell ausgebildetes Pflegepersonal von Home-Care-Teams übernimmt die Versorgung und Überwachung der enteral ernährten Patienten im häuslichen Bereich.
Essgestörten, Senioren, Krebspatienten, Krankenpflegepersonal und Angehörigen bietet das DIET einen Ernährungsmedizinischen Beratungsdienst zum Thema “Hilfe, ich bin zu dünn!” an. Dort geben ernährungsmedizinische Berater montags bis freitags in der Zeit von 9.30 bis 15.00 Uhr unter der Telefonnummer 0241 - 96 10 95 66 kostenlos Informationen zum Zunehmen.