Jungs im Abseits

Man braucht sich nur einmal kritisch umzusehen im Kreise der Familie, der Bekannten und Freunde: Irgendetwas stimmt nicht mit den Jungs von heute. Sie wirken seltsam lustlos und antriebsarm, in der Schule unkonzentriert und unmotiviert, unfähig, auf eigenen Beinen zu stehen - ganz anders jedenfalls sind sie, als man sich vor 20, 30 Jahren noch einen jungen Mann vorgestellt hat. Gelegentlich - etwa wenn es wieder mal zu einem Amoklauf gekommen ist - flammt dann eine kurze Diskussion über die Ursachen auf, die aber bald von neuen Ereignissen und Schlagzeilen abgelöst wird. Dabei ist es dringend erforderlich, sich ernsthaft mit den Problemen unserer Jungs auseinander zu setzen. Im Kösel Verlag ist jetzt ein Buch zu diesemThema erschienen, eine aufrüttelnde Analyse des amerikanischen Kinderarztes Dr. Leonard Sax. Der Titel: ´Jungs im Abseits´. Obwohl der Autor sich in erster Linie auf Erfahrungen aus den USA bezieht, sind seine Erkenntnisse auch auf uns anwendbar - in der deutschen Ausgabe wird übrigens auch immer wieder auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten hingewiesen. Dr. Leonad Sax nennt einige wichtige Ursachen für das Dilemma unserer Jungs und belegt seine Thesen mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis.

Es beginnt schon im Kindergarten: die moderne Pädagogik hat verdrängt, dass es eben doch einige ganz wesentliche Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen gibt, beispielsweise bei der Entwicklung verschiedener Regionen des Gehirns: bei Mädchen entwickelt sich das Sprachzentrum früher, bei Jungs die Motorik. Dies ist nicht nur bei Menschen so, auch im Tierreich wurde dies bei Primaten beobachtet. Die Vorschulerziehung im Kindergarten, bei der die Kinder still sitzen und sich konzentrieren müssen, anstatt herumzutoben, läuft deshalb der natürlichen Entwicklung der Jungs zuwider - sie werden als hyperaktiv eingestuft, man diagnostiziert ADHS und versucht oft, das Problem mit Medikamenten zu beheben. Und genau dies führt weiter in die Krise hinein: denn die Medikamente haben fatale Nebenwirkungen - sie führen zu Antriebsarmut und Lustlosigkeit und wenn sie abgesetzt werden, kann es zu unkontrollierbaren Ausbrüchen führen. Doch auch Umweltgifte spielen eine wichtige Rolle: so weist Dr. Leonard Sax eindrucksvoll auf die schädliche Wirkung der heute weit verbreiteten PET-Plastikgetränkeflaschen hin. Sie geben Stoffe ab, die bei Jungs zu verspäteter Pupertät und zu Verkümmerung der Geschlechtsreife bis hin zur Unfruchtbarkeit führen. Wer diese Ausführungen liest, wird künftig im Supermarkt wohl kaum noch nach diesen Plastikflaschen greifen. Und noch eine weitere Ursache nennt der Autor: Videospiele. Sie entfremden den Spieler von der Realität, gaukeln ihm eine virtuelle Welt vor und hindern ihn, eigene Erfahrungen und Kenntnisse von der Welt zu erwerben. Doch der Autor nennt nicht nur die Ursachen, er zeigt auch Wege auf, wie Eltern ihren Jungs helfen können. Deshalb sollten gerade Eltern von Jungs dieses Buch lesen und seine Anregungen aufgreifen - je früher, desto besser.

Radio Aktiv, Barbara Steinbauer, Sendetermin: 15.04.2009

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