Eine solche Mammut-Studie hat es bisher wohl nicht gegeben: An ihr waren über den Zeitraum von acht Jahren 49 000 Frauen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren beteiligt. Sie kostete knapp eine halbe Milliarde Dollar! „Das ist ja der Rolls-Royce unter den Studien“, schwärmt etwa Dr. Michael Thun, Epidemiologe der US-Ärztevereinigung (American Medical Association). Und Professor Dr. Jules Hirsch von der New Yorker Rockefeller Universität meint: „Diese Studie ist revolutionär.“
Das ist sie wirklich, denn sie besagt klipp und klar: Wer da glaubt, ein fett-armes Essen bewahre ihn vor Krebs oder mindere das Risiko von Herzerkrankungen, der irrt. In dieser Aufsehen erregenden Studie wurden in diesem Zusammenhang Brust- und Darmkrebs sowie Schlaganfälle und Herzinfarkte berücksichtigt. Das Resultat dieser Studie fasst einer der beteiligten Wissenschaftler in dem Satz zusammen: „Absolut nichts rechtfertigt jetzt noch Empfehlungen, durch fett-armes Essen ließe sich das Risiko von Herzerkrankungen oder Krebs reduzieren.“
Die Studie war von der „Frauen-Initiative“ des amerikanischen Gesundheitsinstituts in Auftrag gegeben worden. Obwohl alle Teilnehmer Frauen waren, „dürften die Ergebnisse auch auf Männer zutreffen“, unterstreicht Dr. Jacque Rossouw. Er ist Leiter der Frauenabteilung des US-Gesundheitsinstituts.
Für die beteiligten Frauen waren die Jahre der Wenig-Fett-Diät kein Zuckerschlecken, denn sie durften Brot nur ohne Butter zu sich nehmen, ihnen waren Quark-ähnliche Speisen ebenso verboten wie Öldressings an den Salaten. Die Vorgabe, die von den Studienpersonen nur in seltenen Fällen erreicht wurde: Nur 20 Prozent aller Kalorien sollten aus Fett bestehen. Im ersten Jahr der Studie reduzierten die Frauen den Fettanteil ihres Essens auf täglich 24 Prozent Kalorien, nach sieben Jahren betrug diese Zahl 29 Prozent. Es gab, wie bei solchen Untersuchungen üblich, eine Studien- und eine Kontrollgruppe der Frauen. Beide Gruppen aßen unterschiedlich, was den Fettgehalt ihrer Nahrung angeht, aber die Kalorien, die die Frauen beider Gruppen zu sich nahmen, waren gleich.
Gewichtsabnahmen zählten nicht zu den Zielen des Experiments. Die Frauen hielten während der acht Studienjahre in der Regel auch ihr Anfangsgewicht. „In jeder Hinsicht war die Studie perfekt, von großartigem medizinischem Design“, urteilte Dr. David Freedman von der University of California in Berkeley. Er war an dieser Studie nicht beteiligt, gilt aber auf diesem Sektor – dem medizinisch-statistischen - als weltweite Kapazität. „Diese Studie sollte sehr ernst genommen werden“, ergänzte er.
„Gesund leben“, heißt es in einem Kommentar zu der Studie, „beinhaltet auch Speisen mit geringem Fettanteil, vor allem sollten mehr als üblich Gemüse, Obst und Körnerhaltiges verzehrt werden“. Auf keinen Fall dürfe die Studie dahingehend interpretiert werden, dass man nun auf fettfreie Ernährung verzichten könne.
Es gibt, so wird sowohl im Fachblatt „The Journal of the American Medical Association“ wie auch in der „New York Times“ unterstrichen, nur wenige Skeptiker. Zu ihnen gehört Dr. Dean Ornish. Er ist von dem Ergebnis schon deshalb nicht überzeugt, weil ihm die acht Jahre Studienzeit nicht ausreichend erscheint.