Klar, Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, Essen soll auch Genuss und Spaß bieten und wir wollen wissen, was in unserer Nahrung enthalten ist, wollen sicher sein, dass in Lebensmitteln keine Stoffe enthalten sind, die gesundheitsschädliche Risiken mit sich bringen. Aber ist das überhaupt machbar? Wie viel Sicherheit können die Lebensmittelhersteller gewährleisten und bieten?
Wie Toxikologen das Risiko von Stoffen mit potentiell schädlicher Wirkung bewerten und welche Substanzen zur Zeit als problematisch gelten war Thema des zweitägigen Kongresses “Schadstoffe im Essen! - Bedrohung oder Panikmache”, der am 14./15. Mai 2009 vom Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V. in Kooperation mit dem Institut für Lebensmitteltoxikologie und chemische Analytik der Tierärztlichen Hochschule Hannover veranstaltet wurde.
Hauptaufgabe der Toxikologie ist es, potentiell toxische Stoffe, wie Zusatzstoffe, Kontaminanten, Rückstände aber auch natürliche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln zu identifizieren und im Rahmen einer Risikobewertung quantitative und qualitative Aussagen über die Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit eines Stoffes zu treffen. Dabei werden bestimmte Grenzwerte festgelegt, mit dem obersten Ziel den eindeutig nicht-toxischen Bereich zu erfassen. Dieser nicht-toxische Bereich existiert für sehr viele, aber nicht für alle Substanzen, weil erbgutschädigende oder krebserregende Stoffe auch in kleinster Konzentration gefährlich sind. Bestes Beispiel dafür ist Acrylamid, das sich im Tierversuch als krebserregend herausgestellt hat. Für diese Substanz gibt es keinen Grenzwert, es gilt schlicht und ergreifend als toxisch, weil davon auszugehen ist, dass selbst minimale Konzentrationen krebserregend wirken können.
Um diese Grenzwerte festzulegen wird in einem ersten Schritt der NOEL-Wert (No Observed Level Wert) ermittelt, also diejenige Menge bzw. Konzentration einer Substanz, die für den Menschen noch unbedenklich ist. Anhand des NOEL-Wertes wird dann die duldbare tägliche Aufnahmemenge definiert (DTA- oder ADI-Wert). Dieser Wert gibt die höchste Konzentration einer Substanz an, die ein Mensch ohne Gesundheitsrisiko täglich und lebenslang aufnehmen kann.
Bei Lebensmittelzusatzstoffen, also Stoffen, die Lebensmitteln zugesetzt werden, um die Herstellung zu erleichtern, die Konsistenz zu verbessern oder die Haltbarkeit zu verlängern, bezieht sich der DTA-Wert auf eine lebenslange Exposition. Daher sind einmalige oder kurzfristige Aufnahmen, die geringfügig darüber liegen, kein Anlass zur Besorgnis.
Kontaminanten, wie Blei, Cadmium oder Methylquecksilber gelangen oft ungewollt, unbeabsichtigt und ohne Verschulden des Herstellers in oder auf das Lebensmittel. Da diese Substanzen unerwünscht sind, werden Grenzwerte nur als tolerierbare Aufnahmemengen festgelegt. Für krebserregende Kontaminanten gibt es keinen toxikologischen Grenzwert. In diesen Fällen muss dafür gesorgt werden, dass es zu keiner Exposition kommt.
Auch für Rückstände, also Stoffe, die während der landwirtschaftlichen Produktion oder Lagerung angewendet wurden und im Lebensmittel noch vorhanden sind, werden Grenzwerte definiert, allerdings mit einer sehr hohen Sicherheitsspanne, besonders beim NOEL-Wert. Beispiel sind Pflanzenschutzmittel, die in Brötchen oder anderen Mehlerzeugnissen wenn überhaupt dann nur in minimalsten Mengen enthalten sein dürfen. Und da gerade bei Pflanzenschutzmitteln schon die einmalige Aufnahme gesundheitsschädlich sein kann, wurde neben dem DTA-Wert zusätzlich die akute Referenzdosis (ArfD) eingeführt. Das ist die Substanzkonzentration, die bei einer Mahlzeit aufgenommen werden kann, ohne dass für den Verbraucher ein erkennbares Risiko entsteht.
Sicherheit in der Lebensmittelindustrie bedeutet nicht nur das Festlegen von Grenzwerten und das Berechnen toxischer und nichttoxischer Konzentrationen. Lebensmittelhersteller sind gesetzlich verpflichtet ein Risikomanagement zu haben, das die kritischen Punkte im Herstellungsprozess kontrolliert, ständig verbessert und bei Abweichungen geeignete Maßnahmen ergreift oder neue Lösungen einbringt.
So kann die Bildung von Acrylamid durch die Kontrolle der Temperatur reduziert werden. Und wird statt der üblichen die Verpackung unter Hochdruck gewählt, können Mikroorganismen in Lebensmitteln deaktiviert werden, wodurch dann weit weniger Konservierungsstoffe nötig sind.
Wie praxisrelevant das Beschreiten neuer Wege ist, zeigt das Beispiel der heterozyklischen aromatischen Amine (HAA). Diese werden mit der Entstehung von Dickdarmkrebs in Verbindung gebracht und bilden sich bei hohen Temperaturen in eiweißreichen Lebensmitteln, vor allem in Rind- und Schweinefleisch sowie Fischgerichten. Da dabei auch freie Radikale entstehen, wurden diesen Gerichten antioxidativ wirkende Säuren aus Salbei und Rosmarin zugesetzt, wodurch die HAA Konzentration um bis zu 25% gesenkt werden konnte.
Lebensmittelhersteller müssen auch eine Reihe von Vorschriften beachten, wobei Hygiene sicherlich zu den wichtigsten zählt. Nur durch peinlichste Sauberkeit nicht nur während des gesamten Produktionsprozesses sondern auch bei Verpackung, Lagerung und Transport kann sichergestellt werden, dass die Endprodukte frei sind von gesundheitsschädlichen Bakterien, Schimmelpilzen oder Viren.
Aber auch bei der Auswahl von Zusatzstoffen gibt es Vorschriften zu beachten. So dürfen Lebensmittelzusatzstoffe, wie Antioxidantien oder Emulgatoren nur in bestimmten Mengen und nur bei bestimmten Lebensmitteln verwendet werden. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass es produktionstechnisch nötig ist, darauf zurückzugreifen. Im Falle der Antioxidantien z.B. dass sie das Ranzigwerden von Fetten verhindern oder bei Emulgatoren dass sie die Stabilität von zwei oder mehr schwer miteinander mischbaren Stoffen gewährleisten.
Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen entstehen immer wieder neue Probleme, gibt es immer wieder Hinweise auf potentiell toxische Substanzen.
Da sind zum Beispiel die neu entdeckten “Bösewichte”, perfluorierte Tenside (PFT), die bei der Herstellung von vielen Alltagsutensilien verwendet werden, vom antihaftbeschichteten Kochgeschirr über fettabweisende Verpackungen bis hin zur Wandfarbe und Haushaltsreinigern. Sie können über Lebensmittel, Hausstaub oder Kontakt mit Produkten, die mit PFT-haltigen Chemikalien behandelt wurden aufgenommen werden. Auch Nutzpflanzen können PFT aus dem Boden aufnehmen und so über die Nahrungskette gesundheitliche Schäden beim Menschen verursachen können. Bislang konnte ein eindeutiges gesundheitliches Risiko nicht nachgewiesen werden. Da es jedoch im Bereich des Möglichen liegt, empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Vorhandensein von PFT in Lebensmitteln langfristig nicht hinzunehmen.
Auch die bisher vielfach verwendetet Azofarbstoffe wurden nach neueren toxikologischen Untersuchungen als gesundheitsschädlich eingestuft - bei Kindern können sie zu Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen führen. Als Alternative bieten sich natürliche Farbstoffe an und die Suche danach hat bereits begonnen.
Die Gefahren lauern überall, selbst dort, wo sie bislang kaum jemand vermutete. Dass Untersuchungen dann oft zu überraschenden Ergebnissen kommen, zeigt die Maillard-Reaktion. Diese Reaktion, auch nicht-enzymatische Bräunung genannt ist eine komplexe chemische Reaktionsfolge, die in fast allen Lebensmitteln, die Kohlenhydrate und Proteine, Peptide oder Aminosäuren enthalten, abläuft. Der nach dem Chemiker Louis-Camille Maillard (1878-1936) benannte Prozess ist für die Farbe und das Aroma aller gekochten, gebackenen oder gerösteten Lebensmittel von zentraler Bedeutung, weil er zuständig ist für die Qualität, sowie den Nähr- und Genusswert unserer Nahrung. Nun stellt sich jedoch die Frage, ob die Endprodukte der Maillard-Reaktion, die AGEs (Advanced Glycation Endproducts) sicher unbedenklich sind. Und da stehen die Wissenschaftler vor einem Rätsel. Zum einen wurde 1969 festgestellt, dass die Maillard-Reaktion auch im menschlichen Körper abläuft. Bei Diabetikern, in den Augen von Patienten mit grauem Star aber auch bei Gesunden wurden AGEs festgestellt. Ob sie in diesen Fällen gesundheitsschädigend sind, konnte bislang nicht geklärt werden. Zum anderen aber wurde festgestellt, dass Dialysepatienten bessere Überlebenschancen haben, wenn in ihrem Plasma erhöhte AGE-Konzentrationen vorlagen. Und es scheint, dass auch Tumorpatienten von erhöhten AGE-Konzentrationen profitieren.
Und dann gibt es noch die “hausgemachten” Schadstoffe.
Allen voran die gesellschaftlich anerkannten Drogen Nikotin und Alkohol. Gerade beim Alkohol ist kaum bekannt, dass die gleiche Menge Rotwein, die unserem Herzen gut tut, ein Risiko für Speiseröhrenkrebs darstellt. Auch für den Alkohol wurden Grenzwerte festgelegt: 20-24 g Alkohol / Tag für den Mann und 10-12 g für die Frau. Das entspricht einem viertel Liter Wein beim Mann und einem achtel für die Frau. Allerdings haben diese Grenzwerte einen Haken - sie gelten nur für Gesunde.
Wenig bekannt ist auch, dass der Verzehr von hocherhitztem rotem Fleisch zu gefährlichen Stickstoffverbindungen im Organismus führen kann und so bei genetisch vorbelasteten Menschen die Bildung von Dickdarmkrebs begünstigt.
Und in punkto Hygiene liegt es auch in der Hand des Verbrauchers, potentielle Risiken zu vermeiden. Durch falschen Transport, Lagerung, Auftauen, selbst bei der Zubereitung von Lebensmitteln können sehr viele Schadstoffe, die potentiell toxisch sind, entstehen.
Ja, wir alle wollen gesunde, chemie-freie Lebensmittel, die keine Gesundheitsrisiken in sich bergen. Sicherlich ist hier in erster Linie der Lebensmittelhersteller in der Pflicht. Aber auch wir Verbraucher können durch sorgsamen Umgang mit der Nahrung viel dazu beitragen, gesundheitliche Risiken zu meiden.
Zu guter Letzt - bei allen Debatten rund um das Thema Nahrung und potentielle Schadstoffe sollten wir nicht vergessen dass Deutschlands Lebensmittel zu den sichersten überhaupt gehören.