Ob das Essen schmeckt oder nicht, welchen Partner wir wählen, oder ob Gefahr droht - überall spielt unsere Nase eine entscheidende, wenn auch oft verkannte Rolle. Nicht nur die Wissenschaft, auch Marketing Experten haben herausgefunden, wie sehr Gerüche unser Leben, auch unser Kaufverhalten beeinflussen. Oder dachten Sie wirklich, der schmackhafte Brotgeruch im Backshop wäre Natur pur?
Prof. Hanns Hatt ist der wohl bekannteste Spezialist auf dem weitläufigen Gebiet der olfaktorischen Wahrnehmung. Die hochkomlexe Informationsgewinnung wird beim Menschen in zwei sensorische Systeme unterteilt, die sich gegenseitig beeinflussen: Geruch und Geschmack! Doch nur unser Geruchssinn ist bereits ab der Geburt ausgereift, spielt aber bereits bei der Fortpflanzung eine tragende Rolle. Diese Gegebenheit und noch vieles mehr hat der Biologe und Mediziner Hatt mit seiner Forschungsgruppe an der Universität Bochum nachgewiesen und unter dem Begriff Maiglöckchen–Phänomen auch publiziert. In dem Bericht erfährt man, warum wir ohne unser Riechorgan schon längst ausgestorben wären, was Gerüche alles bewirken können, und und und…
Was hinter all den vielen Vermutung sonst noch steckt, wir haben uns mal schlau gemacht!
Der Mensch hat 350 Riechrezeptoren. Nicht so viel, wenn man bedenkt, dass eine Ratte vier mal so viel hat. Dennoch reichen diese Rezeptoren aus, um unser Leben weitgehend zu beeinflussen. Mit jedem Atemzug saugen wir Gerüche ein, die in unserem Gehirn gespeichert werden. Kein einmal aufgenommener Geruch wird vergessen und so beim wiederholten Wahrnehmen wieder in unsere Erinnerung zurück gerufen.
Vor allem die Lebensmittelindustrie hat das frühzeitig erkannt und es verwundert nicht, dass ganze Abteilungen sich damit beschäftigen, welche Gerüche und Geschmacksrichtungen den Verbraucher besonders antörnen und welche ihn eher abstoßen. Ob die Erdbeeren im Joghurt mit dem Sommer oder der frische Apfelkuchen mit Omas guter Küche assoziiert wird, oder der Benzingeruch an Papas Werkstatt erinnert, je nachdem was wir erlebt haben, unser Kopf speichert den dazu gehörenden Geruch unwiderruflich ab.
Auch, oder besser gesagt, vor allem bei der Partnerwahl spielt der Geruch eine ganz entscheidende Rolle. Seit man in Discos, Restaurants, Theatern etc. nicht mehr Rauchen darf, ist der einst überlagernde Nikotingeruch den, nicht immer wohltuenden, Körpergerüchen der Menschen gewichen. Was uns vielleicht ein wenig “stinkt”, ist aber äußerst hilfreich bei der Wahl des richtigen Partners. Davon sind die Geruchsforscher überzeugt, denn kann man sein Gegenüber “gut” riechen, muss man beim Flirt nicht mehr allein den Augen vertrauen.
Wie Studien der Bochumer Forschergruppe aus dem Jahre 2003 zeigen, folgen die Spermien auf ihrem langen Weg durch die Dunkelheit bis zur Eizelle dem Lockstoff Bourgeonal - und dieser findet sich in der realen Welt auch im Duft der Maiglöckchen wieder. Vielleicht war dies ja unbewußt ein Grund für den großen Erfolg von Diorissimo - ein Parfüm welches gerade in der trüben Nachkriegszeit seinen Siegeszug begann mit - wen wunderte es? - einem intensiv betörenden Maiglöckchen-Duft.
Über die Duftfährte, der die Spermien anscheinend folgen, wurde viel diskutiert. Neue Studien haben nun jedoch belegt, dass Spermien nicht riechen können. Die Eizelle sendet chemische Wegweiser, die die Spermien anlocken. Dies nennt man Chemotaxis. Man hat dieses Phänomen erstmals bei den Seeigeln entdeckt. Seeigel legen Spermien und Eizellen im Wasser ab. Leider sind beim Menschen die Nachforschungen im engen Eileiter erheblich schwieriger.
Eine weiter Theorie besagt, dass das weibliche Progesteron die Spermien anlockt. Für das Progesteron sind die CatSper-Ionenkanäle (cation channels of sperm) verantwortlich. Diese Kanäle sind wichtig bei der Fortpflanzung und befinden sich ausschließlich in den Spermien. Männer, die einen Gendefekt bei CatSper aufweisen sind unfruchtbar. Auf diesem Gebiet sind weitere Forschungen von großer Bedeutung, da mit neuen Erkenntnissen auch die Pille für den Mann realisiert werden wird.
Professor Hatt zeigt in seinem Buch „Das Maiglöckchen–Phänomen“, witzig und mitunter auch satirisch, die Bedeutsamkeit unseres Geruchssinns. Hatt ist überzeugt, dass uns der Duft nicht nur stark bei der Partnerwahl beeinflusst, sondern auch dafür notwendig ist, um eine Eizelle zu befruchten. Und so ist diese geheime Botschaft der Düfte eine Wissenschaftslektüre für jeden, nicht langweilig und schon gar nicht verstaubt. Das Autorenteam zeigt uns lehrreich und amüsant zugleich, dass Wissenschaft auch durchaus sehr unterhaltsam sein kann.
Was man selbst von der Maiglöckchen-These hält, muss man selbst entscheiden bzw. wird, wissenschaftlich betrachtet von weiteren Forschungen abhängen. Zweifelsfrei kann sich aber kaum jemand der Macht der Düfte entziehen.
Was wir jedoch sicher wissen, ist, dass Gerüche in jedem Bereich unseres Lebens einen wichtigen Platz einnehmen. Jeder Mensch hat einen eigenen Geruch, der sich nicht verändern lässt und zweifellos werden wir in Fragen der Sympathie durch den Geruch beeinflusst.
Sagte denn nicht schon Napoleon zu seiner Frau Josephine: „Wasche dich nicht, ich komme!“?
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