In den kurzen Wachphasen haben sie nicht selten wahre Heißhungerattacken, zeigen Stimmungsschwankungen und benehmen sich manchmal sexuell höchst anzüglich, berichteten die beiden Namensgeber, der Frankfurter Neurologe Willi Kleine und der New Yorker Psychiater Max Levin, die zwischen 1925 und 1929 eine Reihe Patienten mit diesen seltsamen Symptomen beschrieben. Ob eine genetische Disposition das Syndrom auslöst wird angenommen, ist aber bislang nicht gesichert.
Das mehr bei jungen Männern1 auftretende Syndrom ist zwar selten, dafür jedoch außerordentlich weit auf Erden verbreitet; aus allen Erdteilen sind Fälle bekannt, die meisten bisher aus Europa.Typisch ist, dass die erste Schlafepisode oft von einer Art grippalem Infekt ausgelöst wird. Diese Schlafattacken dauern im Mittel 18 Stunden/Tag und die Betroffenen haben das Gefühl, auch wenn sie wach sind, wie im Traum zu leben, reagieren aber anders als Schlafwandler auf Ansprache. In der Zeit zwischen den Anfällen verhalten sie sich völlig normal.
Hirnscans haben gezeigt, dass bei Menschen mit Kleine-Levin-Syndrom, die gerade eine Schlafattacke erleben, verschiedene Hirnregionen schlecht durchblutet sind, beispielsweise der Thalamus sowie die Region, in der Stirn- und Schläfenlappen zusammenstoßen. Vermutet wird, dass die Mangeldurchblutung dieser Region, wo „Körperempfinden“, optische und akustische Informationen zusammenlaufen, zu dem Gefühl der Unwirklichkeit führt, von dem die Betroffenen berichten, während die ungenügende Durchblutung des Thalamus Anomalien beim Tag/Nacht-Rhythmus und damit ein übermäßiges Schlafbedürfnis auslösen könnte. Eine echte Therapie gibt es nicht, in manchen Fällen können Anregungs-/Aufputschmittel jedoch hilfreich sein.
Diese Schlafattacken dauern in der Regel rund 5 Jahre bei jungen Männern, rund 9 Jahre bei jungen Frauen und können ebenso unvermittelt wieder verschwinden, wie sie begonnen haben. Aber dann haben die jungen Menschen einen wichtigen Teil ihrer Entwicklung verschlafen, Schulbesuch und Berufsausbildung werden unterbrochen, Freundschaften leiden, wenn gemeinsame Unternehmungen immer wieder abgesagt werden. Und inzwischen gibt es Hinweise, dass beim Kleine-Levin-Syndrom auch nach Abklingen der Symptome langfristig Gedächtnisstörungen drohen.
Dornröschen mag ein schönes Kind gewesen sein, wie es im Kinderlied heißt, aber zweifellos auch ein armes Kind…
Wer mehr über seltene und ausgefallene Syndrome wissen möchte, dem empfehlen wir das Buch Die Frau, die ihren Mann für einen Doppelgänger hielt von Monika Niehaus
Verhältnis Männer-Frauen: 4:1 ↩