Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Lebenserwartung der Frauen seit Mitte des 20. Jahrhunderts schneller gestiegen ist als die der Männer. ABER! sich seit Ende des Jahrhunderts wieder verlangsamt hat. Wie Forscher des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden herausgefunden haben, gibt es dabei erhebliche regionale Unterschiede. Sie untersuchten die Todesursachen in 228 Regionen in sieben europäischen Ländern. Lag die Lebenserwartung der Männer Mitte der 1990er Jahre noch mehr als sieben Jahre hinter der der Frauen zurück, verringerte sich der Abstand in den vergangenen Jahrzehnten auf weniger als 5,5 Jahre. Besonders gering ist der Unterschied heute in Süddeutschland, Dänemark und der Schweiz (<4 Jahre), in Basel und Umgebung beträgt er nur 3,3 Jahre, in München und Umgebung 3,5 Jahre. In Teilen Ostdeutschlands, Tschechiens, der Slowakei und Frankreichs waren die geschlechtsspezifischen Unterschiede dagegen mit >6 Jahren etwa doppelt so groß. Zu den Geschlechterunterschieden kann beitragen, dass Frauen häufig besser auf ihre Gesundheit achten und z.B. bei Übergewicht eher Maßnahmen ergreifen als viele Männer.
Dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in gut entwickelten Städten nicht so groß sind wie auf dem Land, wurde in der BiB-Studie ebenfalls festgestellt. Es wird vermutet, dass die Städte eher aktive und gesunde Menschen anziehen als die weniger aktiven Landbewohner, dass also Unterschiede im Lebensstil und in den Umweltbedingungen eine wichtige Rolle spielen.
Bei den Männern hat das Rauchen abgenommen, während die durch Rauchen bedingte Sterblichkeit bei den Frauen weiter ansteigt; bei ihnen hat das stärkere Rauchen seit den 1960er Jahren zugenommen, was sich jetzt auswirken dürfte. Auch der Alkoholkonsum ist bei den Männern zurückgegangen. Und Frauen sind schon seit langem vermehrt in Berufen tätig, die ein höheres Sterblichkeitsrisiko bergen als reine Hausarbeit.
Der Lebensstil und damit die Prävention spielen also für die Lebenserwartung eine größere Rolle als das Testosteron, wie viele bisher angenommen haben.
Für die Endokrinologie stellt sich die Frage, ob und inwieweit Hormone dabei eine Rolle spielen. Auch die Tatsache, dass der Mann nur ein kurzes y-Chromosom statt eines zweiten x-Chromosoms wie die Frau besitzt, spielt eine Rolle.
Inwieweit dabei das Testosteron von Interesse sein kann, zeigt der Verleich mit Tieren: Denn viele Säugetiere leben nach der Kastration länger als unkastrierte Tiere… Langzeitstudien haben gezeigt, dass die Lebenserwartung von Männern mit dem Testosteronspiegel korreliert. Ein direkter oder indirekter kausaler Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und Testosteronspiegel lässt sich jedoch nicht nachweisen. Bei bis zu 30 % der über 40-jährigen Männer findet sich ein spät einsetzender Hypogonadismus1, der mit einer kürzeren Lebenserwartung in Zusammenhang stehen könnte. Allerdings weiß man aus Korea, dass dort im 16. bis 18. Jahrhundert Kastraten eine um durchschnittlich 14 Jahre höhere Lebenserwartung als Nichtkastrierte zeigten; auch die Zahl der über 100-Jährigen war unter ihnen um ein Vielfaches höher als heute bei uns. Im Gegensatz konnte man allerdings dazu feststellten, dass sich das Alter der kastrierten Sängerinnen und Sänger, die früher bei uns gar nicht so selten waren, nicht wesentlich von dem ihrer Gesangskollegen unterschied.
Dass Männer ungesünder leben als Frauen und dass Testosteron die männliche Lebensweise aggressiver und auch gefährlicher macht, wurde und wird dagegen auch bei uns diskutiert. Ein schädlicher Einfluss von Testosteron auf das Herz war in jüngster Zeit auch Gegenstand einer - allerdings kontroversen - Diskussion im Blog der DGE.
Hypogonadismus bezeichnet ein Defizit der Hodenfunktion ↩
Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ↩