Manche Erreger von Infektionskrankheiten sind weltweit verbreitet, aber einige haben spezielle Verbreitungsgebiete. Menschen, die in diese Regionen reisen, haben ein Risiko, sich mit beiden Arten von Krankheitserregern anzustecken. Ob Reisende eine Krankheit tatsächlich in ihr Heimatland importieren, hängt vor allem von der so genannten Inkubationszeit ab, dem Zeitraum zwischen Ansteckung und Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen. Bei einer kurzen Inkubationszeit zeigen sich unter Umständen schon im Reiseland Krankheitssymptome. Die Rückreise des Erkrankten kann dann verzögert oder aber entsprechend vorbereitet werden. Für den Import von Infektionskrankheiten spielt allerdings auch die Dauer der Reise eine wichtige Rolle. Während früher viele akute Infektionskrankheiten schon während der Reise, zum Beispiel bei Schiffüberfahrten, einsetzten und ausheilten oder bereits zum Tode führten, ist der Ausbruch einer Erkrankung oder gar die vollständige Genesung innerhalb eines Kurzurlaubs beziehungsweise während einer mehrstündigen Flugreise nicht zu erwarten.
Ein Beispiel für eine Infektion mit kurzer Inkubationszeit ist die Cholera , die immer noch tausende Todesfälle weltweit verursacht. Schon wenige Stunden nach Infektion mit dem Cholera-Erreger können schwere Durchfälle auftreten. In Hamburg ereignete sich die letzte gro§e Cholera-Epidemie mit etwa 10.000 Toten im Jahr 1892. Bereits zu dieser Zeit wurde an Bord der gro§en Dampfschiffe die Cholera schneller als früher in der ganzen Welt verbreitet, unter anderem durch Auswanderer. In Hamburg wurde die Epidemie letztlich durch die konsequente Verbesserung bei der Trinkwasserversorgung gestoppt. Diese Epidemie war Anlass, das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in unserer Hafenstadt zu gründen.
Viele Urlauber sind sich der Gefahren durch Hepatitis nicht bewusst und unterschätzen die Ansteckungsgefahr. Über die Hälfte von Langstrecken-Reisenden nehmen keine reisemedizinische Beratung in Anspruch. Zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen zählen neben der Türkei, Griechenland, Spanien, auch Afrika, Mittel- und Südamerika, Asien sowie die Karibik. Gerade in diesen Ländern kommen Hepatitis A sowie Hepatitis B häufig vor. Hepatitis A wird oral-fäkal übertragen, das heißt über Wasser und Lebensmittel, die mit Kotrückständen verunreinigt sind. Eine Hepatitis B-Infektion erfolgt dagegen über Körperflüssigkeiten, wie Blut, Blutplasma, Sperma und Vaginalschleim.
Die oral-fäkale Übertragung ist wahrscheinlich durch mangelhafte Hygieneverhältnisse, schlechte Trinkwasser- und Nahrungsmittelqualität, fehlende Kanalisation von Abwässern und eine höhere Bevölkerungsdichte bedingt…
Verglichen mit der Hepatitis A ist das Risiko einer Infektion mit dem Hepatitis B-Virus (HBV) auf Reisen wesentlich geringer. Allerdings beträgt die Häufigkeit dieser Erkrankung in den oben genannten Ländern zwei bis zu acht Prozent. Deshalb besteht hier ein erhöhtes Übertragungsrisiko bei medizinischen Behandlungen, unzureichend gereinigten Blutprodukten, Tätowierungen, Piercings, Rasuren und vor allem sexuellen Kontakten…. Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern ist der Hauptrisikofaktor für eine im Ausland erworbene Hepatitis B-Infektion. Diese wird im Gegensatz zur akuten Hepatitis A in etwa fünf Prozent chronisch. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für Leberkrebs - abgesehen davon, dass andere Personen angesteckt werden können. Gerade in Südamerika und im Mittelmeerraum besteht außerdem die Gefahr einer Doppelinfektion mit Hepatitis B und D. Reisemedizinisch weniger bedeutsam ist hingegen die Hepatitis C-Virus-Infektion , die vergleichsweise selten sexuell übertragen wird. Die durch verunreinigtes Trinkwasser übertragene Hepatitis E spielt vor allem im asiatischen Raum eine Rolle.
Zu den unfreiwilligen Souvenirs von Tropenreisenden zählen zum Beispiel die Amöbenruhr, Würmer , die den Darm und die Haut befallen sowie Zecken und Läuse. Die Malaria nimmt wegen der hohen Sterblichkeit unter diesen Parasitosen eine Sonderstellung ein… Der Name der Krankheit kommt von dem italienischen Ausdruck mal aria (= schlechte Luft) und geht auf die historische Vorstellung zurück, die Malaria sei eine Folge der schlechten Luft in Sumpfgebieten. Erreger der auch Sumpffieber genannten Krankheit sind einzellige Parasiten, die Plasmodien. Sie werden durch die Anopheles-Mücke übertragen. Von über 100 im Tierreich bekannten Plasmodienspezies können vier den Menschen befallen (Plasmodium falciparum = Malaria tropica, Plasmodium vivax = Malaria tertiana, Plasmodium ovale = Malaria tertiana und Plasmodium malariae = Malaria quartana).
Nach dem Stich einer infizierten Mücke vermehren sich die Plasmodien zunächst in der Leber, ohne dass es zu Beschwerden kommen muss. Nach dieser Inkubationszeit, die nur einige Tage, aber auch mehrere Monate dauern kann, befallen die Erreger in großer Zahl die roten Blutkörperchen und zerstören sie. Die Patienten leiden während dieser Phase unter heftigen Fieberschüben mit Begleitsymptomen wie Schwäche, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Übelkeit. Diese Krankheitszeichen ähneln in der ersten Phase denen einer Erkältungskrankheit. Daher zögern viele Infizierte einen Arztbesuch gefährlich lange hinaus. Die einzige lebensbedrohliche Malariaform ist die Malaria tropica. Sie wird durch eine Infektion mit Plasmodium falciparum verursacht. Wenn ein Patient mit Malaria tropica nicht frühzeitig behandelt wird, kommt es innerhalb weniger Tage zu schwerwiegenden Schäden an Gehirn, Nieren und anderen inneren Organe. Ein Großteil der Patienten verstirbt. Wird die Erkrankung hingegen rechtzeitig diagnostiziert und adäquat therapiert, kann sie in den meisten Fällen vollständig geheilt werden…Einige neu entwickelte, aber dementsprechend teure Medikamente und die geschickte Kombination bereits bekannter, preisgünstiger Wirkstoffe, erlauben es, die Malaria trotz bestehender Resistenzen erfolgreich zu behandeln. Parallel gibt es neuartige Prophylaxestrategien, die insbesondere die Erkrankungsschwere und -häufigkeit bei den am stärksten bedrohten Personengruppen, nämlich schwangeren Frauen und kleinen Kindern in Afrika, nachhaltig reduzieren sollen.
Das Spektrum der gefährlichen Reisemitbringsel hängt neben dem geographischen Reiseziel auch davon ab, was man dort unternimmt. So birgt eine Fotosafari in Kenia ganz andere gesundheitliche Risiken als ein Strandurlaub in dem afrikanischen Land. Außerdem wollen viele Urlauber auf ihrer Reise nicht mehr nur Natur und Kultur erleben - sexuelle Kontakte werden im Urlaub zum Teil direkt eingeplant (Sextourismus) oder zumindest leichter eingegangen. Dies gilt sowohl für Männer als auch für Frauen, wenn auch nicht mit gleicher Häufigkeit. Klassische Reiseziele dafür sind Thailand, Kambodscha, die Philippinen, Afrika, Brasilien, Kuba, die Karibik und die Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts. Welche Länder bevorzugt werden, hängt sowohl vom Geschlecht als auch von der Nationalität der Reisenden ab. Sexuelle Kontakte im Urlaub entstehen dabei häufig mit Partnern, die ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen haben, zum Beispiel Prostituierte. Das Spektrum dieser Erkrankungen ist breit und reicht von harmlosen, gut behandelbaren Krankheiten bis hin zur HIV-Infektion.
Die Liste der Erreger, die sexuell übertragbar sind, ist lang und enthält Vertreter aller Erregerklassen:
Retroviren: - HIV-1 und -2 - HTLV-1,- 2
Viren der Herpesgruppe: - HSV1,-2 - EBV - CMV - HHV-8
Andere: - Molluscum contagiosum Virus - HPV, diverse Typen (verursachen genitale Warzen und können Krebs auslösen) - Hepatitis A, B, C, D-Virus
Erreger der bakteriellen Vaginose (Erkrankungen der Scheide) - Streptokokken der Gruppe B - Gardnerella vaginalis
Diarrhoeerreger (Durchfallerreger) - Shigella spp. - Campylobacter spp.
Ektoparasiten (Hautbefall oder -infektionen)
- Phtirus pubis (Filzlaus)
- Sarcoptes scabies (Krätze)
Erkrankungen, die sich äußerlich bemerkbar machen, zum Beispiel in Form von Geschwüren im Genitalbereich, können schnell richtig eingeordnet werden. Komplizierter wird es bei Krankheiten, die eher unspezifische Beschwerden verursachen.
Die HIV-Infektion und ihr Endstadium, AIDS , spielen im Spektrum der sexuell übertragenen Erkrankungen eine besondere Rolle. Während die meisten anderen Krankheiten ausheilen oder gut behandelbar sind, führt die HIV-Infektion unbehandelt zur schweren Immundefizienz (AIDS). Zwischen der Erstinfektion und dem Endstadium der Krankheit können unbemerkt viele Jahre vergehen. Falls sich das Risikoverhalten in dieser Zeit nicht ändert, besteht zusätzlich eine erhebliche Gefahr für weiteren Infektionen. Die HIV-Infektion ist in den letzten Jahren durch neue Therapien von einer tödlichen Bedrohung zu einer chronischen behandelbaren Infektion geworden. Heilbar ist sie jedoch nach wie vor nicht - auch wenn bei manchen Menschen aufgrund von unvollständigem Wissen oft ein gegenteiliger Eindruck entsteht. Die Krankheit kann dann ihren Schrecken verlieren - mit negativen Folgen für die Prävention.
Die ambulant erworbene Lungenentzündung ist die häufigste Krankheit weltweit… Besonders gefährdet sind immungeschwächte und ältere Menschen. Gerade im Urlaub ist man besonders anfällig dafür, eine Pneumonie (Lungenentzündung) zu erwerben. Ursachen sind Klimawechsel und andere Faktoren, die Atemwegsinfektionen begünstigen, zum Beispiel die trockene Luft in Flugzeugen oder von Klimaanlagen.
Hauptproblem bei der Behandlung von Atemwegsinfektionen sind die sogenannten Antibiotika-Resistenzen. Wirkt Penicillin G nicht mehr, sind häufig auch andere Antibiotika unwirksam (Makrolide, Cephalosporine, Doxycyclin). Während resistente Pneumokokken in Deutschland zum Glück noch selten sind, bestehen in anderen europäischen Ländern bereits große Probleme…Erkrankt man in Ländern mit hoher Resistenzrate an einer Lungenentzündung, ist es wahrscheinlich, dass ein resistenter Erreger die Erkrankung verursacht. Glücklicherweise handelt es sich in der Regel bei den Penicillin-resistenten Pneumokokken um eine so genannte „low level” Resistenz, das heißt eine erfolgreiche Therapie ist trotz Resistenz möglich, wenn Penicillin oder andere Betalaktam-Antibiotika ausreichend hoch dosiert werden.
Legionella pneumophila ist der Erreger der ambulant erworbenen Lungenentzündung, der mit der höchsten Sterblichkeit einhergeht. Legionellen leben in den Wasserreservoirs praktisch aller Wohngebäude und vermehren sich besonders gut im warmen Wasser. Die Infektion erfolgt durch das Einatmen von Legionellen-haltigen Aerosoltröpfchen - wie sie zum Beispiel beim Duschen entstehen oder durch Klimaanlagen erzeugt werden. Legionelleninfektionen machen in südlichen Ländern fast ein Drittel aller Pneumonieerreger aus…Bei Urlaubern aus Spanien, Italien und Griechenland sollte bei einer schweren Atemwegsinfektion mit hohem Fieber immer auch an eine Legionellose gedacht werden, vor allem wenn Begleitsymptome wie Verwirrtheit und Halluzinationen auftreten.
Neben den genannten Pneumonieerregern, …gibt es natürlich beim Besuch außereuropäischer Länder Infektionserkrankungen der Lunge, die in Europa unbekannt sind. Hierzu gehören zum Beispiel die Histoplasmose - eine Pilzkrankheit - oder die Tularämie in den USA, die Lungenbilharziose in Afrika oder verschiedene Viruserkrankungen in Asien. SARS hat uns ja in den letzten Jahren erheblich aufgeschreckt… Bei unklaren Lungeninfektionen von Urlaubs-Rückkehrern … muss immer auch an eine HIV- oder andere Tuberkuloseinfektion gedacht werden. Gerade die schnelle Ausbreitung der Tuberkulose … macht Sorgen, da im Ausland oft aus ökonomischen Gründen häufig falsch therapiert wird und Multiresistenzen an der Tagesordnung sind.
Reisen werden mit Durchfall ( Diarrhoe) assoziiert wie Sonne mit Strand. Die Alltäglichkeit der Reisediarrhoe drückt sich auch in umgangssprachlichen Bezeichnungen wie Aztekenzweierschritt, Griechischer Galopp und Montezumas Rache aus. Sie ist die mit Abstand häufigste Erkrankung auf Reisen und trifft etwa jeden zweiten Fernreisenden... Bei der reiseassoziierten Diarrhoe wird die Mehrzahl der Erkrankungen durch Toxin-bildende Darmbakterien (Escherichia coli = E. coli) ausgelöst.
Die klassische reiseassoziierte Diarrhoe ist definiert als drei oder mehr ungeformte Stuhlgänge in 24 Stunden mit wenigstens einem der folgenden Begleitsymptome: Bauchschmerzen , Fieber und Erbrechen. Die Reisediarrhoe beginnt gewöhnlich innerhalb der ersten Tage nach Ankunft im Reiseland, die mittlere Stuhlfrequenz beträgt drei- bis sechsmal pro Tag. Bei etwa 20 Prozent der Betroffenen entwickelt sich eine zweite Durchfallepisode mit Beginn der zweiten Reisewoche. Unbehandelt dauert die Reisediarrhoe im Durchschnitt zwei bis vier Tage, bei etwa drei Prozent der Erkrankten 14 Tage und mehr und in ca. einem Prozent der Fälle sogar länger als einen Monat. Der Krankheitsverlauf kann von Patient zu Patient variieren. So sind ältere Reisende, Patienten mit chronischen Darmerkrankungen und Immungeschwächte häufiger von einer Reisediarrhoe bedroht, und sie kann länger und schwerer verlaufen. Nach überstandener Durchfallerkrankung kann es, insbesondere bei einer bakteriellen Ursache, zu Begleiterscheinungen kommen, die nicht den Magen-Darm-Trakt betreffen. Diese sind immunologische ausgelösten Folgeerkrankungen , die sich zum Beispiel in Form einer Arthritis (Gelenkentzündung) äußern. Hält der Durchfall länger als zwei Wochen nach Reiserückkehr an, müssen auch andere und reiseunabhängige Erkrankungen in Betracht gezogen werden.
Die akute Reisediarrhoe heilt bei ansonsten gesunden Patienten mit intaktem Immunsystem in der Regel von selbst aus und ist nicht behandlungsbedürftig. Die wichtigste symptomatische Therapiemaßnahme besteht darin, ausreichend Flüssigkeit, Elektrolyte und ggf. Nährstoffe zu ersetzen.
Die entscheidende Maßnahme zur Vorbeugung einer reiseassoziierten Diarrhoe ist eine strikte Nahrungshygiene. Hier gilt der alte Satz „Boil it, cook it, peel it or forget it”. Insbesondere ist zu warnen vor ungekochtem Trinkwasser , auch in Form von Eiswürfeln oder Speiseeis und vor ungewaschenem Obst und Gemüse. Reisende wünschen oft, dass ihnen prophylaktisch einzunehmende Antibiotika (Stand-by) verordnet werden. Indikationen hierfür bestehen jedoch nur bei Immungeschwächten, chronisch Kranken, Tumorpatienten, HIV-Infizierten und Patienten mit verminderter Magensäuresekretion sowie Personen „in critical missions” (zum Beispiel Diplomaten, Geschäftsreisende).