Diese Frage ist jedoch leider noch immer weitgehend ungeklärt. Und die Transkranielle Hirnstimulation1 eignet sich auch nicht zur Steigerung der Gehirnleistung bei gesunden Menschen. Im Gegenteil: Eher konnte man dabei eine Verschlechterung, insbesondere bei unsachgemäßem Einsatz, feststellen.
Im Auftrag der europäischen Föderation der Nationalen Gesellschaften für Klinische Neurophysiologie analysierte das Expertenteam mehrere hundert Studien, in denen die Transkranielle Hirnstimulation als Behandlungsmethode zum Einsatz kam. Untersucht wurde die Anwendung bei Krankheitsbildern wie Sprach- und Bewegungsstörungen, Schmerzen, Alzheimer, Depression oder Sucht – also Erkrankungen, bei denen die Aktivität der Nervenzellen in einem bestimmten Hirnareal gestört ist. Anders als bei der Tiefen Hirnstimulation, bei der Chirurgen die Elektroden mit einer Operation dauerhaft ins Gehirn einsetzen, ist die Transkranielle Hirnstimulation nicht invasiv: Die Elektroden haften nur für die Dauer der Therapiesitzung auf der Kopfhaut. Sie leiten einen leichten Strom in die betroffenen Hirnregionen und können die Aktivität der Nervenzellen dort entweder stimulieren oder hemmen.
„Bei den meisten Erkrankungen ist die Studienlage nicht ausreichend, um eine Therapieempfehlung auszusprechen“, sagt Prof. Dr. med. Walter Paulus von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN). Für viele Anwendungsgebiete gäbe es nur wenige hochwertige Studien mit Ergebnissen, die zum Teil stark voneinander abwichen „Das bedeutet aber nicht, dass die Transkranielle Hirnstimulation bei diesen Erkrankungen wirkungslos ist – wir müssen das Potenzial dieser Methode und ihre optimale Anwendung noch weiter untersuchen und optimieren“, betont Paulus, der an der Analyse mitgearbeitet hat.
Nach sechswöchiger Anwendung bei Depression bei gleichzeitiger Behandlung mit Psychopharmaka, sowie bei Fibromyalgie, konnte die Hirnstimulation die Schmerzen lindern. Wie lang die Effekte anhalten ist aber noch nicht ausreichend geklärt. Auch die Platzierung der Elektroden am Kopf sowie die optimale Stromstärke für den größtmöglichen Behandlungserfolg, muss noch abgeklärt werden. Hier spielen bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) eine wichtige Rolle, da sie anzeigen, welche Hirnregionen durch den Strom aktiviert werden.
Auch viele Gesunde erhoffen sich, mit der Gleichstromstimulation Leistungssteigerung zu erzielen, zum Beispiel eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit oder verbessertes Lernvermögen. Geräte für das sogenannte Neuro-Enhancement sind insbesondere auf dem amerikanischen Markt frei erwerblich. Paulus warnt aber vor Selbstversuchen: „Bei gesunden Menschen funktioniert das Gehirn bereits optimal, sodass die Ströme sogar eine Verschlechterung bewirken können“, sagt der Experte aus Göttingen. Zudem müsse man die Elektroden korrekt am Kopf platzieren, damit sie die richtige Hirnregion stimulieren. Diese könne jedoch bei jedem Patienten leicht variieren, weswegen die Anwendung einem Arzt vorbehalten sein sollte.
Quelle: J.-P. Lefaucheur et al., Evidence-based guidelines on the therapeutic use of transcranial direct current stimulation (tDCS), Clinical Neurophysiology 128 (2017) 56–92
v. lat. transkraniell = durch den Schädel hindurch ↩
Funktionelle Magnetresonanztomografie
Myokard-Szintigrafie statt Herzkatheter