„Diese pauschale Empfehlung ist nicht haltbar, denn die individuelle Situation im Mund ist bei jedem anders“, erklärt Professor Zimmer, der einen Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke innehat. Es kann sein, dass manche Menschen nur zwei Minuten für das Zähneputzen benötigen. Andere können aber hingegen fünf Minuten brauchen. Wichtig ist, dass die bakterielle Plaque entfernt wird – und zwar nicht nur an der Innen- und Außenseite sowie auf den Kauflächen. „Bei der Zahnpflege werden gerne die Zahnzwischenräume vergessen. Hier können sich Speisereste anlagern und Approximalkaries begünstigen, also Karies an den Berührungsflächen beieinanderstehender Zähne“, so Professor Zimmer. Dem kann man aber mit Zahnseide und Zahnzwischenraumbürstchen, sogenannten Interdentalbürsten, entgegenwirken.
Egal ob ein planes Borstenfeld oder eine Bürste mit vielen Extra-Borsten – die Zähne werden sauber, denken viele Menschen. Doch weit gefehlt. „Studien zeigen uns, dass Bürstenkopfe mit wechselweise angeordneten kürzeren und längeren oder angewinkelten Borsten besser in Zahnzwischenräume und an den Zahnfleischrand gelangen. Gerade diese Stellen sind für Karies und Zahnfleischentzündungen oder sogar eine Parodontitis besonders gefährdet“, erklärt Professor Zimmer. Auch wenn eine elektrische oder eine Handzahnbürste viele technische Extras aufweist, putzt sie noch lange nicht von alleine. Sie bietet aber bestmögliche Unterstützung.
„Nach dem Essen einen Kaugummi“ empfiehlt die Werbung und suggeriert damit, dass das Zähneputzen erspart bleibt. Doch Professor Zimmer warnt vor diesem Mythos: „Das Kauen eines zuckerfreien Kaugummis regt den Speichelfluss an und neutralisiert damit Säuren im Mundraum, die für Karies verantwortlich sind. Aber Kaugummis entfernen kaum Plaque, in denen sich unter anderem die kariesverursachenden Bakterien tummeln.“ Deshalb kann der zuckerfreie Kaugummi die Zahnbürste nicht ersetzen. Wenn jedoch das Zähneputzen gerade nicht möglich ist, z.B. nach Zwischenmahlzeiten, kann zuckerfreier Kaugummi, wenn er regelmäßig verwendet wird, einen sinnvollen Beitrag zur Zahngesundheit leisten“, argumentiert der zahnmedizinische Experte.
Richtig ist, dass ein Mensch keimfrei zur Welt kommt und dass auch seine Mundhöhle erst danach von Bakterien besiedelt wird. Einer dieser Keime ist Streptokokkus mutans, der nachweislich Karies verursachen kann und als Kariesleitkeim angesehen wird. Deshalb sind manche Zahnmediziner der Meinung, man müsse die Besiedelung mit Streptokokkus mutans vermeiden und könne so Karies verhindern. Teil dieser Strategie ist, dass man seine Kinder nicht küssen und ihren Löffel sowie den herunter gefallenen Schnuller nicht ablecken soll, um so die Keimübertragung von den Eltern auf das Kind zu verhindern. Diese Strategie greift aber viel zu kurz, denn in der Mundhöhle leben bis zu 1000 verschiedene Bakterienarten, deren Bedeutung wir größtenteils nicht kennen, von denen die meisten aber sicher nützlich für uns sind. Sie gehören nämlich zur normalen Mundflora und haben sich dort im Laufe einer langen Evolution etabliert. Die Empfehlungen, die Karies als Infektionskrankheit betrachten, greifen in die Etablierung dieser normalen Mundflora ein, ohne die Konsequenzen abschätzen zu können. Denn es wird ja damit nicht nur die Etablierung der „bösen“ Keime, sondern auch aller anderen beeinflusst. Im Übrigen ist Streptokokkus mutans keineswegs der einzige Keim, der Karies verursachen kann, und er erfüllt auch nicht die Bedingungen des Koch’schen Postulats, die für die Definition einer Infektionskrankheit erforderlich sind. Mutans-Streptokokken haben keine hohe Pathogenität und ihre Anwesenheit ist mit Gesundheit und Kariesfreiheit sehr gut vereinbar. Das Problem ist die Ernährung. Durch unsere zuckerreiche Ernährung schaffen wir ideale Bedingungen für die Bakterien, die Karies verursachen können. Dadurch nimmt ihr Anteil an der Mundflora enorm zu und erst dadurch entsteht das Problem. Karies ist also eine ernährungsbedingte Zivilisationskrankheit und keine Infektionskrankheit.
„Gesunde Milchzähne sind nicht nur zum Essen wichtig. Sie dienen der Sprachbildung, der Kieferentwicklung, haben eine hohe soziale Bedeutung und dienen als Platzhalter für das bleibende Gebiss“, erklärt Professor Zimmer. Der Zahnmediziner warnt daher, die Pflege der Milchzähne zu vernachlässigen und erklärt, welche Mundhygiene wichtig ist: „Sobald die ersten Milchzähnchen durchgebrochen sind, sollten Eltern diese einmal täglich mit einem dünnen Film (Tubenabstrich) fluoridhaltiger Kinderzahnpasta putzen. Sie schmeckt nicht zu süß und hat einen reduzierten Fluoridgehalt von etwa 500 ppm. Ein weiteres Mal sollte mit einem dünnen Film fluoridfreier Kinderzahnpasta geputzt werden.“ Ab dem zweiten Geburtstag wird empfohlen, die Milchzähne zweimal täglich mit einer erbsengroßen Menge fluoridhaltiger Kinderzahnpasta unter entsprechender Hilfestellung und Kontrolle durch die Eltern zu reinigen. Sobald die ersten bleibenden Zähne durchbrechen, ist eine Zahnpasta mit höherem Fluoridgehalt zu verwenden. Spezielle Juniorzahnpasten enthalten ebenso viel Fluorid wie Erwachsenenzahncremes (maximal 1.500 ppm). Sie haben jedoch einen milderen Geschmack. Kinder akzeptieren sie daher meist besser.
Die ersten Milchzähne werden von den Eltern geputzt. Im Alter von drei bis sieben Jahren sollten Kinder spielerisch an die Zahnpflege herangeführt werden. Das ist wichtig, um die Akzeptanz langfristig zu steigern. Als einfach zu lernende Zahnputzmethode eignet sich für Kinder besonders die KAI-Methode. „Die Eltern sollten das Zähneputzen bis zu einem Alter von etwa acht Jahren überwachen und gegebenenfalls nachputzen“, rät Professor Zimmer. Denn erst wenn Kinder die Schreibschrift flüssig beherrschen, sind sie motorisch fähig, Zahnputzbewegungen genau auszuführen.
Konsequente Zahnhygiene und eine achtsame Ernährung reichen nicht, um Karies zu verhindern. „Wichtig ist auch, dass ausreichend Fluoride zugeführt werden, da diese eine anerkannt hohe Kariesschutzwirkung haben, indem sie den Zahnschmelz für Karies unempfindlicher machen. Dies gilt nicht nur für Kinder mit Milchzähnen, wie häufig vermutet wird“, erklärt Professor Zimmer. Fluoridhaltige Zahnpflegemittel (Zahnpasten, Spüllösungen, Gelees) erreichen auch an bleibenden Zähnen eine lokale Schutzwirkung. Zusätzlich fördert die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz eine gesunde Zahnentwicklung und eine geringere Kariesanfälligkeit. Von besonderer Bedeutung ist die lokale Wirkung von Fluorid als Prophylaxemaßnahme. Der Zahnschmelz wird damit vor einer Demineralisation geschützt – also vor dem Abbau von Mineralien aus dem Zahnschmelz durch verschiedene Säuren. Außerdem fördert Fluorid den Wiedereinbau von Mineralien in den Zahnschmelz. Fluorid wirkt somit nicht nur als Schutzschild, sondern auch als Reparaturfaktor bei beginnenden Kariesschäden.
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