Wer es bis zum Beginn der Corona-Pandemie noch nicht so auf seinem Schirm hatte, seither weiß man: Händewaschen ist neben Abstandhalten und Maske tragen ein weiteres must be. Die KKH hat das Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa mit einer Umfrage dazu beauftragt und herausgefunden, dass sich nach dem Nach-Hause-Kommen 93 % die Hände waschen. So weit, so vernünftig. Doch was, wenn das Händewaschen zur Sucht wird? Wenn die Angst vor einer Ansteckung – etwa mit dem Corona-Virus – zu einem krankhaften Hygieneverhalten führt oder bestehende Störungen vorantreibt?
Daten, die bereits vor der Pandemie erhoben wurden, zeigen einen enormen Anstieg bei zwanghaftem Händewaschen: von 2009 auf 2019 bundesweit um rund 82 Prozent. Die meisten Fälle registriert die Kasse bei den 45- bis 59-Jährigen, das größte Plus von rund 154 Prozent bei den 60- bis 74-Jährigen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Genetischen und psychischen Faktoren zählen zu den Auslösern einer Zwangsstörung. Betroffen sind häufig Menschen mit einer ängstlichen Persönlichkeit, aber auch aufgrund von traumatischen Erlebnissen in der Kindheit bis hin zu nicht verarbeiteten Erlebnissen, etwa einer schweren Krankheit. Dass dazu auch die Angst vor einem unbekannten Keim wie dem Corona-Virus gehört, ist keine Frage. Leiden Betroffene bereits an psychischen Erkrankungen, so wird der Zwang durch solche Krisen noch verstärkt.
Menschen mit einem Waschzwang verspüren panische Angst und Ekel vor Keimen, Schmutz, Körperflüssigkeiten und -ausscheidungen. Der Kontakt mit kranken Personen, mit Abfall oder auch das Benutzen öffentlicher Toiletten lösen massive Panik aus. Die Folge: Betroffene müssen vor allem ihre Hände, aber auch ihren Körper, ihre Kleidung, kontaminierte Gegenstände und häufig ihre gesamte Wohnung immer wieder exzessiv reinigen und desinfizieren.
Ein Waschzwang kann aber auch schwere soziale Folgen mit sich bringen. Die massiven Reinigungsrituale nehmen häufig so viel Zeit in Anspruch, dass die Betroffenen ihrem beruflichen und privaten Leben nicht mehr nachgehen können und vereinsamen. Menschen, die unter einer solchen Zwangsstörung leiden, schämen sich oft für ihr zwanghaftes Verhalten. Die Dunkelziffer dabei ist hoch. Bei rund 1000 Versicherten diagnostizierten Ärzte einen Waschzwang im Schnitt bei nur 1.000 Betroffenen. Der deutliche Anstieg zeigt aber, dass solche Zwangserkrankungen im Blick behalten werden müssen, gerade weil sie häufig an weitere psychische Leiden wie Depressionen oder Angststörungen gekoppelt sind.
Sich seiner Waschsucht bewußt zu werden, sich zu öffnen und darüber zu sprechen, ist dabei der erste wichtige Schritt für eine Genesung. Eine sorgfältige Diagnose mit anschließender ärztlicher Behandlung ist daher unumgänglich. Bei einem Verdacht führt der erste Weg zum Hausarzt, der in weiterer Folge einen Psychotherapeuten zur Behandlung empfehlen wird.
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