Die Überalterung in der Bundesrepublik verändert auch den Alltag in den deutschen Kliniken, vor allem im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie. Heute behandeln Ärzte immer mehr Verschleißerkrankungen, die früher durch die geringere Lebenserwartung gar nicht auftraten. Und von einer halben Million häuslichen Unfällen jährlich entfallen ca. 300.000 auf Osteoporose bedingte Knochenbrüche bei älteren Menschen.
Ein Drittel der Menschen über 65 Jahre stürzt laut Statistiken mindestens einmal pro Jahr. Etwa fünf Prozent dieser Unfälle führen zu Brüchen oder anderen gravierenden Blessuren. Neben dem Oberschenkelhals sind häufig Wirbelsäule, Becken, Oberarm, Unterarm oder das Handgelenk von Frakturen betroffen. Bei einer ausgeprägten Osteoporose kann es sogar zu Spontanfrakturen bei banalen Bewegungen ohne Sturz kommen. Für schnellstmögliche medizinische Behandlungen nach solchen Verletzungen gibt es in Deutschland klare Vorgaben: Verschraubungen an gebrochenen Knochen sollen innerhalb von 24 Stunden, künstlicher Gelenkersatz spätestens 48 Stunden nach dem Bruch eingesetzt werden.
“Heute operiert, morgen wieder auf den Beinen, sei etwa nach dem Einsatz eines neuen Hüftgelenks auch bei älteren Patienten realistisch”, berichtet Professor Dr. Joachim Grifka aus dem Klinikalltag. Ohne die in der Orthopädie und der Unfallchirurgie heute eingesetzten neuen Operationsmethoden wäre das nachoperative Risiko von Thrombosen und Lungenembolien oder Herz-Kreislaufprobleme aufgrund langer Liegezeiten viel höher.
In Deutschland werden heute jährlich 210.000 Hüftprothesen und 170.000 Knieprothesen eingesetzt. Die meisten aufgrund von altersbedingtem Verschleiß der eigenen Gelenke, der langfristig zu massiven Bewegungseinschränkungen, zu Hilfsbedürftigkeit bis Pflegebedürftigkeit führen kann. Überflüssig, aus ärztlicher und aus Patientensicht nicht akzeptierbar sei deshalb die Diskussion darüber, bis zu welchem Alter der Einsatz von Gelenkprothesen sinnvoll ist, sagt Professor Grifka. “Selbst rein unter Kostenaspekten betrachtet kann der Einsatz eines neuen Hüftgelenks und die so wiedergewonnene Beweglichkeit des Patienten langfristig die Pflegeausgaben für die Versichertengemeinschaft sogar spürbar reduzieren. Aber es geht natürlich um den einzelnen Menschen. Die Betroffenen sind mit einem neuen Hüftgelenk wieder mobil, eigenständig und haben so eine bessere Lebensqualität”.
Eine weitere Herausforderung für Orthopäden und Gelenkchirurgen: “Die Menschen mit 70 möchten heute so fit sein wie früher 40-Jährige”, so Professor Grifka. “Wir können keine Wunder vollbringen. Aber die Fortschritte in der orthopädischen Chirurgie sind enorm”. So sind Patienten nach einem Gelenkaustausch mit minimalinvasiver Operationstechnik in der Regel bereits direkt nach der Operation schmerzfrei. Sie könnten bereits am ersten Tag nach dem Eingriff aufstehen und nach acht Tagen gestützt durch Gehhilfen wieder Treppen steigen.
Möglich ist dies unter anderem durch neue Methoden der Computernavigation bei der Operation, die den Gelenkaustausch mit minimalinvasiven Operationstechniken, also mit nur kleinsten Schnitten in der Haut möglich machen. Die neuen Techniken garantierten auch präzise und optimale Funktion der künstlichen Gelenke bei deutlich verlängerter Haltbarkeit, so Professor Stöckle.