Wenn er sein Dinner mit einer Pille beginnt und beiläufig bemerkt, das sei eine seiner täglich 250 Tabletten, dann denkt man, Ray Kurzweil ist ein ausgemachter Spinner. Aber wenn man ihn als Wissenschaftler und Buchautoren kennen lernt, zudem als anerkannten Computerspezialisten, kann man ins Grübeln kommen – vor allem dieser These des Ray Kurzweil wegen: Sterben ist nicht nötig, der Mensch kann unsterblich sein – die Unsterblichkeit ist nur noch eine Frage der Zeit.
Das Buch über die Unsterblichkeit des Menschen ist, wie könnte es bei dieser Thematik auch anders sein, provokativ und umstritten („Fantastic Voyage: Live Long Enough to Live Forever“, Verlag Rodale). Es ist in den USA soeben herausgekommen, und Kurzweil hat es zusammen mit dem Arzt Dr. Terry Grossman geschrieben, der in Denver eine Klinik für Altersvorsorge betreibt.
Die beiden Autoren beschreiben drei Stadien, die sie Brücken nennen, die schließlich – binnen der kommenden 20 bis 25 Jahre - zur Unsterblichkeit führen werden. Ende der 2020er Jahre dürften Nanotechnologie und künstliche Intelligenz es schaffen, dass sich jeder Teil des menschlichen Körpers „nachbauen“, also ersetzen lässt. Das wissenschaftliche Verständnis für die Gene sei dann so weit entwickelt, dass es mit Hilfe völlig neuer biotechnologischer Therapien möglich sei, den Alterungsprozess zu stoppen und Erkrankungen zu heilen. „Aber nur eine Minderheit der heutigen Älteren“, schränkt Kurzweil ein – mit 57 gehört er wohl auch zu dieser Gruppe – „wird es dorthin schaffen“.
Das liegt daran, dass die meisten heute lebenden Menschen „unvernünftig“ sind und nicht gesund genug leben. Er empfiehlt dringend, nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Kalorieneinnahme in Form von Fett zu sich zu nehmen, und das liegt natürlich beträchtlich unter den 30 Prozent, die von Ernährungswissenschaftlern auch in Deutschland derzeit empfohlen werden. Kurzweil und Grossman raten auch dies:
Stets etwas weniger essen, als das Bedürfnis es verlangt. Außer Fett sollten auch Kohlehydrate nur in sehr begrenzten Mengen konsumiert werden. Das gleiche gilt für alle Molkereiprodukte. Teil der so geschlagenen „Brücke zur Unsterblichkeit“ sind auch tägliche körperliche Aktivitäten, schnelles Spazierengehen etwa. Und natürlich sind Vitamine A, C und E wesentlicher Teil der „Unsterblichkeits-Formel“, wie es die angesehene „New York Times“ formuliert. Die beiden Buchautoren empfehlen „höchste Dosen von Vitaminen und Mineralien“, und das entgegen den Ratschlägen der Schulmedizin – denn Kurzweil und Grossmann meinen, man solle es dem eigenen Körper überlassen, zuviel Genommenes wieder abzustoßen. Das mache der Körper auch, ohne Schaden zu nehmen.
Dem widersprechen andere Wissenschaftler, darunter auch Professor S. Jay Olshansky (University of Illinois, Chicago). „Megadosen von Vitaminen“ hält er für bedenklich, und er verweist auf eine neuere Studie der Johns Hopkins University, derzufolge Vitamin E in sehr hohen Dosen lebensverkürzend sein kann.
Für Kurzweil ist die Biologie Teil der modernen Computerologie. Den DNA-Code etwa setzt er gleich mit Computer-Codes, die Gene sind für ihn mathematische Sequenzen, das Leben als solches ist eine Software, die manipuliert werden kann. Ein Spinner?
Seine Überlegungen und Erfindungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz brachten ihm viele Preise ein – darunter die höchste Regierungsauszeichnung für Technologie, die National Medal of Technology, und den Lemelson-Preis des berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Der war immerhin mit einer halben Million Dollar dotiert. Großes Lob zollte jetzt auch Professor Raj Reddy, führender Forscher in Sachen künstliche Intelligenz (Carnegie Mellon University): „Kurzweils Denken und Wirken ist von höchster Qualität – der hat stets seine Hausaufgaben gemacht“.