Impfungen haben unzählige Menschen vor Infektionskrankheiten geschützt. Impfungen haben darüber hinaus maßgeblich dazu beigetragen, einige Krankheiten aus weiten Teilen der Erde zu vertreiben. So konnten um 1980 die Pocken ausgerottet werden. Polio und Masern sind auf dem Rückzug. In den kommenden Jahrzehnten, so hofft die Weltgesundheitsorganisation WHO, werden auch sie ganz verschwinden. Ähnlich erfolgreich waren in Mitteleuropa die Tetanus und Diphtherieimpfungen - die Erkrankungen, vor denen sie schützen, kennt heute kaum noch jemand.
Diesen Erfolgen stehen Rückschläge bei anderen Krankheiten gegenüber: AIDS und Malaria etwa trotzen bis heute jedem Versuch, gegen sie eine wirksame Schutzimpfung zu entwickeln. Erst dank neuer, gentechnischer Methoden gibt es wieder neue Impfstoffkandidaten, die derzeit in klinischer Prüfung sind.
Überhaupt hat die Biotechnologie Bewegung in die Impfstoffforschung gebracht. Mit ihrer Hilfe werden derzeit Impfungen entwickelt, die nicht nur gegen Infektionskrankheiten, sondern auch gegen Alzheimer, Multiple Sklerose oder Krebs wirken sollen. Auch werden Ärzte, dank Biotechnik, künftig seltener die ungeliebte Spritze zücken müssen. Stattdessen werden sie ihre Patienten mit Nasensprays, Hautcremes oder gar speziell gezüchteten Nahrungsmitteln impfen können.
Die Überlebenden sahen aus, als habe “der Teufel Erbsen auf ihrem Gesicht gedroschen”. So beschreibt Theodor Fontane das Äußere der von der Pockenkrankheit entstellten Menschen. Wenige Jahrzehnte vor der Geburt des Schriftstellers hatte die Seuche noch heftig gewütet: Jahr für Jahr, schätzen Medizinhistoriker, fielen der Plage im 18. Jahrhundert in Europa rund 400 000 Menschen zum Opfer. Wer das Glück hatte, die Krankheit zu überstehen, blieb ein Leben lang gezeichnet: Erblindung, Taubheit und Lähmungen zählten neben den tiefen, kraterförmigen Narben zu ihrer Hinterlassenschaft.
Heute sind die Pocken ausgerottet. Möglich wurde das durch eine Methode, die ein bis dahin unbedeutender Wundarzt aus Berkeley in der englischen Grafschaft Gloucestershire im Jahr 1796 in die wissenschaftliche Medizin einführte - die “Vakzination”, auf deutsch Schutzimpfung. Dieser Arzt, der von Zeitgenossen zunächst als Scharlatan beschimpft wurde, heißt Edward Jenner. Mit seinem wirksamen und sicheren Verfahren begründete Jenner eine neue Ära der Medizin.
Der 14. Mai 1796 gilt als Geburtstag der Vakzination - so benannt nach dem lateinischen Wort “vacca” für “Kuh”. Unter den Augen zahlreicher neugieriger Zuschauer entnahm der damals 47-jährige Jenner der Melkerin Sarah Nelmes einige Tropfen Flüssigkeit aus den Bläschen ihrer Hand, die von den für den Menschen weitgehend harmlosen Kuhpocken herrührten. Diese Flüssigkeit träufelte der Arzt in eine winzige Wunde, die er einem achtjährigen Jungen names James Phipps zuvor beigebracht hatte. Jenner wartete zunächst ab, bis sich bei dem Kind die für die Kuhpocken typischen Pusteln entwickelt hatten und wieder abgeheilt waren. Sechs Wochen später macht der Arzt die entscheidende Gegenprobe: Er übertrug James Phipps eine hochinfektiöse Flüssigkeit aus den Pusteln eines an den gefährlichen echten Pocken erkrankten Menschen und wiederholte diesen Test wenige Monate darauf. Der gewagte Versuch ging gut aus: James Phipps war gegen die Pocken gefeit und blieb gesund.
Jenner, der weder von einem körpereigenen Immunsystem noch von der zukunftsweisenden Bedeutung seiner Entdeckung etwas ahnte, wusste nicht einmal, was die Pocken überhaupt verursachte. Erst über ein Jahrhundert später, im Jahr 1906, machte der in Mexiko geborene Hamburger Arzt Enrique Paschen die “Pockschen Körperchen” unter dem Mikroskop dingfest. Das war nur deshalb möglich, weil die Pockenerreger die größten Viren sind, die man kennt. Die kompliziert aufgebauten Partikel sind mit dem Lichtmikroskop gerade noch zu erkennen.
Beim nächsten Mal lesen Sie, was die Chinesen und Englands Lady Montagu gemeinsam hatten, welche Pioniertaten die Nobelpreisträger Robert Koch und Emil von Behring vollbrachten und welch unglaubliches Experiment Louis Pasteur wagte…